Neffe von Olaf Scholz: „Fondsstandortgesetz ist ein Rohrkrepierer“

Interview mit Fintech-Gründer Fabian Scholz

Neffe von Olaf Scholz: „Fondsstandortgesetz ist ein Rohrkrepierer“ - Interview mit Fintech-Gründer Fabian Scholz
Neffe von Olaf Scholz: „Fondsstandortgesetz ist ein Rohrkrepierer“ - Interview mit Fintech-Gründer Fabian Scholz

Bildnachweis: © Thomas Trutschel / Photothek, ©BillionPhotos.com – stock.adobe.com, rubarb.

Onkel Olaf Scholz, sagt Fabian Scholz, Gründer des Fintechs rubarb, vertritt durchaus viele kluge Positionen. Das neue Fondsstandortgesetz des SPD-Finanzministers zählt der Neffe nicht dazu. Vielmehr äußert er massive Kritik an dem Entwurf und erklärt, warum das Gesetz einen künftigen Innovationsstandort Deutschland eher behindert und wenig für die kaum vorhandene hiesige Aktienkultur tut.

GoingPublic: Sie haben mit rubarb ein Fintech gegründet – mit welchem Ziel?

Fabian Scholz: Wir wollen der breiten Bevölkerung in einer Welt ohne Zinsen rentables Sparen ermöglichen. Mit unserer App können die Nutzer über drei verschiedene Portfolios in breit gestreute ETF investieren. Sparen kann man über eine Einmalzahlung, Sparpläne oder die Aufrunden-Option bei jeder bargeldlosen Zahlung – unkompliziert und ohne Medienbruch.

Damit könnten Sie einen Beitrag zu Verbesserung der weiterhin eher mangelhaften Aktienkultur im Land leisten.

Das versprechen wir uns. Die fehlende Affinität für den Kapitalmarkt hierzulande ist ein kulturelles Phänomen: Der Deutsche ist maximal risikoavers, skeptisch gegenüber Abweichungen vom Status quo und sehr an Sicherheit interessiert. Durch unser Modell der breiten Streuung und den niedrigschwelligen Zugang können wir schon heute zahlreiche neue Menschen für das Aktiensparen begeistern.

Eine andere Variante, Menschen an den Kapitalmarkt heranzuführen, können aktienbasierte Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sein.

Sicher: Die Idee des Investierens am Kapitalmarkt kann wunderbar auch über eine Aktienbeteiligung am Arbeitgeber in den Köpfen der Angestellten Fuß fassen – wenn ich meinen Arbeitgeber nicht kenne, wen dann. Zudem erhöhen die Unternehmen damit die emotionale Identifikation des Mitarbeiters mit der Firma.

Dennoch haben wenige Konzerne ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, das Angestellte zu Aktionären macht. Haben Sie dafür Erklärungen?

Wenn sich der Finanzminister hinstellt und Finanz- und Kapitalmarkt als schwierig bezeichnet, dann wird das natürlich wahrgenommen. Leider haben wir hinsichtlich der Vorbilder schlechtere Voraussetzungen als viele andere Länder. Ausgerechnet die Politik und die erfolgreichen Unternehmen versäumen es, die Vorteile von Investitionen zu betonen und vorzuleben, wie es geht. Auch der neue Entwurf für das Fondsstandortgesetz geht am Thema vorbei.

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Der eben genannte Finanzminister Olaf Scholz ist zufällig Ihr Onkel – haben Sie Ihre Kritik auf dem kurzen Weg vorgebracht?

Über familieninterne Gespräche werde ich mich nicht äußern. Ich kann aber sagen: Das Fondsstandortgesetz hätte theoretisch die Option geboten, die Dinge zu optimieren. Diese Gelegenheit wurde nicht genutzt. Ich habe mich im Vorfeld der jetzigen Abstimmung zum Gesetz über Wochen und Monate bemüht, die Mitglieder des Finanzausschusses mit Experten der Wirtschaft zusammenzubringen.

Ein solcher Austausch wurde von Seiten der Politik kategorisch abgeblockt. Da darf ich auch auf den eigenen Onkel einmal böse sein. Der Finanzminister vertritt viele kluge Positionen und trifft sinnige Entscheidungen, aber das Fondsstandortgesetz ist einfach nicht gut. Es ist nicht klug, was hier gemacht wird.

Welche Kritikpunkte haben Sie konkret?

In der jetzigen Form ist das Gesetz ein Rohrkrepierer. Start-ups brauchen die Möglichkeit, ihre Angestellten über eine echte Beteiligung am Unternehmen partizipieren zu lassen. Sonst haben Sie im Kampf um Talente das Nachsehen und langfristig leidet der Innovationsstandort Deutschland. Es gibt keinerlei realistisch nutzbare Beteiligungsinstrumente für junge Firmen, die fast immer die Gesellschaftsform der GmbH wählen.

An zweiter Stelle folgt die steuerliche Belastung. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollen bei Arbeitgeberwechsel oder nach Ablauf einer Zehnjahresfrist besteuert werden. Das ist ein Nachteil – es darf erst besteuert werden, wenn es einen echten Mittelzufluss an den Mitarbeiter gegeben hat. Das ist absolut logisch und das einzige, das Sinn ergibt.

Aber wenn nach zehn Jahren noch immer nichts verdient wurde – wie realistisch ist es dann, dass der Erfolg noch kommt?

Nehmen Sie das Beispiel BioNTech. Im Zuge der Coronakrise hat das Start-up eine wahnsinnige Wertsteigerung erfahren, die Aktien gingen durch die Decke. Nach dem neuen Gesetz wären beteiligte Angestellte aber bereits nach zehn Jahren besteuert worden – sehr weit vor dem jetzigen Erfolg, und hätten dann vermutlich die Anteile abgestoßen. Dabei ist völlig klar, dass gerade im Bereich Life Sciences die Entwicklungszyklen sehr lang sind.

Wie kann es sein, dass die Politik diese Aspekte nicht berücksichtigt?

Offenbar haben die Verantwortlichen keine Ahnung von dem, was sie tun. Für die gesamte Start-up-Branche ist es nicht verständlich, warum die eben genannten Ideen ein Problem darstellen sollten. Und es geht um die Angestellten: die klassische sozialdemokratische Klientel.

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Deutschland ist bereits ein Sanierungsfall, in dem Innovation dringend mehr gefördert werden müsste. Leider wird hier nach einem falschen Weltbild Politik gemacht: Irgendjemand könnte böse Absichten hegen und versuchen, einen persönlichen Vorteil zu ziehen – das muss unbedingt vermieden werden, also wird von vornherein jede sinnvolle Idee abgewürgt.

Und das, obwohl Hunderttausende Angestellte bessergestellt werden könnten, eine Chance auf gute Entlohnung erhalten würden – diejenigen, die Innovation mit ihrer Arbeitskraft voranbringen.

Sehen Sie in einer der anderen Parteien eine größere Kompetenz als bei der SPD Ihres Onkels?

Parteipolitik ist nicht meine Aufgabe. Aber: Ich sehe bei keiner Partei einen sinnvollen Ansatz. Zum Thema gab es eine Diskussionsrunde, initiiert vom Bundesverband Deutsche Start-ups. Im Verlauf wurde klar, dass kein Mitglied des Finanzausschusses wirklich verstanden hatte, um welche Themen es geht. Es wurde vielmehr über die Untiefen des Steuerrechts gesprochen.

Ich kann es nur noch einmal so deutlich wie möglich machen: Ein Start-up mit der Rechtsform GmbH braucht eine echte Anteilsmöglichkeit für Mitarbeiter. Und diese Option darf erst dann besteuert werden, wenn Geld geflossen ist. Es ist für mich völlig unverständlich, warum weder SPD noch Union, FDP oder Grüne genau diese zwei Kernprobleme lösen wollen. Weder im Finanzministerium noch im Finanzausschuss wird genau daran gearbeitet.

Das Gesetz ist bereits in Abstimmung. Sie kämpfen auf verlorenem Posten, oder?

Vor der Bundestagswahl wird nicht mehr an dem Gesetz gedreht, auch kurzfristig danach eher nicht. Das ist ein fatales Signal und völlig irre. Deutschland wird gerade zum Vorreiter beim Verhindern von Innovation. Es wird geredet und geredet, aber am Ende passiert nichts. Ich mache mir große Sorgen, weil wir die falschen Schwerpunkte setzen.

Herr Scholz, vielen Dank für Ihre klaren Worte.

Fabian Scholz

Über Fabian Scholz:
Fabian Scholz ist Mitgründer und Geschäftsführer des 2019 gegründeten Hamburger Fintechs rubarb. Zuvor hatte der Unternehmer nach seinem Abschluss an der Bucerius Law School und einem Management Master in London bereits früh den Einstieg in die Welt der Start-ups gefunden. Mit PALTRON hat Scholz 2016 sein erstes Start-up gegründet; bereits drei Jahre darauf legte die digitale Headhunting Agentur für IT-Experten einen erfolgreichen Exit hin.