Dunkle Wolken am Zinshimmel

Steigende Zinsen beeinflussen Investments

Frank Hüther, Abacus alpha GmbH, Thomas Weinmann, Astorius (v.l.n.r.)
Frank Hüther, Abacus alpha GmbH, Thomas Weinmann, Astorius (v.l.n.r.)

Bildnachweis: © Abacus alpha GmbH, Astorius.

Virus, Pandemie, Omikron: Die Nachrichten werden dominiert von neuen Wasserstandsmeldungen über die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen. Dabei gerät ein Thema in den Hintergrund, das die Finanzwelt in den kommenden Jahren viel stärker prägen könnte – das weltweite steigende Zinsniveau.

Das Volumen der Transaktionen im Private Equity- und Venture Capital-Bereich steigt seit Jahren. Nachdem sich die Weltwirtschaft von der Finanzkrise 2008/2009 erholt hatte, hat sich allein in Deutschland das Volumen bei den Fir­men­investments laut Statistik des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften von 2013 bis 2019 auf einen Wert von 16,6 Mrd. EUR verdreifacht. Ein wesentlicher Grund für diese weltweit zu beobachtende Rally: das geringe Zins­niveau – teilweise lag es sogar im negativen Bereich. Aber die Zeit der Nullzinsen scheint vorbei zu sein. Die ­amerikanische Notenbank (Fed) hat durchblicken lassen, dass es in diesem Jahr gleich mehrere Zinserhöhungen geben soll, und auch die EZB deutete zuletzt eine Änderung ihrer Zinspolitik an.

Zinsen werden weltweit steigen

Und da die USA ein Trendsetter und Taktgeber für das weltweite wirtschaftliche Geschehen sind, dürfte es auch in Europa bald mit den Zinsen aufwärts gehen. Das ist auch die Prognose von Frank Hüther, Geschäftsführer des Mittelstandsinvestors Abacus alpha: „Für die USA wird erwartet, dass es sogar bis zu drei Zinserhöhungen in diesem Jahr geben könnte. Vermutlich sind angesichts der anhaltenden Inflation alle Zentralbanken über kurz oder lang gefordert, entsprechend zu reagieren. In Europa rechne ich allerdings nicht mit Zinserhöhungen vor dem Jahr 2023, dies in Abhängigkeit von der Inflationsentwicklung.“ Thomas Weinmann, Gründer und Managing Partner von Astorius, pflichtet ihm bei, wenn er aufgrund der Aussagen der EZB für dieses Jahr nur geringfügige Zinssteigerungen erwar­tet. In der mittleren Frist müsse man sich aber auch in Europa auf höhere Zinsen einstellen.

Small Cap-Segment weniger betroffen

Was bedeutet das nun für Investments und ­Firmenübernahmen? Sind die „goldenen Ze­iten“ für Start-ups und Investmentmanager vorbei? Hier gibt es nach Ansicht der beiden Experten keine einfache Antwort. „Ich sehe bei kleineren Deals zumindest in der mittleren Frist geringere Auswirkungen, weil diese Transaktionen weniger von der Situation an Kapitalmärkten abhängig sind“, sagt Weinmann. Trotzdem sei aber damit zu rechnen, dass sich die Kaufpreismultiplikatoren auch dort wieder normalisieren werden. In jedem Fall ist die Zeit des unbekümmerten Anlegens vorbei, und spä­testens jetzt sollten Investoren die Invest­mentopportunitäten intensiv prüfen. Das ist auch die Meinung von Abacus-CEO Hüther, denn als Mittelstandsinvestor sieht er „eher keine signifikanten Auswirkungen auf das Transaktionsgeschehen im Small Cap-Segment in Deutschland“. Letztendlich stehen bei diesen klei­neren Unternehmenskäufen nicht die Finan­zierung, sondern Umsatz­steigerungen und operative Verbesserungsmaßnahmen im Vordergrund.

Manche haben es plötzlich eilig

Bei größeren Deals mit einem entsprechend höheren Anteil an Fremdkapital sei aber – so Weinmann – eher mit Auswir­kungen auf die Konditionen der Abschlüsse zu rechnen. Bereits abgeschlossene Transaktionen seien durch die ­Zinssteigerungen regel­mäßig nicht sofort betroffen, da hier meistens mögliche Zinsbewegungen für drei bis fünf Jahre bereits abgesichert sind. Interessanter dürfte die Situation bei laufenden Gesprächen sein. Andere Marktbeobachter berichten, dass es der eine oder andere Akteur plötzlich eilig hat, seine Finanzierung unter Dach und Fach zu bringen. Das liege auch daran, dass die drohende Zinsanhebung bei Banken für Zurückhaltung sorgt. Letztendlich zeigt sich die ganze Wahrheit beim Weiterverkauf der Unternehmen nach ein paar ­Jahren. Können die Investoren zumindest den gleichen Bewertungs­multiplikator wie beim Einstieg erzielen? Hieran zweifelt Weinmann bei großen Transaktionen, wenn er an seine eigene Zeit im Large Cap vor über zehn Jahren zurückdenkt. Damals lagen Bewertungen von großen Unternehmen eher beim Acht- bis Zwölffachen des EBITDA und nicht beim aktuell üblichen Zwölf- bis Zwanzigfachen. Deshalb meidet er bereits seit einiger Zeit dieses Marktsegment.

Gründer müssen sich „warm anziehen“

Im Venture Capital-Segment drohen Gründern spätestens ab der Series B-Runde unangenehmere Gespräche mit Investo­ren. Bewer­tungen werden nach Ansicht von Weinmann anders ausfallen, und das wirkt sich entweder auf den Kaufpreis oder den geforderten Anteil aus. Dadurch muss seines Erachtens die Qua­lität bei den angebotenen Investments steigen: „Wirklich gute Unter­nehmen mit einem stabilen oder innovativen Geschäftsmodell bekommen immer Geld.“ Das heißt: Die hundertste vegane Dinkelpizza-Firma wird vermutlich keinen Investor mehr finden.

Kommt die gute alte Staatsanleihe zurück?

Steigende Zinsen haben im Zweifel zur Folge, dass sich das ­viele Kapital im Markt andere Wege sucht. Staatsanleihen gewinnen wieder an Attraktivität und werden ins Portfolio aufgenommen. Diese Umschichtung führt dazu, dass Anleger von Investments in Start-ups, Firmenübernahmen oder Immobilien höhere Renditen erwarten. Hüther meint dazu: „Bezogen auf den M&A-­Bereich ist nach wie vor sehr viel Geld im Markt, die Anlage­klasse Private Equity hat enorm an Attraktivität gewonnen. Vor allem deutliche Zinserhöhungen würden dann aber möglicherweise doch Reallokationen in Richtung anderer Anlageklassen nach sich ziehen, was zu einer sinkenden Nachfrage und in der Folge zu sinkenden Multiples führen könnte.“