Interview mit Uli Fricke, FunderNation

VC Magazin: Wie differenziert nehmen die Anleger Crowdinvesting wahr? Wie trennscharf ist die Wahrnehmung zu Vorfällen wie beispielsweise der Pleite von Prokon?
Fricke: Es gibt nicht den einen Investorentyp, sondern lauter Individuen. Manche investieren 100 EUR in alle Unternehmen der Plattform und denken nicht weiter darüber nach. Wenn es auf 500 EUR pro Monat nicht ankommt, ist das auch gar keine schlechte Strategie. Manche beteiligen sich mit 10.000 bis 40.000 EUR und sind dabei so gründlich wie ein Business Angel. Sie besuchen das Unternehmen persönlich, telefonieren mit dem Geschäftsführer und haben viele Fragen, bevor sie sich zur Investition entscheiden. Der Fall Prokon war relevant, da er die Vertrauensbasis erschütterte. Investieren macht aber nur mit einem Mindestmaß an Vertrauen Sinn. Eine der wichtigsten Fragen für jedes kapitalsuchende Unternehmen ist also, wie man Vertrauen aufbauen kann.

VC Magazin: Kann die Regulierung in der jetzt angedachten Form zu einem zusätzlichen Vertrauensgewinn noch beitragen?
Fricke: Regulierung kann in der Wahrnehmung der Deutschen immer zu Vertrauen beitragen. Natürlich ist nach den Erlebnissen von 2008 auch verständlich, dass man möchte, dass Finanzmarktteilnehmer reguliert werden. Als die AIFMD in Brüssel und Berlin verhandelt wurde, war ich als EVCA-Vorsitzende an vorderster Front dabei. In der Entwicklung der Gesetzesvorlage werden viele Themen in einen Topf geworfen, denen es nicht guttut, gleich behandelt zu werden. Genauso wie Venture Capital in der AIFMD nichts zu suchen hat. Venture Capital-Fonds und Hedgefonds sind weit voneinander entfernt. Ähnlich ist es mit dem Kleinanlegerschutzgesetz. Es werden Dinge geregelt, die aus der Erfahrung Prokon richtig sind, in ihrer Anwendung bei Crowdinvesting aber wenig Sinn machen. Wenn man ein Instrument im Rahmen der Kleinanlegerschutzregelung platziert hat, darf man die nächste Finanzierung erst wieder aufnehmen, wenn das Instrument zurückbezahlt ist. Für ein Wagniskapital- oder ähnlich finanziertes Unternehmen macht dies keinen Sinn. Wir finanzieren schließlich in unterschiedlichen Finanzierungsrunden. Die erste Runde ist nichts mehr wert, wenn man die zweite nicht platzieren kann. Dann gibt es das Unternehmen bald nicht mehr. Das sind Teilaspekte, die der Politik im Moment nicht bekannt sind oder nicht wichtig genug, um sie ernst zu nehmen. Deswegen hat das Kleinanlegerschutzgesetz ein paar Facetten, die im Fall, dass sie durchgesetzt werden, unglaublich kontraproduktiv für Unternehmen wären, die Crowdinvesting als Finanzquelle nutzen wollen.

VC Magazin: Wie hoch schätzen Sie die Chance ein, dass Plattformbetreiber noch Einfluss nehmen können? Gibt es in der Branche Bestrebungen, die Kräfte zu bündeln und geschlossen aufzutreten?
Fricke: Hier wird viel gemacht. Das German Crowdfunding Network hat sich das Thema Lobbyarbeit deutlich auf die Fahne geschrieben und ist sehr aktiv. Das wird hoffentlich Auswirkung zeigen. Darüber hinaus ist Frau Aschenbeck-Florange von Osborne-Clarke sehr aktiv im Austausch mit der Politik. Eine der vielen Ängste der Politik in einem derartigen Verfahren ist eine Regelung zu schaffen, die sich andere zunutze machen. Im jetzigen Kleinanlegerschutzgesetz gibt es bereits eine Ausnahme für Crowdfunding. Das macht Mut zu hoffen, dass man im Zuge der weiteren Entwicklungen Anpassungen hinzufügen kann, die dem Finanzinstrument dienlich sind.