Melting Pot Berlin als Start-up-Hotspot Europas

Kein Zweifel: Das vergangene Ausnahmejahr war eine Herausforderung – für uns als Gesellschaft, für uns als Unternehmen, für jeden Einzelnen von uns. Es hatte und hat auch dramatische Auswirkungen auf das Geschäft der Standortförderer. Im März 2020 hat sich Berlin Partner über Nacht von der Wirtschaftsförderung zur Hilfsorganisation für die Berliner Wirtschaft entwickelt: In Tausenden Telefongesprächen wurden Unternehmer beraten. Die Not und die Verzweiflung waren unmittelbar zu spüren.

Wir haben aber auch erlebt, wie die Berliner Unternehmer, vor allem die Gründer, diese Herausforderung angenommen haben: mit Besonnenheit, Engagement, Ein­fallsreichtum und Verständnis, wenn mal etwas nicht wie geplant funktionierte. Berlin hat sich auch und vor allem dank der engen Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft zum führenden europäischen Start-up-Hub und Innovationsstandort entwickelt. Forschung und Unternehmertum haben in Berlin so den Strukturwandel früh und aktiv mitgestaltet. Gerade im vergangenen Jahr hat sich erwiesen, dass dort, wo Wissenschaft und Wirtschaft eng kooperieren, nicht nur in regulären Zeiten höchstes Wachstumspotenzial entsteht, sondern auch die Widerstandskraft gegen Krisen auffallend groß ist.

Leuchttürme bringen Aufmerksamkeit

Mit ihrer einzigartigen Geschichte, ihrer Vielfalt und ihrer Lust auf Innovation ist Berlin eine Stadt, deren Ruf jedes Jahr mehr als 50.000 Menschen anzieht. Menschen aus mehr als 170 Nationen leben und arbeiten in dieser Metropole. In den vergangenen zehn Jahren hat das Berliner Start-up-Ökosystem und damit auch die Szene für Entrepreneure noch mal einen echten Schub erfahren. Vor gut zehn Jahren war das Berliner Start-up-­Öko­system vor allem durch universitäre Ausgründungen geprägt. Große Investitionen in Start-ups wie Wunderkind und ResearchGate oder die Gründung von Zalando im Jahr 2008 brachten der Stadt reichlich Aufmerksamkeit. Seitdem hat Berlin eine Vielzahl von attraktiven Förderprogrammen für Gründer und Unternehmer etabliert, die hochinnovative Geschäftsideen unterstützen.

Zahl der Finanzierungsrunden steigt

Heute ist Berlin Hauptstadt der neuen Gründerrepublik Deutschland. Das belegen Studien alljährlich aufs Neue – etwa das EY-Startup-Barometer. Demnach stieg die Zahl der Finanzierungsrunden 2020 deutschlandweit gegenüber dem Vorjahr erneut deutlich an – um rund 6% auf insgesamt 743 Deals. Der Gesamtwert dieser Investitionen ging im Pandemiejahr allerdings um 15% auf rund 5,3 Mrd. EUR zurück. Und Berlin? 314 der 743 Deals wurden hier eingefädelt – und damit fast genauso viele wie in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Baden-Württemberg zusammen. Mit rund 3,1 Mrd. EUR gingen knapp 60% des in Start-ups investierte Geld nach Berlin.

Bester Start-up-Standort in Europa

Auch deshalb ist Berlin der beste Start-up-Standort in Europa. Und das ist nicht einfach eine Behauptung der Vermarkter – das sagen rund 1.300 Gründer, die in ganz Europa für die Startup Heatmap 2021 befragt wurden. Berlin löst damit London als Spitzenreiter ab und belegt in der jährlichen Meinungsumfrage erstmals den ersten Platz. Zu den befragten Kategorien gehörten die Ökosystemdynamik, die Vernetzung der Branche, die Verfügbarkeit von Entwicklern sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis vor Ort und eine einfache Geschäftsabwicklung. Natürlich ist die Freude über diesen ersten Platz in der Heatmap-Umfrage groß. Berlin baut damit seine Position als das Epizentrum der europäischen Start-up-Szene weiter aus und hat in dieser Momentaufnahme gegenüber seinen Freunden in London erstmals die Nase vorn. Klar ist aber auch, dass der Erfolg der führen­den Start-up-Communitys in London und Berlin auf einer engen Zusam­menarbeit beruht, welche auf Kreativität, Innovation und Vielfalt aufbaut. Der sportliche Wettkampf um den ersten Platz in der Profiliga gehört aber auch dazu.

Bunter, schlauer, erfolgreicher

Das Ergebnis zeigt, dass Berlin innerhalb Europas ein ganz beson­derer Ort ist und großartige Möglichkeiten für Unternehmer und neue Unternehmen bietet. Was die Stadt für Gründer sicher­lich attraktiv macht, sind die Vielfalt der Menschen und die Tatsache, dass Englisch zur zweiten Sprache geworden ist. Wenn man ein Restaurant betritt, ist es wahrscheinlich, dass der Kellner nicht einmal Deutsch spricht, was die Stadt für internationale Talente attraktiv macht. Berlin ist laut und bunt, was die Kreativität sehr fördert und jungen Gründern die Freiheit verleiht, etwas zu riskieren und ihr Unternehmen aufzubauen. Auf diesem Weg bietet Berlin Start-ups verschiedene Förderprogramme, Gründer­treffs und exzellente Forschungseinrichtungen, mit denen sie sich austauschen und zusammenarbeiten können. Die Stadt ist die Heimat zahlreicher Corporate Innovation Hubs, Acceleratoren und Venture Capitalisten, die immer auf der Suche nach dem nächsten Einhorn sind. Unternehmen wissen heute, dass sie mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenarbeiten müssen, um gute Produkte herzustellen. Keine Stadt in Deutschland steht so sehr für Vielfalt wie Berlin. Zwei Drittel der nach Berlin ziehenden Menschen sind überdurchschnittlich qualifiziert und sprechen zwei, drei oder mehr Sprachen. Etwa die Hälfte von ihnen ist zwischen 18 und 30 Jahre alt. Das heißt: Berlin wird immer bunter, immer schlauer, immer erfolgreicher. Und davon profitieren alle – vor allem aber die Unternehmen.

Digitalwirtschaft boomt

Dabei zeigt sich vor allem, dass Berlin der Standort für die Übermorgenideen ist: Alle 15 Stunden entsteht ein neues Digitalunter­nehmen. Die Investitionsbank Berlin (IBB) hat errechnet, dass rund 60.000 Arbeitsplätze zwischen den Jahren 2008 und 2018 in der Berliner Digitalwirtschaft entstanden sind. Damit ist die Digitalwirtschaft fast viermal so stark gewachsen wie die übrige Wirtschaft (9,3% zu 2,7%). Jeder siebte neue Job in Berlin entsteht in der Digitalwirtschaft. Berlin ist gerade bei Technologien, die für Industrie und Digitalwirtschaft gleichermaßen wichtig sind, hervorragend aufgestellt. Künstliche Intelligenz (KI), 3D-Druck oder das Internet der Dinge (IoT) sind Schlüsselthemen für die Industrie der Zukunft – hier sind Berliner Unternehmen führend. Auch große Unternehmen haben diesen Vorteil für sich entdeckt: Etwa 100 Digital Units sind mittlerweile in Berlin aktiv. Rund ein Drittel der Berliner Digital Units und Innovation Hubs ist der IBB-Studie zufolge von Industrieunternehmen initiiert.

Stetes Wachstum

Die Berliner Spezialisierung zeichnet sich dadurch aus, dass Deutschland nicht zentral aufgestellt ist – wie in Frankreich oder Großbritannien –, sondern unterschiedliche Städte mit unter­schiedlichen Profilen hat. Unbestrittenermaßen wäre manches Unternehmen, das sich woanders angesiedelt hat, auch in Berlin willkommen gewesen. Aber die Hauptstadt muss sich nicht verstecken: Die Berliner Wirtschaft ist in den vergangenen sechs Jahren über dem Bundesdurchschnitt gewachsen, mit großen und mit kleinen Namen. Die Entscheidung von Merce­des-Benz und Siemens, in Berlin gemeinsam die Digita­lisierung der Technologie, die nachhaltige Produktion und die Zukunft der Arbeit zu planen, ist die jüngste Entscheidung, die das Berliner Zukunftsprofil schärft. Diese Nachricht war gut für Berlin, sie ist wichtig für die Unternehmen und wird weltweite Wirkung zeigen. Die Partnerschaft ist ein echter Zukunftspakt und unterstreicht die Bedeutung des Industriestandorts, der kein Ort der rauchenden Schlote, sondern der rauchenden Köpfe ist. Keine Stadt passt zu diesem Vorhaben so gut, keine Stadt ist ­dafür so geeignet, keine Stadt hat diese Themen derart verinnerlicht: Berlin ist endgültig Zukunftshauptstadt der Ideenrepublik Deutschland.

Fazit

„Alle sagen, ich feiere ein Comeback, aber niemand sagt, wo ich gewesen sein soll“, soll Billie Holiday einst gesagt haben. Berlin war auch immer da und ist doch die Comeback-City. Sie wird es auch in diesem Jahr wieder sein, weil es darum geht, mit den anstehenden Herausforderungen und Chancen nicht nur ­irgendwie zurechtzukommen, sondern das Beste aus ihnen zu machen. Berlin hat immer wieder bewiesen, dass es dazu in der Lage ist.

Dr. Stefan Franzke

Dr. Stefan Franzke

ist Geschäftsführer der Berliner Wirtschaftsförderung Berlin Partner. Seit 2014 vermarktet der promovierte Maschinenbauingenieur die deutsche Hauptstadt im In- und Ausland. Mit der Start Alliance hat er ein internationales Städtepartnerschaftnetzwerk für Start-ups geschaffen.