„Hierzulande herrscht ein Unterangebot an Wagniskapital für Techgründungen“

Interview mit Sebastian Böhmer, First Momentum Ventures

Sebastian Böhmer, Momentum Ventures
Sebastian Böhmer, First Momentum Ventures

Bildnachweis: © First Momentum Ventures.

Sebastian Böhmer hat während seines Studiums am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die Venture Capital-Gesellschaft First Momentum Ventures gegründet. Erfahrung im Ökosystem hatte er bereits, denn er war auch Mitgründer des ersten studentischen Inkubators in Deutschland namens Pioniergarage, der zum Nährboden für mehr als 30 Start-ups wurde, die mehr als 250 Mio. EUR Kapital anzogen.

VC Magazin: Sie haben persönlich einen technischen Hintergrund und investieren mit First Momentum Ventures in Tech-Start-ups. Wie sehen Ihr Investitionsfokus und Ihr aktuelles Portfolio konkret aus?
Böhmer: Unser Team bei First Momentum arbeitet getreu dem Motto „engineers at heart, investors by choice“. Dies über­setzen wir unmittelbar in unsere Investmentstrategie. Wir konzentrieren uns als „First Money in-Investor“ auf technologie­getriebene B2B-Start-ups. Dabei investieren wir insbesondere in Deeptech, Software as a Service sowie „vertikale Marktplätze“ zum Beispiel für die Kunststoff- und Lebensmittelindustrie. Wir setzen dabei bewusst auch auf angewandte Wissenschaft, für die sonst nur begrenzt Wagniskapital zur Verfügung steht. Mit unserem ersten Fonds haben wir bisher erfolgreich in 25 der­artiger Start-ups investiert. Als Beispiel würde ich Daedalus nennen, die unseren Investmentfokus durch die Entwicklung von autonomer Robotik für die Fertigung der Zukunft hervorragend widerspiegelt.

VC Magazin: Nach einem erfolgreichen Fonds in Höhe von 5 Mio. EUR sind Sie aktuell im Fundraising für den Nachfolgefonds mit einem geplanten Volumen von 35 Mio. EUR. Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem zweiten Fonds?
Böhmer: In den letzten zwei Jahren hat unser erster Fonds durch den bisherigen Erfolg als erfolgreichster Pre-Seed-Fonds Deutsch­lands unsere Investmenthypothese bestätigt. Obwohl wir extrem früh investieren, konnten über 75% der Start-ups Kapital von Folgeinvestoren in anschließenden Finanzierungen einsammeln. Daher verfolgen wir ähnliche, jedoch ungleich größere Ziele für unseren zweiten Fonds: First Momentum wird die Anlaufstelle für ambitionierte Technologiegründungen im gesamten deutschsprachigen Raum sein. Durch den größeren Fonds werden wir von nun an auch als Lead-Investor in Pre-Seed-Finanzierungen auftreten. Dabei werden wir unsere Portfoliounternehmen weiterhin mit unserem starken Netzwerk in ihrer Frühphase unterstützen und mehr denn je auf dem Weg bis zum Exit begleiten.

VC Magazin: Welche Erfahrungen machen Sie beim Fundraising in der Pandemiezeit?
Böhmer: Aus interner Sicht spüren wir von der Pandemie nur ­wenig, da First Momentum von Grund auf als remote agieren­des Unternehmen aufgebaut ist und unser Team auch digital wirklich starke Arbeit leistet. Dennoch sind natürlich der persön­liche Kontakt zu unseren Fondsinvestoren und das persönliche Kennenlernen bei Veranstaltungen und im Alltag ­wichtig. Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass viele unserer Partner die Erleichterungen der digitalen Kommunikation wertschätzen und sich manche Reise reduzieren lässt. Insgesamt beur­teilen wir die Auswirkungen der Pandemie in vielerlei Hinsicht als Katalysator für Start-ups, Wagniskapital und auch in Bezug auf das Fundraising eines Venture Capital-Fonds.

VC Magazin: Wie bewerten Sie den aktuellen Venture Capital-Markt mit Blick auf Rekordwerte beim Fundraising und den Investments in deutsche Start-ups?Böhmer: Meiner Meinung nach zeigt diese Entwicklung, dass Inves­toren wieder an das Innovationspotenzial im deutsch­sprachigen Raum glauben und zunehmend ausreichende Mittel dafür zur Verfügung stellen wollen, um dieses auszureizen. Schaut man sich die Entwicklung jedoch genauer an, zeigt sich leider auch, dass nach wie vor ein Unterangebot an Wagnis­kapital bei Technologiegründungen vorliegt. Obwohl Deutschland weit vorne bei Forschungsausgaben und wissenschaftlichen Ergebnissen steht, gelingt der Weg in die Unternehmensgründung noch viel zu selten. Hier mangelt es weiterhin in der Frühphase und bei den Wachstumsfinanzierungen an spezialisierten Wagniskapitalgebern. Die Finanzierungsrunden von Gorillas oder Auto1 sind Beispiele für typische Investments, welche die Entwicklung im Jahr 2022 begünstigt haben, und zeigen, dass ein Großteil der Investments in reine Business Model Innovations geflossen sind. Diese haben aber nur bedingten disruptiven Einfluss auf unseren technologischen Fortschritt. Deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, ebendiese technologischen Inno­vationen zu finanzieren.

VC Magazin: Welche Entwicklungen sehen Sie für die Start-up-Landschaft in den kommenden Jahren?
Böhmer: Ich bin mir sicher, dass durch aktuelle Megatrends in den Bereichen E-Mobility, Cleantech, Metaverse und Crypto eine spannende Zeit auf uns wartet und, dass sich Deutschland als Innovationscluster Europas weiter behaupten wird. Der Zukunftsfonds der Bundesregierung wird, sofern sinnvoll verwaltet, die aktuelle Dynamik verstärken. Zudem zeigen Vorzeigeprojekte wie BioNTech oder Celonis, dass Start-ups mit wissenschaftlichem Vorsprung enorme Disruption in der deutschen Industrie bewirken können. Daher gehe ich davon aus, dass auch die Investitionsbereitschaft der etablierten Wirtschaft, von Fa­mi­lien­unternehmen und traditionell konservativeren ­Investoren im Wagnis­kapitalbereich deutlich zunehmen wird.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Sebastian Böhmer ist Founding Partner bei First Momentum Ventures. Er ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur sowie Mathematiker und für die Investitionen der Gesellschaft in den Bereichen Robotik, Energie und Fintech verantwortlich.