Adventsgespräch mit Patrick Seip und Julian Will, Sonntag Corporate Finance

VentureCapital Magazin Adventskalender: Tür 15

Patrick Seip und Julian Will, Sonntag CF
Patrick Seip und Julian Will, Sonntag CF

Bildnachweis: Sonntag CF.

Es weihnachtet beim VC Magazin! Im Adventsgespräch liefern Patrick Seip und Julian Will, Sonntag Corporate Finance, einen Rückblick auf 2022 und werfen einen Blick auf das kommende Jahr.

VC Magazin: Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmensnachfolgen zu regeln und damit Lebenswerke zu sichern. Wie verkaufswillig sind Unternehmer in der aktuellen Marktphase?

Seip: Wir sehen aktuell ein sehr differenziertes Bild. In den nächsten vier bis fünf Jahren
werden sich zwischen 600.000 und 800.000 Unternehmer (altersbedingt oder strategisch) mit der eigenen Nachfolge auseinandersetzen müssen – vollkommen unabhängig von der Konjunktur. Generell ist das Interesse am Thema Unternehmensverkauf seit Pandemiebeginn stetig gewachsen – die aktuell angespannte wirtschaftliche Situation und eine zunehmend fehlende Planbarkeit befeuern diese Entwicklung zusätzlich. Der Wunsch danach, Verantwortung abzugeben und einen starken Partner an Bord zu nehmen, ist demnach derzeit sehr stark. Wie groß der Verkaufswille am Ende aber tatsächlich ist, zeigt sich häufig erst sehr spät im Prozess. Viele Unternehmer kommen aktuell noch sehr spät ins Grübeln und lassen Deals kurzfristig platzen. Diese Kandidaten frühzeitig zu identifizieren ist momentan eine wichtige Aufgabe von uns, um auch für Investoren Transaktionssicherheit zu bieten.

VC Magazin: Sind die Kaufpreise für mittelständische Unternehmen angesichts des stark gestiegenen Zinsniveaus und der teurer gewordenen Fremdfinanzierung zuletzt eingebrochen?

Will: Generell sind Unternehmenswerte und Kaufpreise gesunken, wenn auch im Small-Cap- Bereich weniger stark als beispielsweise im Large-Cap oder an den Aktienmärkten. Das aktuelle Zinsniveau und damit verbundene Finanzierungkosten sind sicherlich ein starker Faktor, jedoch nicht der treibende Grund für etwaige Kaufpreiseinbrüche. Wir kommen aus einem historischen Zinstief, sodass abrupte Erhöhungen immer zu Unsicherheiten führen. Verglichen mit vergangenen Jahrzehnten befinden wir uns weiterhin auf einem niedrigen Niveau und viele (Fremd-)Finanzierungsmodelle führen nach wie vor zu attraktiven Bewertungen. Trotz allem gilt es auch hier stark zu differenzieren. Es gibt wie bei jeder Krise Gewinner und Verlierer – gute Beispiele dafür sind die einstigen Corona-Gewinner Konsumgüterbranche oder energieintensive Bereiche, beide erleben aktuell starke Abwertungen. Allgemein gilt jedoch, wenn Finanzinvestoren sich bei spannenden Zielunternehmen gegenüber seit jeher konservativ finanzierenden, strategischen Investoren durchsetzen wollen, haben sie wenig Bewertungsspielraum.

VC Magazin: In welchen Branchen werden noch immer Spitzenpreise bezahlt? Wo hat sich das Preisniveau relativiert?

Seip: Die Bereitschaft Spitzenpreise zu zahlen konzentriert sich aktuell auf einige wenige
Branchen, die von zusätzlich befeuerten Megatrends profitieren. Dazu zählen ausgewählte Bereiche im IT- und Softwareumfeld (u.a. Enterprise Software, Automatisierung), erneuerbare Energien (Solar, Wärmepumpen, Speicher, Installationsbetriebe und Elektromobilität) sowie Biotech und Pharma. Auch die Bereiche Personal- und Bildungsdienstleistung entpuppen sich als besonders krisenresistent bzw. von einer drohenden Rezession angeheizt. Stark relativiert zeigen sich die Unternehmenswerte seit einiger Zeit bei vielen E-Commerce Geschäftsmodellen, in der Konsumgüterbranche sowie energieintensiven Branchen (z.B. Bäckereibetriebe).

VC Magazin: Was raten Sie Unternehmern, die sich mit dem Gedanken tragen, in den nächsten 5 Jahren zu verkaufen?

Seip: Das ist stark abhängig von der individuellen Situation des Unternehmens und dem
Lebensplan des Unternehmers. Den Verkaufszeitpunkt exakt zu planen, ist in einem sich schnell wandelnden, hoch dynamischen Marktumfeld fast unmöglich. Viele Unternehmen stehen in den nächsten Jahren vor großen Veränderungen. Gestiegene Energiekosten und Fachkräftemangel erfordern Digitalisierung und Automatisierung, um die Wettbewerbsfähigkeit auch im Hinblick auf vielfältige Konsolidierungsbewegungen in einigen Märkten aufrechtzuerhalten. Wenn ich also innerhalb der nächsten 5 Jahre definitiv verkaufen möchte, sollte ich mich bereits jetzt zu dem Thema informieren, den Zeitpunkt prüfen und ggf. noch mögliche Vorbereitungen (u.a. steuerlich, das Schaffen einer transparenten Darstellung der Finanzsituation) treffen.

Will: Speziell in der aktuellen Marktlage ist es für Unternehmer essenziell, die tatsächlichen
Kaufpreistreiber zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. Subjektiv oder gar emotional getriebene und oft überhöhte Kaufpreis- und Transaktionsvorstellungen machen viele Unternehmensverkäufe schon vor Projektbeginn nahezu unmöglich.

VC Magazin: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Jahr 2022 zurück, mit welchen ins neue Jahr 2023?

Will: Es ist in einem vom Krieg geprägten Jahr natürlich ein Rückblick mit gemischten Gefühlen, da kann es wirtschaftlich noch so gut laufen. Zwischen März und Mai 2022 war der Markt in ähnlicher Schockstarre wie Anfang 2020 nach Pandemie-Ausbruch. Zeitgleich zeigten Unternehmer ein enorm hohes Interesse am Thema Unternehmensverkauf, viele impulsgetriebene Aufträge waren die Folge. Das zweite Halbjahr hingegen war stark, auch mit inhaltlich schönen und zukunftsgerichteten Transaktionen. Stand heute erfolgten 15 Signings, 9 weitere Projekte befinden sich in finalen SPA-Verhandlungen, mehr als 30 erfolgreiche Transaktionen sind für 2023 unser Ziel. Unser Ausblick ist also durchaus positiv, denn M&A spielt mittlerweile eine sehr große Rolle – nicht nur bei Konzernen und Finanzinvestoren, sondern auch bei Mittelständlern. Was den M&A-Markt früher lähmte, treibt ihn heute an.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview!

Über die Gesprächspartner:
Patrick Seip und Julian Will sind die Geschäftsführer bei der auf Nachfolgelösungen im Small-Cap-Bereich spezialisierten M&A-Beratung sonntag corporate finance. 2021 verantworteten sie gemeinsam die Nachfolgeregelung im eigenen Haus.