Kein Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie

Investitionstrend Umwelttechnologien

Frank Hüther, Abacus alpha, Dr. Michael Brandkamp, ECBF, Ulrich Seitz, Baywa r.e. Energy Ventures (v.l.n.r.)
Frank Hüther, Abacus alpha, Dr. Michael Brandkamp, ECBF, Ulrich Seitz, Baywa r.e. Energy Ventures (v.l.n.r.)

Bildnachweis: Abacus alpha/ECBF/Baywa r.e. Energy Ventures.

Die Naturkatastrophen nehmen weltweit zu und beinahe jeder spürt den Klimawandel am eigenen Leib – durch Temperaturextreme oder Wassermangel. Höchste Zeit, etwas gegen weitere Klimaschädigungen zu unternehmen. Dem pflichten inzwischen auch viele junge Unternehmen bei. Wie ist die Lage in den Bereichen Umwelt- und Klimatechnologie, Energie und Kreislaufwirtschaft?

Nach einer Analyse von startupdetector gab es 2021 bei Umwelttechnologie den stärksten Zuwachs bei den Gründungen von Start-ups in Deutschland: Um satte 144% ging es nach oben. Zwar liegen Software, Medizin und E-Commerce immer noch an der Spitze bei den Neugründungen, aber ein Trend in Richtung Umwelt ist wohl gesetzt. Bei den Top-Kategorien gehen die Zahlen nämlich zurück – teilweise sogar stark. „Die allgegenwärtige Klimakrise und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Umwälzungen haben offensichtlich besonders viele Gründer motiviert, in diesem Bereich ein Geschäft aufzubauen“, heißt es dazu im startupdetector report 2021. Im Sektor der Umwelttechnologie waren im vergangenen Jahr auch überdurchschnittlich viele Frauen in der Geschäftsführung aktiv. Im Ranking liegt dieser Sektor an der dritten Stelle, hinter E-Commerce und Dienstleistungen. Bei Insurtechs finden sich gar keine Frauen in der Unternehmensleitung. Der Report zeigt zudem, dass die Umwelttechnologie auch für Investoren interessant ist: Sie liegt im oberen Drittel des Rankings mit guten Zuwächsen.

„Jetzt hat es auch der Letzte verstanden“

Das deckt sich auch mit der Erfahrung von Frank Hüther, Geschäftsführer der Investmentgesellschaft Abacus alpha GmbH: „Inzwischen hat es auch der Letzte verstanden, dass es Zeit zum Handeln ist und dass diese Themen jeden von uns betreffen.“ Abacus alpha sieht sich weniger als Venture Capital-Gesellschaft, sondern eher als langfristig orientierten Mittelstandsinvestor. Wenn sich allerdings die Gelegenheit für einen Einstieg in ein junges Unternehmen oder in einen Co-Founding-Prozess mit ambitionierten Gründenden bietet, dann zeigen sich auch die Manager interessiert: „Für uns war Greentech schon immer im Fokus, das Thema ist nicht neu für uns. Inzwischen ist es gesellschaftlicher Konsens, dass Ökonomie und Ökologie keinen Widerspruch bilden“, fährt Hüther fort.

Weiteres Wachstum im Umweltbereich

Eine aktuelle Beteiligung im Umweltbereich ist die Jumag Dampferzeuger GmbH aus der Nähe von Mannheim, die jetzt verstärkt auf elektrisch beheizte Dampferzeuger setzt. Das Wachstum des 1990 gegründeten Unternehmens wird nach Hüthers Aussage nur durch den bedauerlichen Mangel an Zulieferteilen gebremst. Abacus alpha war 2019 im Zuge einer Nachfolgeregelung eingestiegen. Das Bayreuther Portfoliounternehmen airinotec GmbH hat sich auf industrielle Klima- und Lufttechnik spezialisiert und dabei besonders energieeffiziente Lösungen entwickelt. Eine Start-up-Beteiligung im Umweltbereich ist die AddVolt SA aus Portugal. Das 2014 gegründete Unternehmen hat eine Technologie entwickelt, bei der mobile Kühleinheiten in Lastwagen oder Lieferfahrzeugen mit elektrischer Energie versorgt werden. Das VentureCapital Magazin hat in der Ausgabe 3/2022 über diese innovative Firma berichtet. Abacus alpha will weiter im Umweltbereich aktiv nach Beteiligungen suchen – sowohl im Mittelstand als auch bei Gründern. Ein weiterer Fokus kann laut Hüther dabei auch auf der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie liegen: „Energiethemen treiben uns weiter stark an.“ Zugleich sieht er auch die deutsche Industrie in einem hohen Anpassungsdruck durch die Entwicklung bei den Energiepreisen. Bei aller Notwendigkeit zum nachhaltigen Handeln dürfe es aber auch nicht zu einer De-Industrialisierung am Standort Deutschland kommen.

Das Energieproblem ist real

Vollkommen auf junge Unternehmen konzentriert sich die BayWa r.e. Energy Ventures aus München seit der Gründung vor fünf Jahren. „Wir sehen die Energiewende und die Reduzierung der Kohlendioxidemission als die zentralen gesellschaftlichen Themen“, erklärt Geschäftsführer Ulrich Seitz. Bei den Investments setzen sein Team und er auf Gründungen in den Bereichen Umwelttechnologien, digitale Energielösungen, Speicherung sowie Netzmanagmeent und E-Mobilität in Europa und Israel. Als neues Thema für technologische Entwicklungen sieht Seitz die Energiesicherheit – unter anderem ausgelöst durch die Auswirkungen des Ukrainekriegs. „Das Energieproblem ist real und es ist aktuell. Damit ist klar, dass es einen Markt gibt für Unternehmensgründungen und gute Ideen. Und wenn es einen Markt gibt, dann lockt auch möglicher Mehrwert für Investoren“, fährt Seitz fort.

Weiter ein hoher Dealflow

Insgesamt sieht er den weiten Bereich der Umwelt- und Energietechnik weiter im Wachstum begriffen. Zwar habe es – ausgelöst durch Zinswende und die Krise – einen kleinen Rückschlag gegeben. Dieser sei aber im Verhältnis im Umweltsektor nur gering ausgefallen. Für Investoren würden sich hier immer noch hervorragende Möglichkeiten bieten, und auch die Chancen für lukrative Exits wertet er als gut: „Wir sehen immer noch einen hohen Dealflow.“ BayWa r.e. Energy Ventures ist ein Frühphaseninvestor, der sich an Seed- und Series A-Runden beteiligt. Zum Portfolio gehört unter anderem Roofit.solar, das gebäudeintegrierte Solardächer anbietet, die herkömmliche Metalldächer und innovative Solartechnologie vereinen. Pexapark bietet eine ganzheitliche softwarebasierte Lösung für die Strukturierung von Verträgen zwischen einem Abnehmer und einem Erzeuger erneuerbarer Energien (PPA-Verträge). Die Lösung ermöglicht es Entwicklern, Investoren und Betreibern im Bereich der erneuerbaren Energien, Risiken und Erträge von Solar- und Windanlagen zu verwalten und langfristige Preise zu berechnen. Raycatch hilft den Betreibern von Solaranlagen tagesaktuell auf der Basis von KI-Diagnosen bei der Verbesserung des Energieertrags.

Keine Kompromisse bei den Renditen

Wachstumsfinanzierungen für etablierte Unternehmen hat Michael Brandkamp vom European Circular Bioeconomy Fund (ECBF) im Fokus: „Wir wollen als ein privater Venture Capital Fund mit Impact-Unternehmen stärken – und sie auf ein paneuropäisches Niveau bringen.“ Das Unternehmen wurde vor zwei Jahren gegründet und beteiligt sich an größeren Finanzierungsrunden zur Unterstützung der weiteren Expansion. Die Tickets liegen dabei im Bereich zwischen 2 Mio. und 20 Mio. EUR pro Unternehmen. Insgesamt stehen dafür 300 Mio. EUR zur Verfügung; 100 Mio. EUR davon stammen von der Europäischen Investitionsbank (EIB) und aus dem Programm „Horizon 2020“ der Europäischen Union. Insgesamt haben sich 25 Firmen und Institutionen an dem Fonds beteiligt. Dazu gehören unter anderem neben der NRW.Bank und Invest-NL auch die Allianz, Nestlé, die Büfa GmbH sowie die Landwirtschaftliche Rentenbank und zehn große Family Offices. Ähnlich wie Hüther sieht auch Brandkamp keinen Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie. Viele seiner Investoren seien vor allem deswegen eingestiegen, weil sie sinnstiftend investieren wollen und sich eine attraktive Rendite versprechen. „Wir machen keine Kompromisse bei den Renditen. Der gesamte Sektor bietet aus meiner Sicht gute Möglichkeiten für ertragreiche Investments“, sagt Brandkamp.

Bereits 3.000 Unternehmen gecovert

Brandkamp selbst blickt unter anderem auf mehr als 25 Jahre Venture Capital-Erfahrung zurück, davon 14 Jahre an der Spitze des High-Tech Gründerfonds. Er weiß sich also im Umfeld von jungen Unternehmen und Investoren erfolgreich zu bewegen, und sein Netzwerk hilft ihm auch bei der Entwicklung des ECBF. Diversität steht für den Manager ganz oben: Sein Team ist bunt gemischt mit Expertinnen und Experten aus 15 Ländern. „Wir agieren so kurz nach der Gründung selbst noch als Start-up und treiben die Entwicklung mit hoher Geschwindigkeit voran. Wichtig sei die Präsenz in den einzelnen Märkten vor Ort, um wichtige Trends und Unternehmen früh zu erkennen“, so Brandkamp weiter. Deswegen gibt es beim ECBF Venture Capital-Partner in europäischen Metropolen wie Helsinki, Barcelona oder Zürich. Auch in Israel ist der Fonds aktiv. Inzwischen wurden schon mehr als 3.000 Unternehmen gecovert. Das Portfolio besteht aktuell aus neun Investments, verstreut auf sieben europäische Länder.

Auf Digitalisierung folgt Biologisierung

Die aktuellen Umweltthemen auf der ganzen Welt zwingen nach Brandkamps Ansicht zu Innovationen: „Nun folgt auf die Digitalisierung die Biologisierung als neuer Trend bei Entwicklungen, Gründungen und Investments.“ In dem Sektor bestehe eine hohe Dynamik und eine große Geschwindigkeit. Mit Landwirtschaft, Ernährungsindustrie und der Verpackungswirtschaft würden große Märkte adressiert. Dies biete gerade jungen Unternehmen gute Möglichkeiten zu einem schnellen Wachstum, denn große Companies könnten hier nicht schnell genug agieren. Brandkamp und sein Team finden die Investmentkandidaten unter anderem durch ihre guten Kontakte zu Early Stage-Investoren und durch Recherche in Datenbanken. Zudem erreichten sie zahlreiche Anfragen von Unternehmen. Schließlich sei es auch wichtig, dass man auf wichtigen Netzwerkveranstaltungen und Konferenzen präsent ist, um an die richtigen Kandidaten zu kommen. „Wir nehmen immer nur die Besten“, konstatiert Brandkamp.