Interview mit Saskia Sefranek und Solveig Schulze, signals

„Das Thema Quote alleine wird kaum etwas verändern“

Interview mit Saskia Sefranek und Solveig Schulze, signals
Interview mit Saskia Sefranek (r.) und Solveig Schulze (l.), signals: "Das Thema Quote alleine wird kaum etwas verändern“

Bildnachweis: signals / Dominik Tryba.

Wie nachhaltig sind die Corporate Venture Capital-Aktivitäten deutscher Konzerne? Diese Frage stellte sich die hiesige Frühphasenfinanzierungsbranche in den letzten Jahren immer wieder. Die Corona-Krise und die möglichen wirtschaftlichen Folgen könnten dazu führen, dass schon bald Klarheit herrscht. Doch es gibt auch Einheiten, die aktuell eher auf- statt abbauen.

VC Magazin: Welche Rolle kommt signals innerhalb der Start-up-Aktivitäten der Signal Iduna-Gruppe zu?
Sefranek: Wir verstehen uns als Innovationsökosystem – konkret als das Bindeglied zwischen dem Start-up- und Venture Capital-Ökosystem und Signal Iduna. Wir wollen die Brücke zwischen Start-ups und dem Konzern bauen und achten darauf, dass ein Transfer von Technologien, Methoden und Ansätzen stattfindet. Dabei haben wir bei signals einen etwas anderen Ansatz als andere Konzerne und sind über das Modell  „Digitallabor“ hinweg. Mit signals sind wir Teil einer größeren Digitaleinheit. Bei uns sitzen die Innovationstreiber für das Kerngeschäft nicht nur in Berlin, sondern auch direkt im Konzern, weil dort die Bedürfnisse am allerbesten verstanden werden. Und nur dann kann Startup-Corporate-Zusammenarbeit echte Ergebnisse liefern. Unsere Kernaufgabe in Berlin ist die Brücken- und Übersetzungsfunktion. Wir sind Verlängerung in das lokale und internationale Startup-Ökosystem hinein. Dazu bündeln wir mehrere Initiativen unter einem Dach: Angefangen bei signals Pre-Seed, über das wir mit dem Founder Fellowship Gründer unterstützen ohne Equity zu nehmen und über Pre-Seed Fundings dann mit Equity-Beteiligung. Darüber hinaus bauen wir über signals Startup Client die eben angesprochenen Brücken in den Konzern und stoßen so Partnerschaften zwischen den Start-ups und Signal Iduna an, bei denen Signal Iduna Kunde des Jungunternehmens wird. Außerdem unterhalten wir mit Open Studios einen Co-Working- und Community-Space, in dem Start-ups nicht nur arbeiten können, sondern wir – zumindest in der Zeit vor Corona – physische Events veranstalten konnten. Eine Sonderrolle kommt signals VC zu, die als unabhängiger Fonds mit eigenständigem Management in der Late Seed- und Series A-Phase in Start-ups investieren.

VC Magazin: Wie sieht die Neupositionierung von signals aus und welche Überlegungen stehen dahinter?
Sefranek: Die Neupositionierung bedeutet sowohl einen Ausbau als auch eine Schärfung unserer verschiedenen Initiativen. Wir wollten klarer machen, wofür wir stehen – sowohl mit dem Pre-Seed-Programm als auch mit dem Anfang des Jahres gestarteten Startup Client. Bei Pre-Seed sind wir zu Anfang mit dem Founder Fellowship in den Markt gegangen und vergeben eine Art Gründerstipendium, bei dem die Teams 20.000 EUR erhalten, wie gesagt, keinerlei Anteile abgeben müssen, und über den Zeitraum von drei Monaten sehr viel Hands-on Unterstützung von uns bekommen. Diesen Weg haben wir bislang als eine Art Due Diligence genutzt, um ein mögliches anschließendes Pre-Seed-Investment zu prüfen. Da wir in vielen Fällen aber sehr schnell sehen, ob ein Team zu uns passt, haben wir nun auch die Möglichkeit, direkt eine Beteiligung von bis zu 250.000 EUR einzugehen. Mit der inhaltlichen Fokussierung auf B2B-Start-ups haben wir darüber hinaus die Andockfähigkeit an signals VC geschärft. Auch die neue Doppelspitze war eine bewusste Entscheidung, da wir glauben, dass unsere unterschiedlichen Expertisen dazu führen, dass wir ein besseres Team aufbauen können, effektiver sind und gleichzeitig besser skalieren, aber auch tiefer in die Themen eintauchen zu können. Für uns ist die Doppelspitze ein vielversprechendes Leadership Modell der Zukunft, weil wir damit Teamplay auch auf der Führungsebene verankern wollen.

Schulze: Mit dem Startup Client sind wir aktuell noch mitten im Prozess und auch innerhalb des Konzerns bewegt sich wunderbarerweise sehr viel. Wir haben im Transformationsprozess sogenannte Journeys, die sich mit der Themenfindung zu bestimmten Herausforderungen beschäftigen. Zusammen mit den jeweiligen Ansprechpartnern greifen wir dann aus dem Konzern heraus die Pain Points auf, suchen im Start-up-Ökosystem die besten Lösungen und schaffen für beide Seiten sinnvolle Partnerschaften. Bei letzterem begleiten und unterstützen wir die Start-ups bei Punkten wie der Ausformulierung der Partnerschaft.

Sefranek: Zusammengefasst: Wir wollen den Start-ups einen Fast Track in die Signal Iduna-Gruppe anbieten und dabei die Sichtweise der Gründer einnehmen, um zu sehen, wo unter Umständen auch der Konzern Dinge erst einmal lösen muss, damit gewisse Prozesse möglich sind.

VC Magazin: Wie steht es Ihre Einschätzungen nach aktuell um den deutschen Start-up- und Venture Capital-Markt?
Sefranek: Zum Thema Finanzierungsaktivitäten deckt sich unsere Wahrnehmung mit vielen Statistiken, die gerade veröffentlicht werden: Es ist durchaus so, dass es bereits im ersten Quartal 2020 einen gewissen Dämpfer gab, der sich wohl auch in Q2 fortsetzen wird. Positiv stimmt da, dass mehr als die Hälfte der Venture Capital-Geber in der DACH-Region nach wie vor aktiv investiert – auch wir gehörten zu dieser Gruppe. Die Zurückhaltung bei Neuinvestments und das Konzentrieren auf das Bestandsportfolio bei vielen Kapitalgebern können für Gründer auf Sicht durchaus zum Problem werden und werden sicher auch Auswirkungen auf die Bewertungen haben. Wir glauben aber, dass aus der Krise heraus viele spannende Geschäftsmodelle entstehen werden. Bei den Start-ups ist zu beobachten, dass einige sehr viel stärker auf ihre Burnrate achten müssen, weil es bei ihren Kunden aktuell kriselt. Allerdings gibt es durchaus auch Gewinner der Pandemie. Dazu zählen beispielsweise Start-ups aus den Bereichen Future of Work oder Work Force Automation.

Schulze: Gerade diese beiden Bereiche sind gute Beispiele für das, wie wir arbeiten, denn wir nehmen Veränderungen im Konzern wahr und können daraufhin passenden Start-ups zu einer Partnerschaft verhelfen.

Sefranek: Absolut. Durch die Corona-Krise sehen wir innerhalb von Signal Iduna einen gesteigerten Digitalisierungsappetit und damit viele spannende Cases für den Startup Client.

VC Magazin: Innerhalb des Ökosystems findet man noch immer selten Frauen in Führungspositionen, weshalb wiederholt die Forderungen nach Quoten aufkommen. Wie stehen Sie zu dazu, braucht es die Quote oder doch mehr Initiativen, die die Frauen in Führungsposition sichtbar machen?
Sefranek: Ich freue mich, dass Sie die anderen Initiativen ansprechen – wir sind absolut der Meinung, dass noch zu wenig passiert.

Schulze: Wir wissen, dass es noch zu wenige Frauen – gerade in Führungspositionen – im Ökosystem gibt, aber es braucht unseres Erachtens ein Maßnahmenpaket, das sinnvolle Anreize und eine offenere Diskussionen beinhaltet. Das Thema Quote, das wir womöglich auch schon hinter uns gelassen haben, alleine wird kaum etwas verändern.

VC Magazin: Frau Sefranek, Frau Schulze, vielen Dank für das Interview.

 

 

Saskia Sefranek arbeitet seit mehr als neun Jahren im Berliner Startup-Ökosystem und kennt sowohl die Gründer- als auch die Investoren-Perspektive. Bei signals baute sie zuvor als Head of Venture Development das signals Pre-Seed-Programm auf. Davor war sie im Venture Development bei Project A sowie als Principal bei German Media Pool tätig. Sefranek studierte internationales Management und Unternehmertum an den Universitäten St. Gallen, ESADE und im CEMS-Programm.

Solveig Schulze ist Expertin für Startup-Konzern-Zusammenarbeit und baute als Co-Creator den Lufthansa Innovation Hub in Berlin mit auf. Vor ihrem Wechsel zu signals war sie als Public Affairs-Beraterin bei der Brunswick Group tätig. Sie studierte Internationale Politik an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und internationales Management in Barcelona.