Ein Ja ist wichtig für Venture Capital – warum?

Verrechnungssteuerreform in der Schweiz

Bernd Pfister, SECA
Bernd Pfister, SECA

Bildnachweis: © SECA.

Am 25. September 2022 findet in der Schweiz wieder eine Referendumsabstimmung statt – dieses Mal zum Thema Verrechnungssteuer. Die zugrunde liegende Reform sieht im Wesentlichen vor, bei neuen inländischen Anleihen (ab 1. Januar 2023) Zinszahlungen von der Verrechnungssteuer zu befreien. 

Die Befreiung inländischer Bankzinsen von der Verrechnungssteuer ist ein überfälliger Schritt, um schweizerischen und ausländischen Gesellschaften die Ausgabe von Anleihen in der Schweiz zu kompetitiven Bedingungen zu ermöglichen. Aufgrund der international einmalig hohen Verrechnungssteuer (Quellensteuer) von 35% sahen in der Vergangenheit selbst international tätige schweizerische Konzerne in der Regel davon ab, Anleihen in der Schweiz auszugeben – Anleihen mit einer Quellensteuer von 35% sind international nämlich kaum marktfähig. Stattdessen emittierten Schweizer Unternehmen besagte Anleihen über ausländische Gruppengesellschaften im Ausland, was oft dazu führte, dass auch die Treasury-/Finanzgesellschaften mit den entsprechenden Mitarbeitenden im Ausland angesiedelt wurden.

Reform wichtig für Wagniskapitalinvestoren

Die jährlichen Mindereinnahmen aufgrund des Wegfalls der Verrechnungssteuer – basierend auf dem heutigen Zinsniveau – werden gemäß der Botschaft zur Vorlage auf rund 170 Mio. CHF geschätzt; 90% entfallen dabei auf den Bund, 10% auf die Kantone. Bereits innerhalb weniger Jahre dürfte gemäß Botschaft die Reform und die damit verbundenen zusätzlichen Aktivitäten in der Schweiz auf der Stufe Kanton und Gemeinden zu Mehreinnahmen führen, und auch beim Bund könnte die Reform nach fünf Jahren selbstfinanzierend sein.

Attraktivere Finanzierungen für Venture Capital-Anbieter und Start-ups

Durch die Erweiterung und Ansiedlung von wertschöpfungsintensiven neuen Treasury-Aktivitäten in der Schweiz bei inländischen Konzernen sowie bei Finanzinstituten erwarten wir eine generelle signifikante Erhöhung von Interesse und Aktivitäten von Investoren am schweizerischen Kapitalmarkt. In der Schweiz ansässige Treasury-/Finanzgesellschaften werden sich durch die Nähe zum Markt und zu den lokalen Akteuren stärker mit Investitionsgelegenheiten in der Schweiz auseinandersetzen und interessante lokale Opportunitäten identifizieren. Dies verspricht den Start-ups und auch den Venture Capital-Anbietern in der Schweiz besseren Zugang zu attraktiven Finanzierungen. Hinzu kommt, dass Start-ups bei der Mittelaufnahme über (Wandel-)Darlehen weniger Restriktionen hinsichtlich der Anzahl der Kapitalgeber hätten und die Finanzierung durch Nichtbanken (Alternative Lender) vereinfacht würde: Aufgrund der heute geltenden sogenannten 10/20er-Nichtbanken-Regeln werden Start-ups in Bezug auf Zinsen auf gewöhnlichen (Wandel-)Darlehen verrechnungssteuerpflichtig, wenn die Anzahl der Nichtbanken-Gläubiger die Schwelle von zehn, beziehungsweise in gewissen Konstellationen 20, überschreitet.

Gegenargumente irreführend

Angeführt wird, dass die Befreiung der Zinsen auf Anleihen von der Verrechnungssteuer Steuerhinterziehung von Ausländern begünstigen soll. Dies erschließt sich nicht, denn im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs wird die Vereinnahmung von Zinsen auf Anleihen über schweizerische und ausländische Banken lückenlos an die Domizilländer der Investoren gemeldet. Zwar besteht bei schweizerischen Investoren für die schweizerischen Banken keine solche Meldepflicht, womit in der Tat eine theoretische Möglichkeit existiert, dass schweizerische Investoren über schweizerische Banken in schweizerische Anleihen investieren und die Erträge daraus nicht ordentlich versteuern. Allerdings ist diese theoretische Möglichkeit bereits heute bei Investitionen in ausländische Anleihen gegeben; schweizerische Investoren können über ihre schweizerische Bank in ausländische Anleihen investieren, ohne dass eine Meldung oder eine Sicherungssteuer erfolgt. Es muss außerdem beachtet werden, dass die überwiegende Mehrheit von Investoren im Bereich Obligationen ohnehin institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen sind und damit dem Buchführungsprinzip unterstehen, was eine Nichtdeklaration verunmöglicht.

Fazit

Die Vorteile der Reform überwiegen den Wegfall des Sicherungszwecks bei Privatinvestoren bei Weitem, und es wäre bedauerlich, wenn die Gelegenheit verpasst würde, einen gravierenden Wettbewerbsnachteil des Werk- und Finanzplatzes Schweiz zu beseitigen.

Über den Autor:
Bernd Pfister
ist Präsident der SECA – Schweizerische Vereinigung für Unternehmensfinanzierung.