Interview mit Peter Pauli, BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft

„Ich habe großen Respekt vor dem Mut und der Initiative von Gründern“

„Ich habe großen Respekt vor dem Mut und der Initiative von Gründern“ – Interview mit Peter Pauli, BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft
„Ich habe großen Respekt vor dem Mut und der Initiative von Gründern“ – Interview mit Peter Pauli, BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft

Bildnachweis: BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft.

Die Corona-Krise geht auch an der Gründer- und Start-up-Szene nicht spurlos vorbei. Doch neben all den Herausforderungen, die mit ihr einhergehen, bieten sich für innovative Geschäftsmodelle auch einige Chancen.

VC Magazin: Sie sind seit mehr als 20 Jahren im Beteiligungsgeschäft tätig und haben neben der Corona- auch die Finanzkrise und das Platzen der Dotcom-Blase miterlebt. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation für Start-ups und Investoren ein?
Pauli: Eine schwierige Frage, da im Grunde jede Krise anders war und andere Ursachen hatte. Eine Besonderheit der Corona-Pandemie ist, dass man Dauer und Ende nicht wirklich abschätzen kann. Für Start-ups bedeutet das, dass beispielsweise sowohl bei den Finanzierungsrunden als auch beim Go to Market die Pandemie noch einige Zeit eine Rolle spielen wird. Während der Finanzkrise hatten wir deutlich mehr Indizien, dass der Einbruch sich wie ein V gestaltet, also relativ schnell eine Erholung einsetzt. In der momentanen Situation mehren sich die Anzeichen, dass es kein V werden kann. Positiv zu werten ist, dass die Start-up-Szene heute reifer und ausgeprägter ist als bei vorherigen Krisen, was dem Sektor sehr hilft. Auch das 2 Mrd. EUR schwere Programm der Bundesregierung liefert einen Beitrag zur Überwindung der Krise. Allerdings muss man ganz klar sagen, dass das Maßnahmenpaket allein die Krise nicht lösen wird – das funktioniert nur marktwirtschaftlich. Ein weiterer Schritt vorwärts ist der von der Bundesregierung geplante Zukunftsfonds mit einem Volumen von 10 Mrd. EUR. Wenn es gelingt, mit staatlichen Initiativen privates Kapital in Milliardenhöhe zu hebeln, wird das Start-up-Ökosystem einen Schub bekommen und mehr große Finanzierungsrunden in Deutschland möglich werden.

VC Magazin: In der Vergangenheit haben Krisen wiederholt sehr erfolgreiche Unternehmen hervorgebracht. Liegt nicht auch in der COVID-19-Pandemie eine Chance für Start-ups?
Pauli: Eindeutig, ja. Das ganze Thema Digitalisierung wird noch mal einen richtigen Schub bekommen, und Start-ups, die dort mit klugen Geschäftsmodellen aufsetzen, können profitieren. Nichts ist nur gut und nichts ist nur schlecht.

VC Magazin: Gemeinsam mit Bayern Kapital managen Sie das Programm „Startup Shield Bayern“, das Teil der öffentlichen Corona-Hilfen ist. Wie funktioniert das Angebot?
Pauli: Das Maßnahmenprogramm der Bundesregierung verteilt sich auf zwei Säulen. Die erste und mit circa 1,2 Mrd. EUR deutlich größere Säule ist die Corona Matching-Fazilität. Sie richtet sich – verkürzt dargestellt – an Venture Capital-Fonds, damit diese ihre Portfoliounternehmen besser unterstützen können. Für Start-ups, die noch keinen institutionellen Investor an Bord haben, hat man die Säule zwei geschaffen. Aus dieser ist in Bayern dann das Startup Shield entstanden. Wir haben den Auftrag, die Mittel nach marktüblichen Kriterien und Beteiligungsmodellen zu investieren. Das Ziel ist also, dass durch die Unterstützung des Startup Shield Unternehmen die Möglichkeit bekommen, den Durchbruch am Markt zu schaffen, zu wachsen und eine Finanzierungsrunde einzuwerben. Das Startup Shield sieht Kriterien vor, die die Start-ups erfüllen müssen – zum Beispiel muss ein erster Market Proof vorhanden sein –, um zu vermeiden, dass zu viel Kapital ohne Erfolgswahrscheinlichkeit investiert wird.

VC Magazin: Wie stark ist die unternehmensseitige Nachfrage nach Unterstützung durch das Programm?
Pauli: Bei gerundeten Zahlen haben wir aktuell etwa 190 Anfragen, wovon circa 20 dem Mittelstand zuzurechnen sind. Es sind also seit Anfang August knapp 170 Anfragen von Start-ups eingegangen.

VC Magazin: Corona beiseite: Was bringt Ihrer Meinung nach ein guter Investor neben Kapital in eine Beteiligung ein?
Pauli: Ein guter Investor muss mehr mitbringen als Kapital. Dazu zählen vor allem Beratungsleistungen und Hilfestellungen rund um die Unternehmensentwicklung. Der Investor muss Ansprechpartner für die in der jeweiligen Unternehmensphase typischen Probleme sein. Darüber hinaus muss er Türen öffnen und dabei helfen können, dass das Start-up in den Markt kommt. Ein gutes Netzwerk in der Venture Capital-Szene, das es ermöglicht, nächste Finanzierungsrunden zu generieren, rundet das Profil ab.

VC Magazin: Was kann ein Investor nicht leisten?
Pauli: Das Unternehmen operativ erfolgreich machen.

VC Magazin: Hatten Sie in Ihrer Zeit als Investor Pitches von Gründern, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind – positiv wie negativ?
Pauli: An krasse Ausreißer, nach oben wie nach unten, kann ich mich im Detail nicht erinnern. Natürlich sehen wir immer wieder Geschäftsideen, von denen wir aus der Erfahrung wissen, dass sie kaum umsetzbar sind beziehungsweise sich für Venture Capital nicht eignen. Trotzdem habe ich vor dem Mut und der Initiative von Gründern großen Respekt und versuche, sie zu unterstützen und zu fördern – auch wenn es für ein Investment nicht passt. Auf der anderen Seite habe ich aber auch noch nie einen Pitch gesehen, bei dem ich gesagt habe, das wird das nächste Einhorn. Auch hier ist man dann zu lange im Geschäft, um nicht sofort nach den Knackpunkten zu suchen. Grundsätzlich ist der Sinn und Zweck eines Pitches, dass man sich mit einem Geschäftsmodell beschäftigt und versucht, es zu durchdringen.

VC Magazin: Stichwort Einhorn: In Bayern gibt es mit Celonis und FlixMobility zwei mit mehr als 1 Mrd. EUR bewertete Unternehmen. Wie sehen Sie die bayerische Start-up-Szene insgesamt aufgestellt?
Pauli: Meines Erachtens ist sie gut aufgestellt – bei noch viel Potenzial nach oben – und hat sich über die letzten zwei Jahrzehnte immer weiterentwickelt. Das gesamte Ökosystem ist heute sehr viel reifer als noch zu Zeiten der Dotcom-Blase. Einhörner sind natürlich für die Venture Capital-Szene wichtig, weil sie als Leuchttürme Gründer motivieren und die notwendigen hohen Renditen der Fonds bringen. Allerdings sind sie nur eine Teilmenge der Szene. Viele Start-ups, die am Ende vielleicht keine Unicorns werden, haben eine hohe Innovationskraft, tolle Technologien und damit eine absolute Berechtigung am Markt. Wenn ein Unternehmen irgendwann 100 Mio. EUR Umsatz erreicht und mit 400 Mio. EUR bewertet ist, ist das, wie ich finde, auch ein großer Erfolg.

VC Magazin: Herr Pauli, vielen Dank für das Gespräch.

Peter Pauli ist Sprecher der Geschäftsführung der BayBG Bayerischen Beteiligungsgesellschaft. Er ist seit 1998 für die BayBG tätig und war seit 2007 Geschäftsführer. Darüber hinaus ist Pauli Vorstandsmitglied im Branchenverband BVK und dort für Mittelstandsthemen zuständig.