Das Ende von Easy Money

Kommentar von Dr. Matthias Birkholz, lindenpartners

Dr. Matthias Birkholz, lindenpartners
Dr. Matthias Birkholz, lindenpartners

Bildnachweis: (c) lindenpartners.

Einer der Kollateralschäden des russischen Angriffskriegs sind die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft in Europa. Allgemeine Verunsicherung angesichts einer ungewissen Sicherheitslage, Disruption der Lieferketten, Angst um die Versorgungssicherheit im Hinblick auf Energielieferungen, Inflation und entsprechende Zurückhaltung der Verbraucher sorgen für eine Art „perfect storm“ für die deutsche Wirtschaft.

Auch für Start-ups ändern sich die Rahmenbedingungen. Die Zeiten von Easy Money sind für Start-ups einstweilen vorbei. Vergangenheit sind die Tage, als weltweit Kapitalströme angesichts von Negativzinsen verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten suchten und auf diese Weise „Venture-Touristen“ es mit mehr oder weniger Stupid Money für Start-ups relativ leicht machten, an Geld zu gelangen, und diese für sie günstige Konditionen in Beteiligungsverträgen durchsetzen konnten.

Burn Rate reduzieren

Erste Konsequenz ist für viele Start-ups die Notwendigkeit einer Reduzierung ihrer Burn Rate. Kostensenkung und stärkerer Fokus auf einen effizienten Mitteleinsatz sind daher das Gebot der Stunde. Ziel ist es jetzt, mit dem eingesammelten Geld möglichst lange auszukommen, weil die nächste Finanzierungsrunde für viele plötzlich weit weniger sicher ist als noch Anfang dieses Jahres.

Operative Kontrolle

Und wenn Finanzierungsrunden zustande kommen, werden für Venture Capitalisten die Deal Terms jenseits des Finanziellen wichtiger. Es sind hier vor allem drei Aspekte wesentlich: Erstens gewinnt die operative Kontrolle über die Beteiligungsunternehmen an Bedeutung. Das beginnt zunächst einmal mit einer gestiegenen Relevanz von Informationsrechten. Hier war bereits seit einiger Zeit getrieben durch neue ESG-Awareness und entsprechende Regulierung eine gewisse Dynamik hin zu einer Ausweitung und Präzisierung von Informationspflichten der Unternehmen festzustellen. Jetzt kommt ein Fokus auf Frühwarnsignale hinzu. Vor allem aber werden Wagniskapitalinvestoren künftig darauf bestehen, die notwendigen Tools an die Hand zu bekommen, wenn sie feststellen, dass in einem Beteiligungsunternehmen in Hinblick auf Liquidität und Ertrag die Dinge nicht so laufen wie erwartet. Das macht aus deren Sicht nicht nur eine Ausweitung von Vetorechten bei operativen Entscheidungen erforderlich, sondern kann sogar dazu führen, dass verstärkt – zumindest soweit gesellschaftsrechtlich zulässig – die Übertragung von Entscheidungskompetenzen gefordert wird.

Down Rounds als realistisches Szenario

Zweitens sind Down Rounds sind in dem gegenwärtigen Marktumfeld keine bloß theoretische Möglichkeit mehr, sondern mehr als wahrscheinlich. Deswegen versuchen Unternehmen derzeit alles, um diese zu vermeiden. Eine Folge sind Incentives für Investoren, die mindestens die Terms der letzten Finanzierungsrunde matchen, und Disincentives für Bestandsinvestoren, die sich an neuen Runden nicht beteiligen. Auch entsprechende Schutzvorkehrungen in Beteiligungsverträgen für den Fall, dass es trotzdem zu einer Down Round kommt, werden daher wichtiger. Man wird vermuten können, dass selbst die faktisch in Beteiligungsverträgen kaum mehr verwandte investorenfreundliche Full Ratchet-Variante eine Renaissance erleben wird.

Vielfältige Exit-Szenarien

Drittens wird die Diskussion über Exit-Szenarien facettenreicher. Das beginnt bereits damit, dass der Weg zum Exit vielgestaltiger wird. Auf diese Weise geraten die bei einem Anteilsverkauf durch Mitgesellschafter bestehenden Rechte stärker in den Fokus. An- und Vorkaufsrechte, Drag- und Tag-along-Klauseln werden daher wichtiger. Vor allem aber werden Investoren in Zeiten knapperen Geldes anspruchsvoller werden im Hinblick auf die von ihnen im Rahmen von Liquidationspräferenzen verlangten Multiples. Vorbei sind die Zeiten, in denen es hierzu eine Art Marktstandard gab. Die einfache Liquidationspräferenz könnte möglicherweise der Vergangenheit angehören.

Zum Autor:

Dr. Matthias Birkholz ist Gründungspartner und Co-Managing Partner der Berliner Rechtsanwaltssozietät lindenpartners. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Gesellschaftsrecht/M&A und Litigation. Besonders am Herzen liegt ihm das Thema „Law Firm for Future“.