“Rational ist allen Unternehmen klar, wie wichtig Diversität ist”

Initiative “SheTransformsIT” für mehr Frauen in der Digitalisierung

Sabine Bendiek, Susanne Dehmel, Dr. Anna Christmann (v. l. n. r.)

Bildnachweis: © Bitkom e. V. / Deutscher Bundestag, Inga Haar.

Derzeit sind 1,25 Mio. Menschen in der IT-Branche tätig, der aktuellen Prognose von Bitkom zufolge soll diese Zahl im kommenden Jahr um 3 % steigen. Anlässlich des Weltfrauentages am 08. März, der in Berlin als Feiertag gehandhabt wird, hat der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom eine Studie veröffentlicht, die zeigt: Die digitale Wirtschaft von Deutschland wächst weiter, aber Frauen sind noch immer unterrepräsentiert.

Unternehmensgröße: Indikator für Frauenanteil

Die Studie umfasst Antworten von 501 befragten Personalern und Geschäftsführern aus der ITK-Branche. Die Zahlen zeigen: In 11 % der Unternehmen der gesamten ITK-Branche ist keine Frau in der Belegschaft vertreten. Folgender Trend ist zu verzeichnen: Je größer das Unternehmen, desto mehr Frauen sind angestellt. Während bei 14 % der Unternehmen mit unter 50 Beschäftigten keine Frau angestellt ist, sind sie es bei allen Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten mindestens 1 %. In Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden liegt der Anteil von Frauen bei 26 – 50 %. “Die Zahlen sind alarmierend. Wir brauchen Frauen in der IT. Rational ist das allen Unternehmen klar, wie wichtig Diversität ist, wie wichtig unterschiedliches Herangehen, unterschiedliche Denkweisen sind, um Innovation voranzutreiben, um bessere Kundenlösungen zu erstellen. Wenn man nicht aussieht und nicht denkt, wie seine Kunden, ist es wahnsinnig schwer, das Richtige für die Kunden zu entwickeln. Und 50 % der Weltbevölkerung sind eben Frauen”, so Sabine Bendiek, Bitkom-Vizepräsidentin.

Zielsetzung der Unternehmen

Dass es Veränderung braucht, dabei scheinen sich viele Unternehmen einig zu sein. 49 % der Unternehmen haben zwar keine Frau im Top-Management, aber 40 % gaben an, konkrete, interne Ziele zu verfolgen, um den Frauenanteil im mittleren und im besagten Top-Management zu erhöhen. 24 % der Unternehmen haben solche Ziele schon festgelegt, während 14 % diese bereits konkret geplant haben und 29 % Ziele diskutieren. Auf der anderen Seite sind für 29 % der Unternehmen diese Art von Zielen aktuell kein Thema. Die Begründungen: Zu wenig Bewerberinnen und zu viele Frauen, die die angebotenen Stellen ablehnen.

Interne Faktoren liegen in der Hand der Unternehmen

Stellt man sich nun die Frage, wie dagegen vorgegangen werden kann, ist festzustellen, dass es einige, interne Faktoren gibt, die die Unternehmen selbst in der Hand haben. 66 % der Unternehmen haben traditionelle Rollenbilder innerhalb des Unternehmens als Ursache für den geringen Frauenanteil genannt. 62 % denken, dass Führungspositionen in der ITK-Branche für Frauen nicht attraktiv seien. Den Wiedereinstieg, zum Beispiel nach einer Schwangerschaft oder der Elternzeit, beschreiben 51 % der Unternehmen als Hürde. Ebenfalls eine Hürde ist laut 41 % die Präsenzkultur. An der Stelle kann aber auch die Politik einen Beitrag leisten, nämlich gaben 78 % der Unternehmen an, dass die mangelnde Betreuungsinfrastruktur für Kinder einer der Gründe ist.
Doch auch Frauen selbst können etwas tun. 54 % nannten als Grund für zu wenig Frauen die zu geringe Anzahl qualifizierter Bewerberinnen, 47 % nannten eine schlechtere Selbstvermarktung von Frauen und 38 % bemängelten fehlende Frauen-Netzwerke.
Um gegen letzteres anzukommen, wurde im Jahr 2020 zum Digital-Gipfel der Bundesregierung eine Initiative gestartet, nämlich #SheTransformsIT, das Netzwerk für mehr Frauen in der Digitalisierung. Die Initiative wurde von der Bundestagsabgeordneten Dr. Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) zusammen mit Iris Plöger initiiert und soll mit weiteren, weiblichen Bundestagsabgeordneten, auch fraktionsübergreifend, und insgesamt 50 Digital-Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik voran getrieben werden. “Es geht nicht um Nachhilfe oder darum, dass man Frauen fördern müsste, damit sie es überhaupt schaffen, in der Technologie erfolgreich zu sein, sondern es geht darum, Strukturen aufzubrechen, die es Frauen schwieriger machen, da überhaupt reinzugehen”, erklärt Christmann. Ziel sei, dass die Frauen-Komponente stets mitbedacht wird und Frauen mitentscheiden sollen, wohin beispielsweise Risikokapital investiert wird. Empfänger hingegen sollen darauf achten, dass im Gründerteam Frauen vertreten sind.

Jedes fünfte Unternehmen: Gleichstellung ist Angelegenheit von Führungspositionen

Doch während den Unternehmen bewusst ist, dass sie selbst für einiges verantwortlich sind, scheint die Umsetzung vielen noch schwer zu fallen. Aus den Studienergebnissen herauszulesen ist, dass in jedem zweiten Unternehmen aus der gesamten ITK-Branche niemand für die Gleichstellung zuständig oder verantwortlich ist. In 24 % der Unternehmen ist der Personalbereich verantwortlich, in 22 % ist es die Geschäftsführung. Erkennbar ist hier: Vor allem kleineren Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitenden fehlt eine für Gleichstellung zuständige Person. Bei Unternehmen mit mehr als 200 Angestellten ist die Zuständigkeit geregelt. “Zentral für Veränderung ist natürlich auch, dass jemand dafür zuständig ist. Nur wenn jemand im Unternehmen die Gleichstellung von Mann und Frau aktiv vorantreibt oder als Vorbild agiert, die entsprechende Freiheit und das entsprechende Budget hat, dann klappt es auch mit der tatsächlichen Veränderung”, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsführung.

Maßnahmen der Förderung

Die Studie zeigt auch, welche Maßnahmen ergriffen werden oder ergriffen werden sollen, um Frauenkarrieren zu fördern. Derzeit im Einsatz sind bei 40 % der Unternehmen Weiterbildungsprogramme, weitere 15 % planen solche ebenfalls. 34 % setzen aktuell auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen, 11 % möchten diese Maßnahme auch umsetzen. Gezielte Kooperationen mit Hochschulen sind bei 24 % im Einsatz, 14 % wollen sich dafür noch einsetzen. Weitere Maßnahmen werden ergriffen oder sind in Planung, wobei Susanne Dehmel auch auf folgendes hinweist: “Man muss beachten, dass es für viele Unternehmen, gerade für kleinere, anspruchsvoll ist, das einzuplanen und die entsprechenden Ressourcen aufzubringen.” Sabine Bendiek ergänzt: “Es geht nicht um eine Benachteiligung der Männer und eine Bevorteilung der Frauen. Es geht darum, dass wir im Dialog eine Kultur schaffen, die es allen ermöglicht, erfolgreich zu sein und es geht um die bewusste Entscheidung von Unternehmen gleichstellende Personalpolitik zu betreiben und diese mit konkreten Maßnahmen zu unterstützen.”

Stärke von gemischten Teams

Veränderung und die Bemühung darum ist in Sicht. Die meisten Unternehmen haben nämlich die Stärke gemischter Teams erkannt. 93 % bestätigen, dass gemischte Teams zu einem besseren Arbeitsklima beitragen. 85 % sehen, dass Frauen nicht nur neue Ideen, sondern vor allem neue Sichtweisen in ein Unternehmen mitbringen. 83 % der Unternehmen erkennen die Notwendigkeit von Frauen in der IT, um den Fachkräftemangel auszugleichen und 73 % der Befragten gaben an, dass gemischte Teams produktiver arbeiten als gleichgeschlechtliche.
UnternehmerInnen sollten diese Erkenntnisse zum Anlass nehmen, eine Umstrukturierung zu initiieren. Wie wichtig eine tatsächliche Veränderung und ein Umdenken ist, fasst Bendiek wie folgt zusammen: “Technologie treibt Innovation in allen Bereichen der Wirtschaft – in Gesundheit, in Bildung, bei der Bekämpfung des Klimawandels, beim Voranbringen der Nachhaltigkeit, in allen industriellen Bereichen. Umso wichtiger, dass wir eine Veränderung bewusst vorantreiben. Es ist wichtig, dass diese Beteiligung und Gleichstellung von Geschlechtern ein ganz zentraler Unternehmensgrundsatz sein muss, mit strategischer Priorität.”