Das Potenzial der Megatrends für die Wachstumsstrategie nutzen

Zukunftsfähige Unternehmen

Dr. Stephan Zoll, Signa Sports United N.V.
Dr. Stephan Zoll, Signa Sports United N.V.

Bildnachweis: © Signa Sports United N. V..

Megatrends führen fast immer zu gesellschaftlichen Umwälzungen und fordern zahlreiche Wirtschaftsbereiche auf, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, Produkte, Dienstleistungen, Strukturen und Unternehmenskultur neu zu denken sowie die Unternehmensstrategie entsprechend auszurichten.

Die Dynamik, die von Megatrends ausgelöst wird und zu wirtschaftlichem Wandel führt, kann rasant sein – und ihr zu begegnen, indem der Wandel bestenfalls frühzeitig antizipiert wird, womöglich entscheidend für die Wachstumsstrategie und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Denn eines ist klar: Langfristiges Wachstum ohne Einbezug der Megatrends gestaltet sich schwierig.

Veränderungen im Blick behalten

Die aktuellen Megatrends werden zu Veränderungen in einem enormen Ausmaß führen, denkt man nur an Trends wie Digitalisierung, KI, Robotik, Energiewende, E-Mobilität, Demografie oder Gesundheit und Lifestyle – und dies unter Berücksichtigung der derzeitigen Klima-, Pandemie- und geopolitischen Krisen sowie deren noch unabsehbaren Folgen. Ein genaues Verständnis dieser Trends ist wichtig, um die Strategien des Unternehmens auszurichten und die Organisation frühzeitig auf neue Realitäten einzustellen. Dabei ist es erforderlich, diese Trends auch aus der Perspektive der Zukunft zurück in die Gegenwart konkret zu durchdenken – sich also basierend auf den Prognosen in die Zukunft zu versetzen und zu überlegen, was sie für unser heutiges Handeln und unsere Entscheidungsprozesse bedeuten.

Themenkosmos schaffen

Im Markt „Sporthandel“ zum Beispiel ist die Verschiebung vom stationären Handel hin zum E-Commerce allgegenwärtig, wurde durch die Pandemie verstärkt, wird sich weiter von Anbieterseite her professionalisieren und ist längst im Kaufverhalten bei Kunden und in der Gesellschaft allgemein verankert. Daneben lässt sich zudem ein enormes Wachstum der Plattformökonomie erkennen. Entscheidend ist nun, diese beiden Entwicklungen im Geschäftsmodell zu verbinden. Zielsetzung ist, das Potenzial der Plattformökonomie mit der Markenstärke einzelner kategorienbezogener Hersteller und Händler (stationäre sowie Webshops) zu verknüpfen und mit weiteren Angeboten (etwa Content, Veranstaltungen) sowie Ökosystempartnern (zum Beispiel Verbände, Clubs, Werbepartner) anzureichern. So wird ein „Specialist Marketplace“ auf technologischer Plattform nicht ausschließlich für Produkte und Dienstleistungen, sondern für einen kompletten kategoriespezifischen „Themenkosmos“ geschaffen, der für Konsumenten vielerlei Vorteile gegenüber breit gefächerten Online-Versandhändlern bietet.

Megatrends nicht aus der internen Strategie heraus denken

Die Frage nach weiteren Megatrends, die für diesen Kosmos relevant sind, führt raus aus dem unmittelbaren Sporthandelumfeld und hin zum Thema Mobilität. Reichlich wird über E-Mobilität diskutiert, vor allem bezogen auf die Verschiebung vom Verbrenner hin zum E-Auto; doch ist das wirklich der Trend, der sich aus der derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung ablesen lässt? Oder geht es nicht vielmehr darum, vom Auto hin zu alternativen Mobilitätslösungen zu gelangen, etwa zum E-Bike? So wird nach aktuellen Deloitte-Prognosen allein die Anzahl der verkauften E-Bikes in den nächsten Jahren die der verkauften E-Autos um den Faktor 6,5 übertreffen. Das Kauf- und Konsumverhalten der heute und vor allem morgen mobilitätssuchenden Kundschaft wird sich – basierend auf den zukünftigen technologischen Innovationen – in diese Richtung verschieben. Neben den E-Bikes als Produkt werden die Kunden eine Vielzahl von neuen, integrierten Services erwarten – das zeigt die tiefgreifende Veränderung in der „Haltung“ der nachwachsenden Generation in Bezug auf ihr Mobilitätsverständnis. An diesem Beispiel wird deutlich, dass es nicht darum geht, die eigene Strategie nur von innen aus dem Unternehmen heraus zu konzipieren mit der Gefahr, an bisherigen Unternehmensgewissheiten festzuhalten, sondern die Megatrends in der externen Welt zu reflektieren und im besten Fall frühzeitig in die eigenen strategischen Überlegungen zu integrieren. Auch die Vorboten dieser Megatrends wirken bereits auf uns und auf das Kundenverhalten. So führen der demografische Wandel und das steigende Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft dazu, dass laut einer BCG-Studie in den nächsten Jahren circa eine Milliarde mehr Menschen sportlich aktiv werden und dafür neue Organisationsformen und „Communities“ aufbauen werden. Auch darauf sollte sich ein Sporthändler heute schon einstellen, um den Zugang zu den Kunden von morgen rechtzeitig zu gewinnen. 

Wachstum generieren

Zu guter Letzt kann – wenn das Geschäftsmodell wie beispielhaft oben ausgeführt auf einem kategoriespezifischen Themenkosmos und nicht einer reinen Produkt- und Dienstleistungsstrategie aufbaut – das Potenzial genutzt werden, das die Digitalisierung im weiteren Sinne bietet, vor allem Big Data und KI. Mit den Daten, die aufgrund der E-Commerce- und Digital-Plattform-Aktivitäten gewonnen werden, lassen sich wachstumsorientiert weitere Geschäftsbereiche entwickeln. So können beispielsweise datenbasierte Empfehlungen für die Entwicklung neuer Produkte der Markenpartner entwickelt oder maßgeschneiderte Dienstleistungen für die Kunden aufgrund ihres Sport- und Aktivitätsverhaltens – und nicht nur Kaufverhaltens – angeboten werden. Klienten der kategorien- und themenspezifischen Communities können so verstärkt von den Vorzügen eines technisch integrierten und datenbasierten Ökosystems profitieren. 

Fazit

Megatrends und vor allem ihre Vorboten sind entscheidende Signale, die es vorurteilsfrei wahrzunehmen und für die eigene Wachstumsstrategie frühzeitig zu verstehen gilt – und zwar nicht nur diejenigen im unternehmensnahen, sondern auch jene im unternehmensfremden Terrain. Sie gedanklich zu verquicken und die Schnittmenge in die Strategie zu integrieren ermöglicht Wachstum und schafft Wert.

Über den Autor:
Dr. Stephan Zoll ist nach Stationen erst in der Strategieberatung, dann als eBay Deutschland-Chef sowie anschließend President Online der Sears Holdings, USA, heute CEO der Signa Sports United N.V., einer Sport-E-Commerce- und Technologieplattform mit Hauptsitz in Berlin, die über 100 Webshops betreibt und an der NYSE gelistet ist.