Neun Fragen an Marc-Oliver Eckart, Unfallhelden

Marc-Oliver Eckart, Unfallhelden
Marc-Oliver Eckart, Unfallhelden

VC Magazin: Wie kam es zu der Idee für Dein Start-up?
Eckart: Die Idee ist aus der Feststellung entstanden, dass die Versicherungswirtschaft versucht, Unfallgeschädigten die Unfallabwicklung größtmöglich aus der Hand zu nehmen. Das nennt die Versicherungswirtschaft aktives Schadenmanagement. Nun kann man sich aber vorstellen, dass die Versicherung, die dem Geschädigten gegenüber ersatzpflichtig ist, kein Interesse hat, möglichst umfangreich Schadenersatz zu leisten, sondern im Gegenteil. Genau diesem Phänomen wollten wir mit dem Projekt Unfallhelden entgegentreten und eine Lösung für Verbraucher anbieten, die größtmöglichen Komfort mit Unabhängigkeit von Versicherungsinteressen und der Sicherheit verbindet, nicht übervorteilt zu werden.

VC Magazin: Wie hast Du die erste Finanzierung Deiner Gründungsidee gestemmt und wie verlief die weitere Suche nach Kapital(-gebern)?
Eckart: Bis zum heutigen Tag sind wir ganz bewusst rein eigenkapitalfinanziert. Wir wollten auf der einen Seite nicht mit der Sorte Gründer in Verbindung gebracht werden, die erst mal 500.000 EUR Investorengelder verbrennt, bevor sie überhaupt eine Website ins Internet bringt – geschweige denn überprüft, ob der Markt ihr Produkt annimmt – und groß ankündigt, aber nicht liefert. Und auf der anderen Seite wollten wir mit diesen „Accelerators“, „Networkern“, „Business Developern“ und sonstigen Zeitgenossen nichts zu tun haben, die zwar immer viele Ideen haben, aber niemals eigenes Risiko eingehen und am Ende an einem möglichen Erfolg kräftig partizipieren wollen. Mit dieser Ausgangslage ist es eigentlich unmöglich, in einer sehr frühen Phase einen Finanzierungspartner zu finden, mit dem sich wirklich etwas bewegen lässt und deshalb haben wir uns dagegen entschieden. Inzwischen haben wir allerdings eine Größenordnung erreicht, in der wir mit geeigneten Investoren sprechen würden und möglicherweise auch selbst eine Investorensuche initiieren werden.

VC Magazin: Was sprach gegen die Karriere als Angestellter und wie hat sich das Gründerteam zusammengefunden?
Eckart: Angestellter war ich abgesehen von Studentenjobs eigentlich nie und das liegt mir auch nicht wirklich. Ich wollte eigentlich immer mein Schicksal in gewisser Weise selbst bestimmen. Oft hört man als Grund von Gründern den Wunsch nach mehr Freizeit. Das allerdings ist definitiv ein Trugschluss. Die Komfortzone ist als Angestellter deutlich größer. Das Team zusammen zu bringen war nicht wirklich schwer, da der Mitgründer mein Bruder ist und wir uns natürlich gut und lange kennen.

VC Magazin: Wenn Du auf Deine bisherigen unternehmerischen Erfahrungen zurückblickst: Welche Entscheidungen würdest Du erneut treffen?
Eckart: Was ich sicher wieder so entscheiden würde, ist, mit eigenem Geld und eigenem Risiko loszulegen und die anfänglichen Notwendigkeiten auf diese Weise durchzuführen. Der Antrieb ist dann einfach ein ganz anderer. Außerdem ist das Projekt Unfallhelden wesentlich vielschichtiger und komplexer, als man vielleicht auf den ersten Blick meint, mit Henne-Ei-Problemen an allen Ecken und Enden. Die Art und Weise, wie wir mit dieser Situation umgegangen sind, war wahrscheinlich nicht ganz falsch.

VC Magazin: Verbrannte Finger gelten als gute Lehrmeister. Aus welchen schmerzhaften Erfahrungen konntest Du besonders viel lernen?
Eckart: Man begegnet mit einem Unternehmen jeden Tag vielen Menschen, die in irgendeiner Weise etwas für das Unternehmen tun sollen oder wollen. Man begegnet allerdings auch Blendern und Schwätzern. Und trotz einer gewissen Grundskepsis passiert es mir leider ab und zu, dass ich davon ausgehe, dass jemand eine bestimmte Aufgabe erledigen kann, nur um hinterher festzustellen, dass das eben nicht so ist. Umso schwieriger ist das bei Sachen, mit denen man selbst keine große Erfahrung hat. Inzwischen allerdings glaube ich, dass ein gewisser Indikator der inflationäre Gebrauch von Anglizismen ist. Wenn jemand den ganzen Tag in conference calls mit dem C-level hängt, um danach beim täglichen allnighter out of the box zu denken, um den growth hack zu finden, der alles disrupted und der dann im nächsten meeting agreed wird und Fehler in seinem radical thinking als communications gap bezeichnet, dann sollte man ihm besser keine große Verantwortung übertragen. Harry G hat das mit seiner Satire über Unternehmensberater ganz schön dargestellt, das gilt aber auch für diverse andere Branchen.

VC Magazin: Was sind aus Deiner Sicht bei den Rahmenbedingungen in Deutschland der größte Pluspunkt und das größte Manko für junge Unternehmen?
Eckart: Es wird immer viel geschimpft über die Bürokratie in Deutschland und darüber, dass zu wenig öffentlich gefördert wird. Ich kann das überhaupt nicht bestätigen. Von allen Herausforderungen bei einer Unternehmensgründung ist der bürokratische Teil wirklich die kleinste. Und öffentliche Förderprogramme gibt es wirklich viele und gute. Ein großer Pluspunkt wird meiner Meinung nach immer unterschätzt: Wir haben in Deutschland eine wahnsinnig gute Infrastruktur, man bekommt problemlos alles, was man benötigt, um mit irgendwas anzufangen. In Entwicklungsländern zum Beispiel ohne flächendeckende Internetanbindung oder ohne funktionierendes Postsystem sind die Hürden deutlich größer. Ein Manko ist meiner Meinung nach ein bisschen der Umstand, dass unser Lebensstandard zu einer gewissen Grundzufriedenheit bei den Menschen führt – was ja an sich gut ist –, die auf der anderen Seite aber dem Drang entgegenwirkt, sich wirklich zu schinden und Einsatz auch dann noch zu bringen, wenn es anfängt, weh zu tun. Zufriedenheit ist für Fortschritt ein schlechter Antrieb.

VC Magazin: Gibt es (Internet-)Unternehmer, die Du als Vorbilder oder Idole siehst?
Eckart: Ich persönlich bewundere Elon Musk. Und das unabhängig davon, ob Elektromobilität nun die Zukunft ist oder nicht. Er hat es in wirklich komplexen Bereichen geschafft, jahrzehntelang als mehr oder weniger notwendig gegeben angenommene Strukturen komplett auf den Kopf zu stellen und mehrfach vorgeführt, dass man mit analytischem Denken und Durchsetzungskraft Ziele erreichen kann, die niemand für möglich hält. Und SpaceX halte ich für seine größte Leistung, weil ihm damit etwas gelungen ist, was die größte Raumfahrtbehörde der Welt trotz hoher Budgets nicht hinbekommen hätte. Als Vorbild oder Idol würde ich ihn allerdings nicht bezeichnen, weil ich nicht glaube, dass man realistisch davon ausgehen kann, diese Leistung selbst bringen zu können. Nacheifern hilft in diesem Fall also nichts.

VC Magazin: Die Digitalisierung der Versicherungsbranche, mit der Du viel in Kontakt bist, gilt als eines der größten Trendthemen. Welche drei Punkte sind aus Deiner Sicht die am dringlichsten anzupackenden?
Eckart: Das ist schwer zu sagen. Wenn man Digitalisierung dahin begreift, dass man moderne IT-Möglichkeiten nutzt, ist die Versicherungsbranche gar nicht so schlecht unterwegs. Das Problem ist meines Erachtens eher das typische Problem einer Branche, die über Jahrzehnte viel zu einfach Geld verdient hat: Es bilden und verfestigen sich Strukturen, die wahnsinnig ineffizient sind und die Manövrierfähigkeit eines Unternehmens stark behindern. Die über Jahrzehnte aufgebaute Zufriedenheit tut ihr Übriges. Diese Strukturen wird man aber auch nicht ohne weiteres los. Und wenn sich dann Wettbewerb auftut, der ohne diese Hemmschuhe agiert, wird die Reaktion auf diese Herausforderung natürlich schwierig. Im Verhältnis zu Banken sind die Versicherungsunternehmen an und für sich noch in einer komfortableren Situation, weil sie nicht so sehr mit dem Problem zu kämpfen haben, dass ihnen reihenweise Geschäftsbereiche komplett wegbrechen. Ein Rezept zur Lösung dieser Situation habe ich auch nicht, aber ich würde meinen, dass interne Strukturmaßnahmen vor allem notwendig wären. Den Versuch allerdings, die hausgemachten Probleme auf Dritte zu verlagern und sich selbst damit vor internen Maßnahmen zu drücken, halte ich für nicht zielführend.

VC Magazin: Wie sehen die mittelfristigen Planungen für Dein Start-up und Deine unternehmerische Zukunft aus?
Eckart: Derzeit sehen wir, dass die Marktakzeptanz unseres Services stetig zunimmt. Wir werden also weiterhin diesen Weg forcieren und unser Serviceangebot sukzessive weiter verbreitern. Im Verhältnis zur Marktgröße sind wir natürlich noch sehr klein, aber das wollen wir natürlich auch ändern.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.

 

Marc-Oliver Eckart ist Co-Gründer von Unfallhelden.