Umwelt und Soziales gehören zusammen

Kommentar

Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen
Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen

Bildnachweis: Bank im Bistum Essen.

Über zu wenig Regulatorik können wir uns in der Finanzwirtschaft gerade nicht beschweren. Das betrifft in letzter Zeit auch verstärkt den Bereich der Nachhaltigkeit. Erklärtes Ziel ist es, Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen, sodass Gelder in eine nachhaltige Richtung gelenkt werden. 

Um hierfür eine Grundlage zu schaffen, wurde die EU-Taxonomie-Verordnung mit Kriterien für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten verabschiedet. Die darin enthaltenen Ziele sind: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen. Hier werden ausschließlich ökologische Aspekte adressiert, doch wenn über Nachhaltigkeit gesprochen wird, greift eine Konzentration auf rein ökologische Aspekte zu kurz. Und dass neben ökologischen auch ökonomische und soziale Aspekte zentrale Rollen spielen müssen, zeigt sich in der Diskussion „just transition versus green transition“. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie man den Wandel weg von fossilen Energieträgern sozial verträglich gestalten kann. Wir müssen Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammendenken, denn eine Fokussierung auf ökologische oder gar nur Klimathemen verzerrt die ganzheitliche Betrachtungsweise erheblich. 

Grün allein reicht nicht

Dies führt zum Beispiel dazu, dass Investmentfonds, die eine nachhaltige Anlagepolitik verfolgen, im Sinne der Taxonomie nur grüne Anteile ausweisen können. Investitionen in bezahlbaren Wohnraum finden hingegen keine Berücksichtigung, sofern das Objekt nicht auch höchste Energieeffizienzstandards berücksichtigt. Auch bei der Kreditvergabe zielt die sogenannte Green Asset-Ratio nur darauf ab, wie hoch der Anteil des Kreditbuchs ist, der die Kriterien der grünen Taxonomie erfüllt. Der Zugang zu Gesundheitsleistungen als soziales Kriterium wird dabei nicht berücksichtigt. Aufgrund der politischen Entscheidung, die Energieerzeugung aus Gas- und Atomkraftwerken in die grüne Taxonomie aufzunehmen, kommt es sogar dazu, dass die Finanzierung eines Atomkraftwerks positiv auf die entsprechenden Kennziffern von Banken und Fonds einzahlt, während etwa die Finanzierung einer Behindertenwerkstatt außen vor bleibt. Eine soziale Taxonomie ist also dringend erforderlich – für eine Regulatorik, die einen einheitlichen Bewertungsrahmen für die Breite der grünen und sozialen Themen bietet. Als Grundlage für eine soziale Taxonomie, so die EU-Expertenkommission, müssen keine neuen Kriterien erarbeitet werden. Vielmehr bestehen bereits internationale Rahmenwerke wie die Sustainable Development Goals (SDGs) oder die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen, auf die sich eine Mehrheit der Staaten verständigt hat. Das minimiert nicht zuletzt auch zusätzlichen regulatorischen Aufwand bei den Unternehmen. Dennoch habe man bei der EU-Kommission, so die Börsenzeitung, auf die Vorschläge zunächst zurückhaltend reagiert. Bleibt zu hoffen, dass die angekündigte „sorgfältige Analyse“ die Dringlichkeit einer Sozialtaxonomie herausstellt. 

Gute Gründe für die Sozialtaxonomie 

  • Nur wenn SDGs wie das Recht auf Bildung oder Gesundheitsversorgung gewährleistet sind, wird die Weltgemeinschaft ökologische Ziele gemeinsam vorantreiben können. 
  • Nur wenn sozial-nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten transparent gemacht werden, lassen sich die Kapitalströme dorthin lenken. 
  • Nur wenn soziale Kriterien berücksichtigt werden, können bei Fonds oder im Bankbuch soziale Unternehmen als nachhaltig ausgewiesen werden. 

Über den Autor:
Dr. Peter Güllmann ist Vorstandssprecher der
Bank im Bistum Essen und unter anderem verantwortlich für das Kreditgeschäft, Mikrofinanzierung und Nachhaltigkeit. Zudem ist er Vorsitzender des Rates für Wirtschaft und Soziales beim Bischof von Essen.