Lässt der Aufwind für Business Angels nach?

Standpunkt: Business Angels in Deutschland

Dr. Roland Kirchhof, Business Angels Netzwerk Deutschland e.V.
Dr. Roland Kirchhof, Business Angels Netzwerk Deutschland e.V.

Bildnachweis: © Business Angels Netzwerk Deutschland e.V..

Die letzten Jahre waren positiv für Business Angels. Das zeigen die Zahlen: Nach einer Studie des ZEW, die sich auf 2019 und früher bezieht, kann man von rund 10.000 Angel-Investoren in Deutschland ausgehen, die pro Jahr 2.465 Mrd. EUR investieren – weit mehr, als das institutionelle Venture Capital in der Seed- und Start-up-Phase finanziert. Die Vorläuferstudie von 2013 sah die Zahl der Business Angels noch bei etwa 7.500 Angels, die insgesamt 663 Mio. EUR anlegten. Auch die Pandemie hat, anders als erwartet, allenfalls einen kurzen Einbruch gebracht, wie sowohl Befragungen der Forschungsabteilung des European Investment Fund als auch eigene Erhebungen des Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) belegen. 

Beflügelt wurde diese Entwicklung durch die Rahmenbedingungen. Der Invest-Zuschuss für Wagniskapital wurde in seiner Ausgestaltung stetig verbessert, und eine Reihe der Förderinstitute der Länder hatte Programme, die Co-Investments von Business Angels vorsahen oder zumindest ermöglichten. Die Business Angels selbst haben sich professionalisiert, unterstützt zum Beispiel durch die Gessi-Standardverträge. Zunehmend ist erkennbar, dass unternehmerisch agierende Frauen Kapital für Start-ups bereithalten. 

Nachteile für Business Angels unter neuer Regierung

War es ein Omen, dass in der Koalitionsvereinbarung der jetzigen Bundesregierung der Begriff „Business Angel“ – anders als in früheren Regierungspapieren – nicht zu finden ist? Jedenfalls sind nachteilige Veränderungen für den Business Angels-Markt unverkennbar. Am 1. März 2022 wurde die Mindestinvestitionssumme für den Invest-Erwerbszuschuss von 10.000 auf 20.000 EUR angehoben, der Zuschuss beim Wandeldarlehen von 20% auf 10% reduziert und für Anschlussinvestitionen ganz gestrichen. Die Begründung war, dass das Budget für die laufende Förderperiode bis Ende 2022 sonst vorzeitig erschöpft sei. Von maßgeblichen Stellen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima wurde gegenüber dem BAND inzwischen mehrfach versichert, dass die feste Absicht besteht, das Invest-Programm auch ab 2023 fortzuführen. Offen ist aber, unter Hinweis auf die knappen Kassen, zu welchen Konditionen dies sein wird.

Regulatorische Eingriffe schrecken ab

Zunehmend abschreckend für Business Angels sind regulative Eingriffe, die für sich gesehen sinnvoll und zeitgemäß sind, aber wegen der damit verbundenen Bürokratie den Spaß zu verderben drohen. Neue ESG-Leitlinien, die Greenwashing zu vermeiden helfen sollen, oder geldwäscherechtliche Bestimmungen betreffen mit ihren Dokumentations- und Nachweisregeln den klassischen Business Angel zwar zunächst nur am Rande, lassen ihn davon aber nicht unberührt. Das längst entrümpelungsbedürfte EU-Beihilferecht verhindert Invest-geförderte Investments von Business Angels gemeinsam mit öffentlichen Fonds, wenn nicht ein mitinvestierender Dritter als Dealmaker fungiert. Dabei ist der Start-up-Finanzierungsmarkt in der frühen Phase kein Markt wie jeder andere und, es besteht keine Verdrängung von Wettbewerbern durch die öffentliche Förderung.

Konkurrenzdruck nimmt zu

Auch die Marktentwicklung selbst bereitet den Angels Sorgen. Zunehmend drängen sich institutionelle Investoren in den Frühphasenmarkt. Das ist zunächst nicht Schlechtes, hat aber zu einem enormen Anstieg der Bewertungen geführt, weil bei diesen Investoren das Geld locker sitzt. Nicht immer können Angels da noch mithalten. Es bleibt abzuwarten, ob die bevorstehende Zinswende diesen Trend stoppen wird.

Fazit

Insgesamt ist festzustellen, dass die seit einiger Zeit wiederholt zu hörende Meinung, in der Frühphase sei genügend Geld vorhanden, sich negativ für Business Angels auswirkt. Der Politik könnte daher das Missverständnis unterlaufen, Business Angels-Themen seien zufriedenstellend gelöst. Wenn die Angels-Tätigkeit von der öffentlichen Hand zu wenig anerkannt und die Freude, Start-ups zu finanzieren und zu fördern, zunehmend vergällt wird, besteht die Gefahr, dass Business Angels sich zurückziehen und neue Angel-Investoren in geringerer Zahl nachwachsen. Dabei sind sie auch durch institutionelles Geld nicht zu ersetzen: Nur sie arbeiten eng hands-on mit den Gründern und nur sie verlieren ihr eigenes Geld, wenn das Start-up nicht reüssiert.  

Über den Autor:
Dr. Roland Kirchhof ist Co-Vorsitzender des Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. (BAND), dem Verband der Angel-Investoren und ihrer Zusammenschlüsse in Deutschland.