Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit einem CVC?

Nachgefragt

Nachgefragt bei Arranz und Wucherpfennig
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit einem CVC?: Nachgefragt

Warum haben Sie sich entschieden, neben Ihrem Acceleration-Programm auch einen Early Stage Investment Arm zu etablieren?

Alberto Pérez Arranz, wayra Germany: Als das Telekommunikationsunternehmen Telefónica 2012 wayra Deutschland ins Leben rief, waren wir nicht viel mehr als ein klassischer Corporate Accelerator. Der Mehrwert für die Telefónica-Gruppe hielt sich in Grenzen. Daher veränderten wir wayra Deutschland 2018 von Grund auf – vom reinen Accelerator hin zum Venture Client-Programm. Unsere oberste Priorität ist dabei bis heute, die Telefónica mit den besten aufkommenden Technologien zu verbinden und den einzelnen Geschäftsbereichen zu helfen, neue Einnahmequellen zu generieren und kapitaleffizienter zu arbeiten. Wir investieren in B2B- sowie B2B2C-Start-ups im Bereich Late Seed bis Series A. Dabei fokussieren wir uns derzeit auf künstliche Intelligenz (KI), Big Data, Unternehmenssoftware, Netzwerktechnologien, Cybersicherheit und Internet of Things (IoT). Wir sind vor allem an europäischen Start-ups interessiert, die bereits ein valides Produkt sowie ihre Technologie an ersten Kunden angewandt haben. So stellen wir sicher, dass sie für eine langfristige Geschäftsbeziehung mit unseren Geschäftsbereichen bereit sind. Wir haben derzeit mehr als 500 Start-ups in unserem Portfolio; über 130 davon arbeiten bereits mit Telefónica weltweit zusammen.

Welchen Mehrwert verspricht sich ein Gründer davon, ein Unternehmen wie wayra als Co-Investor miteinzubeziehen?

Dan Wucherpfennig, Lana Labs: Wir bieten mit Lana Labs eine Plattform für Process Mining an, die auf den Einsatz in komplexen Daten- und Prozessszenarien zugeschnitten ist. Daher passen wir perfekt zu den Anforderungen der Telefónica in Bezug auf Prozess- und Ausführungsexzellenz. Aber ohne einen Partner wie wayra Deutschland wären wir niemals in der Lage gewesen, so viele Menschen innerhalb einer Organisation wie Telefónica über den Mehrwert aufzuklären, den wir liefern können. Obendrein ist das Team um wayra Deutschland immer ein Sparringspartner gewesen, der ehrliches Feedback oder – wo immer nötig – professionelle Betreuung oder Beratung bietet. Neben den finanziellen Mitteln stehen bei Co-Investoren natürlich immer die strategische Rolle und deren Expertise im Vordergrund. Wayra hat es unserem relativ kleinen Team ermöglicht, sich in eine komplexe Unternehmensstruktur wie die der Telefónica einzufinden. Durch das Programm greifen wir auf eine Partnerschaft zurück, die von professioneller Beratung bis hin zu einem ganzen Ökosystem gleichgesinnter junger Unternehmen alles bietet, was wir uns von einem Start-up-Hub wünschen.

Welche Rolle spielen strategische Interessen der Telefónica bei der Suche nach möglichen Investments?

Alberto Pérez Arranz, wayra Germany: Generell wollen wir immer einen Mehrwert für die drei Hauptinteressengruppen schaffen: unsere Muttergesellschaft Telefónica, Start-ups und Investoren. Das berücksichtigen wir auch in unseren Jahreszielen. Als weltweit agierender Konzern verfolgt die Telefónica die größten Techniktrends – von künstlicher Intelligenz über Internet of Things bis hin zur 5G-Technologie. Deshalb fokussieren wir uns natürlich auf diese Themengebiete. Allerdings liegt unsere Priorität darin, gezielt Abteilungen innerhalb der Telefónica mit innovativen Lösungen zu unterstützen und ihnen zu zeigen, dass wir ihre Probleme mithilfe unserer Start-ups lösen können. Aufgrund unseres breiten Spektrums sowie der zahlreichen Geschäftsbereiche der Telefónica sind wir immer damit beschäftigt, starke Start-ups zu scouten, die wir unseren Geschäftsbereichen vorstellen können – von internen Prozessen wie der Mitarbeiterentwicklung im Konzern bis hin zum Kundenservice-Chatbot für Endkunden. Wir coachen unsere Portfolio-Start-ups in jederlei Hinsicht, zum Beispiel auch, um sie auf Investorengespräche vorzubereiten. Wir definieren gemeinsam mit den Gründern Wege für die Kapitalbeschaffung und bieten ihnen jede Unterstützung, die sie in diesem Prozess benötigen. Darüber hinaus gehört wayra Deutschland zu einem weltweiten Netzwerk von Innovation Hubs, das die meisten der besten Risikokapitalgeber rund um den Globus und eine lange Liste potenzieller Kunden umfasst.

Hatten Sie Vorbehalte, den Beteiligungsarm eines Konzerns an Bord zu nehmen?

Dan Wucherpfennig, Lana Labs: In meiner beruflichen Laufbahn habe ich mit vielen Corporate Acceleratoren zusammengearbeitet – mit dem Venture Client-Modell fährt wayra Deutschland jedoch einen ganz anderen Ansatz. Da wir mit der Telefónica ohnehin schon zusammengearbeitet haben, lag es dann nahe, den nächsten Schritt zu gehen. Warum? Weil Unternehmensinvestoren wie wayra Deutschland im Gegensatz zu „klassischen“ Venture Capital-Gesellschaften klare Wertversprechen und Erwartungen haben. Zudem bieten sie operative Hilfe vom ersten Tag an. Ob ich Bedenken hatte, einen Beteiligungsarm eines Konzerns an Bord zu nehmen? Nein, überhaupt nicht. Es ist gerade die Kundenbeziehung zur Telefónica, die uns wayra Deutschland in dieser intensiven Form ermöglicht hat, die diese Zusammenarbeit so wertvoll für uns gemacht hat. Davon haben neben der Telefónica auch alle unsere anderen bestehenden und künftigen Kunden etwas – egal, aus welcher Branche sie dann stammen.

Wie wichtig ist eine tiefe Integration der CVC-Gesellschaft in das Start-up-Ökosystem?

Alberto Pérez Arranz, wayra Germany: Noch heute denken viele Konzerne, wenn sie mit innovativen Start-ups zusammenarbeiten oder sie einfach schlucken, werden sie wie von Geisterhand selbst agil und innovativ. Das ist natürlich nicht der Fall. Eine gemeinschaftliche und offene Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft für Corporates und Start-ups. Es ist enorm wichtig, dass etablierte Unternehmen eng in der Start-up-Community verzahnt und aktiver Teil davon sind. Nur so hat man die relevanten Märkte im Blick, um frühzeitig und nachhaltig auf die neuesten Technologien zurückgreifen zu können – und genau das machen wir. Wir verstehen uns als Plattform, auf der sich Start-ups austesten, lernen sowie wachsen können und die nicht zuletzt die Türen zu einem globalen Konzern öffnet.

Dan Wucherpfennig, Lana Labs: In der Zusammenarbeit mit Konzernen kann es passieren, dass Start-ups vor ungewohnten kulturellen Herausforderungen stehen. Das Gleiche gilt dann natürlich auch aus Sicht eines Konzerns, der mit der agilen Herangehensweise und dem Laisse-fair eines Start-ups eventuell nicht immer umgehen kann. An genau dieser Schnittstelle kann wayra Deutschland seine Stärken ideal ausspielen. Das Team um Alberto agiert als Brückenbauer, aber eben manchmal auch als Übersetzer und Vermittler, wenn unterschiedliche Sichtweisen erkannt und miteinander in Einklang gebracht werden müssen.

Wo liegen Grenzen der Zusammenarbeit? 

Alberto Pérez Arranz, wayra Germany: Die meisten B2B-Start-ups wissen, wie man mit großen Unternehmen zusammenarbeitet. Schnelligkeit ist dabei nicht die Top-Eigenschaft. Neben der Geschwindigkeit ist zum Beispiel der Datenschutz ein wichtiger Aspekt, der oft zu einer Hürde wird – manchmal zu einer unüberwindbaren. Aber genau diese Pain Points gehen wir an, denn wir kennen die Fallstricke sowohl beim Konzern als auch beim Start-up. Mit dem Venture Client-Programm ermöglichen wir einen reibungslosen Ablauf. Prozesse in großen Unternehmen mögen umfangreich und ermüdend sein, aber wenn man diese Hürde gemeinsam erst einmal überwunden hat, wird das Potenzial auf lokalen und globalen Märkten gewaltig.

Dan Wucherpfennig, Lana Labs: Aus rein rechtlicher und vertraglicher Perspektive betrachtet, verhalten sich Unternehmensinvestoren wie wayra Deutschland wie jeder andere Venture Capital-Investor auch. Wayra ist hochprofessionell, verlässt sich auf die gleichen Finanz- und Geschäftsberichte und verhält sich wie ein enger Partner. Das Team um Alberto versteht, wie wir und die Telefónica ticken. Sie handeln nicht nur im Interesse ihres Mutterkonzerns, sondern auch in unserem. Ich weiß nicht, ob ohne wayra eine so tiefe Zusammenarbeit mit einem globalen Konzern so schnell und einfach möglich gewesen wäre. Also nein: Es gibt eindeutig keine Grenzen in der Zusammenarbeit.

 

Alberto Pérez ist Leiter der Abteilung Portfolio & Investments bei wayra Deutschland, dem Open-Innovation-Hub des Telekommunikationsunternehmens Telefónica. Er verantwortet Investments in die Portfolio-Start-ups von wayra Deutschland.

Dan Wucherpfennig ist CEO von Lana Labs. Zuvor war er mehr als zwei Jahre bei omni:us als Chief Growth Officer (CGO) und Chief Delivery Officer (CDO) tätig.