Start-up- und Innovationsprogramme unter der Lupe

Wie agieren Corporates in der DACH-Region?

Wie agieren Corporates in der DACH-Region? Start-up- und Innovationsprogramme von Unternehmen unter der Lupe
Wie agieren Corporates in der DACH-Region? Start-up- und Innovationsprogramme unter der Lupe

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Unternehmen suchen zunehmend die Nähe zu Start-ups, um von deren positiven Eigenschaften wie Innovationskraft, Kreativität, technologischem Fortschritt sowie Agilität zu proftieren. Dazu werden immer mehr Start-up- und Innovationsprogramme aufgebaut. Im Rahmen der Studie „Startup- und Innovationsmonitor 2020“ wurden die Unternehmen der Aktienindizes DAX, MDAX, ATX und SMI hinsichtlich ihrer Kooperationen untersucht.

Es existieren zahlreiche unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit zwischen Großunter-nehmen und Start-ups: etwa Acceleratoren, Company Builder, Inkubatoren, Innovationshubs, Sponsoring, Venture Capital oder Innovationsplattformen. Auch unternehmensübergreifende Kooperations- und Förderprogramme sind möglich, letztere oftmals mit staatlicher Unterstüt-zung.

Deutliche Unterschiede zwischen den Indizes

Am häufigsten werden Corporate Venture Capital-Einheiten betrieben, wobei sich die Zahl unternehmensübergreifender Programme im Vergleich zu den letzten Jahren weiter erhöht. Zudem zeigen sich folgende Besonderheiten der jeweiligen Indizes: Beim DAX ist eine Grundabdeckung vorhanden, 73% der Unternehmen betreiben eigene Programme beziehungsweise nehmen an Kooperationsprogrammen teil. Zudem finden sich verschiedene themenverwandte Aktivitäten wie Start-up-Wettbewerbe, Innovationszentren oder Intrapreneurship-Programme. Im Vergleich dazu gehen die Unternehmen des MDAX deutlich weniger Kooperationen ein – über 60% weisen keine unternehmenseigenen Programme auf. Zwar gleichen einige Unternehmen diese Lücke mit ähnlichen Aktivitäten aus; dennoch besteht vor allem bei älteren Unternehmen deutlicher Nachholbedarf. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Österreich: Von den 20 Unternehmen des ATX betreiben nur sechs unternehmenseigene Programme. Auch übergreifende Kooperationsprogramme konnten nur in geringer Anzahl identifiziert werden. 50% der Schweizer SMI-Unternehmen betreiben eigene Programme. Die im Vergleich zum DAX niedrigere Rate an eigenen Programmen wird oftmals durch Teilnahme an Kooperationsprogrammen ausgeglichen.

Größere Unternehmen bevorzugen unternehmenseigene Programme

Auf Basis der Marktkapitalisierung als Indikator für die Unternehmensgröße fällt auf, dass insbesondere große Unternehmen des DAX sowie SMI unternehmenseigene Programme betreiben. Als Untergrenze konnte eine Marktkapitalisierung von 1 Mrd. EUR identifiziert werden; bei Unternehmen unterhalb dieser Grenze wurden keine eigenen Programme fest-gestellt. In Bezug auf das Firmenalter ist zu erkennen, dass insbesondere jüngere Unternehmen Start-up-Programme betreiben, vor allem die in den 2000er-Jahren gegründeten. Bei der Programmanzahl je Unternehmen lassen sich kaum Muster feststellen. Beim DAX betreiben insbesondere die Konzerne der Automobilbranche mehrere Programme, beim SMI vor allem die großen Unternehmen wie Nestlé und Roche. Allerdings lässt die reine Anzahl keine direkten Rückschlüsse auf Innovationsstärke oder -erfolg der Unternehmen zu – die individuelle Qualität der Programme ist der ausschlaggebende Faktor.

Branding, kultureller Wandel und Networking gewinnen als Ziele an Bedeutung

Im DACH-Vergleich werden am häufigsten CVCs betrieben – daher sind strategische Unter-nehmensbeteiligungen sowie finanzieller Erfolg grundlegende Ziele der analysierten Unter-nehmen. Allerdings rücken zunehmend auch weichere Faktoren in den Vordergrund:

  • Branding/Markenbildung: Kooperationen mit Start-ups können insbesondere auf altein-gesessene „Dinosaurier“ positiv abfärben; diese profitieren vom kreativen, agilen und ju-gendlichen Image der Start-ups.
  • Aufbau und Erweiterung von Netzwerken: Je mehr mit Start-ups zusammengearbeitet wird, desto mehr Zugang erhalten Unternehmen zu innovativen Netzwerken – dadurch werden Trends frühzeitig erkannt, Kontakte geknüpft und potenzielle Mitarbeiter identifi-ziert.
  • Kultureller Wandel: Durch eine erfolgreiche Kooperation mit Start-ups können Vorbehalte im eigenen Unternehmen („not invented here“) verringert, funktionsübergreifender Aus-tausch angeregt und ein kreativitätsfördernder Start-up-Spirit aufgebaut werden.
  • Steigerung der Innovationskraft und Trendscouting: Start-ups sind „am Puls der Zeit“ und haben frische, innovative Ideen – durch Kooperationen profitieren auch Konzerne davon.

Fazit

Die Studie zeigt, dass zahlreiche Großunternehmen erfolgreich mit Start-ups zusammenar-beiten und diese Kooperationen für beide Parteien einen großen Mehrwert bringen. Die Pra-xisbeispiele bestätigen dies und bestärken Unternehmen darin, Start-up-Kooperationen ein-zugehen. Potenzial ist dafür vorhanden – haben doch insbesondere die Unternehmen des MDAX und ATX deutlichen Nachholbedarf hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Start-ups.

 

Dr. Jens Lehnen ist Manager bei der auf Connected Business spezialisierten Beratung mm1 Consulting & Management. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der digitalen Produktentwicklung, der Etablierung und Steuerung von Start-up-Kooperationen sowie der Anwendung kundenzentrischer Methoden wie Design Thinking oder Lean Start-up. Er leitet die mm1 Service Line Digital Products, die sich mit der gesamtheitlichen Entwicklung digitaler Produkte befasst – von der Schaffung der Rahmenbedingungen bis zur operativen Umsetzung.