Aus Fehlern lernen – am besten aus denen anderer

Learnings aus Rückschlägen

Fabian Mimberg, Dr. Jens Wrede, Osborne Clarke & Christian Plail, Schneider Geiwitz Restrukturierung & Joachim Sedlmeir, YoYo.TIPS
Fabian Mimberg, Dr. Jens Wrede, Osborne Clarke & Christian Plail, Schneider Geiwitz Restrukturierung & Joachim Sedlmeir, YoYo.TIPS

Bildnachweis: (C) Osborne Clarke, Schneider Geiwitz Restrukturierung, YoYo.TIPS.

Erfolgreiche Gründungen stehen immer im Rampenlicht – aber nicht jedes Start-up schafft den Durchbruch, nicht jeder unternehmerische Aufstieg läuft ohne Rückschläge. Selbst eine Insolvenz muss nicht das Ende einer Firma bedeuten. Welche „leichten Fehler“ lassen sich vermeiden?

Die katastrophale Nachricht kam auf der Autobahn. Joachim Sedlmeir aus Augsburg traute seinen Ohren nicht, als er im Radio von der Wirecard-Insolvenz erfuhr. Zu diesem Zeitpunkt war sein Unternehmen stampay-Go auf der Überholspur, als Nächstes erfolgte der geschäftliche Frontalcrash. „Wir haben eine Kundenbindungs- und Bezahlplattform entwickelt, nach dem Vorbild von Starbucks und Payback, mit dem Ziel, kleinen und mittelgroßen Unternehmen ein praktikables System anzubieten. Es gab bereits größere Kunden wie McDonald’s, Ihle, Aramark, und wir hatten 5 Mio. EUR Gründungskapital in zwei Runden eingesammelt“, erinnert sich Sedlmeir an diese Phase. Nach vielen Gesprächen mit dem Münchner Zahlungsdienstleister baute stampay-Go seine Anwendung auf den Technologien von Wirecard auf. Mit der unerwarteten Insolvenz brach diese Abwicklung quasi über Nacht weg. „Alles, was wir über ein Jahr hinweg entwickelt hatten, war nicht mehr funktional“, fährt Sedlmeir fort. Daraufhin platzte eine bereits siebenstellig anvisierte Investitionsrunde mit einer namhaften Verlagsgesellschaft, alles fiel in sich zusammen. Ihm blieb nur der Gang zum Insolvenzgericht.

Hinfallen – Aufstehen – Weitermachen

Was für viele das Ende der Karriere gewesen wäre, ist für Sedlmeir ein schmerzlicher Rückschlag – aber es ist noch lange kein Grund zum Aufgeben. Bereits kurz nach der Insolvenz gründete er eine neue Gesellschaft und kaufte die Assets aus der alten Firma. Er wollte partout nicht aufgeben und glaubte weiter an die Idee eines Bezahlsystems mittels QR-Codes und Handy. Step by Step wurde die neue Firma ausgerichtet und an einer fokussierten Geschäftsidee getüftelt. Der Einsatz und der Fleiß wurden belohnt, und im vergangenen Jahr gewann das Start-up den Gründerwettbewerb „Start?Zuschuss!“ vom Freistaat Bayern. Seit Anfang 2022 kamen wieder Mitarbeitende an Bord, im Frühjahr stieß schließlich noch ein Co-Founder mit hinzu. Im Sommer bekam Sedlmeir die Zusage für die Teilnahme am Förderprogramm Bafa-Invest, bei dem Investitionen von Privatpersonen – vor allem Business Angels – in Start-ups mit steuerfreien Zuschüssen bis zu einer Höhe von 20% unterstützt werden. Aktuell laufen laut Sedlmeir zahlreiche Gespräche mit potenziellen Investoren und Business Angels über die erste geplante Finanzierungsrunde im Umfang von 0,5 Mio. EUR, welche bis Ende November abgeschlossen wird. Mit der Plattform www.yoyo.tips soll die Zahlungsabwicklung für Trinkgelder inklusive Verwaltung digital und schnell durchgeführt werden.

Unternehmenswerte sichern

Das Beispiel des bayerischen Fintechgründers zeigt, dass Rückschläge kein Grund zum Aufgeben sein müssen. Er selbst hatte auch vor dem großen Crash bereits Krisen erlebt – beispielsweise als sich die eigens entwickelte Hardware als wenig tauglich erwies und viele Prozesse gänzlich neu ausgerichtet werden mussten. Auch im Gründungsteam gab es Unstimmigkeiten, die zeitweise zu Schwierigkeiten führten. „Wir raten nach unserer Erfahrung den Gründern immer dazu, möglichst früh eine Gesellschaft zu gründen, sodass die geschaffenen Werte gleich im Unternehmen entstehen. Auch beim Kreis und der Beteiligung der Gründungspartner ist Sorgfalt angebracht, denn es kann erfahrungsgemäß steuerlich sehr teuer werden, später noch jemanden zusätzlich mit an Bord zu nehmen oder Anteile zwischen Gründern zu verschieben“, rät Dr. Jens Wrede von der Rechtsanwaltskanzlei Osborne Clarke. Vorab sorgfältig überlegen sollten sich Gründerinnen und Gründer nach seiner Meinung auch, in welcher Form sie sich selbst an der Gesellschaft beteiligen. Hier wird häufig zu einer sogenannten Doppelstruktur gegriffen, bei welcher der oder die Gründende seine oder ihre Beteiligung mittels einer eigenen Holdinggesellschaft, zum Beispiel einer Unternehmergesellschaft, hält. Auch dabei spielten steuerliche Gründe eine wichtige Rolle.

Nicht ablenken lassen

Sein Kollege Fabian Mimberg hat in der Betreuung junger Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass die Teams verständlicherweise ganz andere Dinge im Kopf haben als gesellschaftsrechtliche Fragen und ihre spätere Auswirkung auf die Unternehmenssteuern: „Gründer haben andere Themen – die wollen das Produkt auf die Straße bringen.“ Dennoch sei es wichtig, dass gerade am Beginn die richtigen Entscheidungen getroffen werden. So rät Mimberg auch dazu, mit der Ausgabe von Unternehmensanteilen vorsichtig umzugehen, da diese den größten Wert der Gründer darstellten: „Wenn Sie beispielsweise einem Berater als Honorarersatz 5% Anteile an der Gesellschaft geben, kann sich das bei entsprechender Wertentwicklung der Anteile als sehr teuer herausstellen.“

Herausforderung Mitarbeiterbeteiligungsprogramm

Soll beim Start-up ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm aufgesetzt werden, ist es laut Wrede ebenfalls sinnvoll, sich möglichst frühzeitig über dessen Ausgestaltung Gedanken zu machen. Insbesondere die Ausgabe echter Gesellschaftsanteile – im Gegensatz zu rein virtuellen Anteilen – an Mitarbeitende könne sich steuerlich als sehr herausfordernd darstellen, da hier das Risiko bestehe, dass die Anteilsgewährung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führe. Die Anwendung einer im Jahr 2021 neu eingeführten Vorschrift im Einkommensteuergesetz, mit welcher der Gesetzgeber diese Problematik eigentlich entschärfen wollte, scheitere in der Praxis regelmäßig an ihren zu engen Voraussetzungen.

Keine Scheu vor Großkanzleien

Als wichtig bewertet Mimberg den gegenseitigen Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern, wie er beispielsweise in Acceleratoren oder Co-Working Spaces möglich ist. Es sei hilfreich, die Schwarmintelligenz zu nutzen, denn viele Gründende stehen vor vergleichbaren Problemen. Auch die Website https://standardsinstitute.de/ hält nach Ansicht der beiden Juristen vielerlei gute Hinweise und Musterdokumente parat. Aber beide warnen auch: „Man sollte nicht einfach Vorlagen kritiklos übernehmen. Im Zweifel lohnt sich das Gespräch mit einem Experten und spart später viel Ärger. Und auch vor Großkanzleien muss man dabei keine Scheu haben, da spezialisierte Großkanzleien auch für Frühphasengründende die richtigen Lösungen parat haben.“ Gerade beim Abschluss von Arbeits- und anderen wesentlichen Verträgen sei es sinnvoll, sich frühzeitig Rat zu Form und Inhalt zu holen, um sich langfristig Kosten und Ärger zu ersparen.

Eine Insolvenz kann ein Neustart sein

Dass eine Insolvenz nicht das Ende für ein Unternehmen sein muss, erlebte auch Tania Moser beim Tierfutter-Start-up Pets Deli. Im Jahr 2017 rutschte die Firma mitten in der Wachstumsphase in die Insolvenz. Wenige Monate später erfolgte der Neustart, als CEO kam wieder Moser an Bord. Inzwischen macht Pets Deli nach eigenen Angaben einen achtstelligen Umsatz mit 70 Mitarbeitenden. „Eine Insolvenz kann der Startschuss für einen erfolgreichen Neustart sein. Das erleben wir in der Praxis immer wieder“, erklärt dazu Rechtsanwalt Christian Plail, Augsburg, Partner von SGP Schneider Geiwitz Restrukturierung. Im Falle einer sich anbahnenden Krise rät der Restrukturierungsexperte zu einer frühzeitigen Reaktion – einschließlich der Prüfung eines möglichen Insolvenzverfahrens. Auf diese Weise könnten Unternehmenswerte besser erhalten bleiben und die Sanierungschancen deutlich erhöht werden.