„Arbeitsschutz darf nicht als verpflichtender Ablasshandel gesehen werden“

Interview mit Christoph Tismer, Betriebsarztservice Holding GmbH

Christoph Tismer, Betriebsarztservice Holding
Christoph Tismer, Betriebsarztservice Holding

Bildnachweis: Betriebsarztservice Holding.

Betriebsarztservice ist ein Full Service-Dienstleister für Arbeitsmedizin, Arbeitssicherheit und Arbeitspsychologie. Das Besondere ist sein hybrides Modell, das physische und digitale Serviceleistungen sinnvoll miteinander kombiniert.

VC Magazin: Mit Betriebsarztservice digitalisieren Sie das Thema Arbeitsmedizin. Wie kamen Sie auf die Idee?

Tismer: Die Grundidee war, das Thema Arbeitsschutz moderner und digitaler zu denken. Wir haben uns in der ersten Phase mit den Herausforderungen und den Chancen unserer Branche auseinandergesetzt. Uns sind die Themen mangelnde Servicequalität, Fachkräftemangel, Bedarf an moderner Betreuung und zu verschlankende Prozesse immer wieder begegnet. Daher haben wir diese Punkte mit den Möglichkeiten der Digitalisierung neu gedacht und konkrete Lösungen entwickelt. Mit dem Aufbau unseres Praxisnetzwerks haben wir von der ersten Stunde an digitale Möglichkeiten wie Telemedizin oder komplett digitale Mitarbeiterdokumentation in unser Leistungsportfolio integriert. Nun zünden wir die nächste Brennstufe mit der Entwicklung unserer Plattform.

VC Magazin: Zu Ihren Kunden gehören neben Start-ups auch Konzerne. Wie offen zeigen sich die Mittelständler gegenüber Ihrem neuen Ansatz?

Tismer: Die Nachfrage nach unserem hybriden Ansatz steigt zusehends bei allen Unternehmensarten. Die Digitalisierung und das Neudenken physischer Strukturen machen nicht halt, was auch bei den Unternehmen erkannt wird. Durch die Kombination von hochqualitativer persönlicher Betreuung und digitalen Möglichkeiten erkennen alle Unternehmen die Vorteile und den Mehrwert unseres Modells.

VC Magazin: Woran mangelt es bei deutschen Unternehmen in Sachen Arbeitsschutz am meisten?

Tismer: Meist mangelt es an der Erkenntnis, dass der richtig gelebte Arbeitsschutz einen immensen Mehrwert für das Unternehmen und dessen Mitarbeiter bietet. Lange wurde Arbeitsschutz als verpflichtender „Ablasshandel“ angesehen, der gesetzlich vorgeschrieben ist und das ohnehin manchmal knappe Budget belastet. Wir kämpfen gegen diese Wahrnehmung an und versuchen, den gelebten Mehrwert auch aktiv in die von uns betreuten Unternehmen hineinzutragen. Wir arbeiten vorrangig in der Prävention, um Missständen in Unternehmen hinsichtlich zum Beispiel Arbeitsbedingungen, Gesundheitsprävention oder Optimierung
des Arbeitsplatzumfelds aktiv entgegenzuwirken, das Risiko von Arbeitsunfällen zu vermeiden und die Mitarbeiter gesund und leistungsfähig zu halten. Das hat zur Folge, dass die Mitarbeiter weniger krank sind, sich wertgeschätzt fühlen, motivierter und somit leistungsfähiger sind. In Zeiten der Mehrbelastung jedes Einzelnen, zum Beispiel durch Fachkräftemangel oder die anhaltende Tendenz zur Leistungsgesellschaft, profitiert bei diesem Ansatz die gesamte Organisation.

VC Magazin: Wie sollte Arbeitsschutz 2.0 Ihrer Meinung nach aussehen?

Tismer: Der Arbeitsschutz 2.0 sollte mitarbeiterorientiert, modern, verständlich und transparent gestaltet sein. Auch die Verzahnung mit anderen Bereichen des betrieblichen Gesundheitsmanagements wird immer mehr an Relevanz gewinnen. Wir werden unsere Plattformentwicklung hierfür weiter vorantreiben. Das erste Feature wird eine digitale Vorsorgekartei für unsere Kunden sein. Nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge ist quasi jedes Unternehmen dazu verpflichtet. Aber nur die wenigsten haben darüber Kenntnis, das Know-how oder führen eine solche Vorsorgekartei. Gerade bei einem hohen Aufkommen an arbeitsmedizinischen Vorsorgen stellt dies eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Genau dort greift unsere Plattform mit der Option einer digitalen Lösung. Da uns durch die Betreuung des Unternehmens alle dafür relevanten Daten vorliegen, können wir diese entsprechend in der digitalen Kartei zusammenführen, und das Unternehmen kommt ohne zusätzlichen Aufwand seiner Verpflichtung zur Vorsorgedokumentation direkt nach.

VC Magazin: Welche Pläne haben Sie mit dem Kapital aus Ihrer kürzlichen Finanzierungsrunde über 6,8 Mio. EUR?

Tismer: Mit dem Kapital werden wir die Entwicklung unseres digitalen Ansatzes vorantreiben und unsere Organisation weiter ausbauen – mit einem hybriden Betreuungsansatz, sprich physisch und digital. Unser klares Ziel ist es, der führende Anbieter im Bereich Arbeitsschutz zu werden.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zum Interviewpartner:

Christoph Tismer ist seit 2019 als Co-Founder und CEO bei Betriebsarztservice aktiv. Das Start-up beschäftigt 70 Mitarbeiter, davon circa 50 Ärzte, MFAs, Sicherheitsfachkräfte und Psychologen.