Notwendige Regulierung im Dienst der Zukunft

Kommentar

Dr. Matthias Birkholz, lindenpartners
Dr. Matthias Birkholz, lindenpartners

Bildnachweis: lindenpartners.

Profit und Purpose sind nicht notwendig Gegensätze. Zahlreiche ESG-Fonds und die ESG-Varianten von börsengehandelten Indexfonds entwickelten sich im vergangenen Jahr allerdings deutlich schlechter als der DAX beziehungsweise der iShares DAX. Daher breitet sich allmählich Skepsis aus, ob Investments in ESG-konforme Unternehmen regelmäßig zu einer Wertsteigerung führen. Völlig zu Recht – denn die Verfolgung hehrer Ziele wird auf Unternehmensseite nicht selten zumindest kurzfristig mit Ertragseinbußen verbunden sein.

Im Hinblick auf die Verfolgung von ESG-Belangen in Unternehmen wird daher der Gegenwind heftiger. In den USA versuchen Republikaner schon lautstark, gegen gesetzliche Vorgaben zu mehr ESG-konformen Investitionen Stimmung zu machen. So wird Investmentgesellschaften vorgeworfen, aus ideologischen Gründen Öl- und Gasproduzenten zu benachteiligen und Nachhaltigkeitsziele über die Rendite zu stellen. Einige Pensionsfonds aus republikanisch regierten US-Bundesstaaten haben daher bereits Gelder von BlackRock abgezogen. Dessen CEO hatte sich besonders vehement für eine Konzentration auf nachhaltige Investments ausgesprochen.

Corporate Sustainability Due Diligence Directive

So weit sind wir in Deutschland zwar noch nicht, doch auch hier ist ein gewisser Backlash im Hinblick auf ESG zu spüren. Gerade aus Wirtschaftskreisen wird die Kritik an dem von der EU-Kommission angestoßenen Trend zu stärkerer Regulierung von ESG-Belangen lauter. Insbesondere wird gegenwärtig versucht, dem Entwurf der EU-Kommission zu einer Corporate Sustainability Due Diligence Directive die Zähne zu ziehen. Der Entwurf verschärft in verschiedenen Aspekten die Vorgaben, die in Deutschland seit Beginn dieses Jahres im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gelten. Und schon in Bezug auf dieses Gesetz dämmert es gerade vielen Unternehmen langsam, dass und wie sie von diesem Gesetz einschneidend betroffen sind oder sein werden. Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat hierzu im Wege einer Handreichung zur Anwendung des Gesetzes einen Fragenkatalog veröffentlicht. Das hat wenig Dank hervorgerufen, aber viele Klagen
und Häme über übergroßen bürokratischen Aufwand und zahllose Statements von der Kategorie „Haben wir keine anderen Sorgen?“.

Folgen

Die Klagen über zu viel Regulierung sind jedoch in Wirklichkeit unangemessen. Zunehmende Regulierung ist die verständliche Antwort darauf, dass im Endeffekt wirtschaftliche Erwägungen unternehmerische Entscheidungen prägen. Bei aller Betonung der Wichtigkeit der Einbeziehung von Stakeholder-Aspekten ist es letztlich ein wirtschaftlich verstandenes Unternehmensinteresse, das insoweit den Ausschlag gibt. Aus Sicht des Staates besteht daher aber kein echter Anlass, darauf zu vertrauen, dass ESG-Belange von sich aus von Unternehmen wirksam berücksichtigt werden. In Fällen, in denen wirtschaftliches Interesse und Gemeinwohl nicht deckungsgleich sind, ist dies nämlich nicht der Fall – und das führt aus gesamtgesellschaftlicher Sicht zu einer langfristig nicht akzeptablen Externalisierung von Kosten zulasten der Umwelt und möglicherweise auch zulasten von Menschenrechten.

Ausblick

Die Regulierung von ESG-Belangen wird deswegen nicht weniger werden, sondern noch zunehmen. Für die Private Equity- und Venture Capital-Branche ist die Berücksichtigung von ESG-Aspekten daher künftig ein notwendiges und wichtiges Moment der Risikoanalyse sowohl in Unternehmenstransaktionen als auch im laufenden Portfoliomanagement. Und da besteht in Wirklichkeit keinerlei Grund, sich über Regulierung zu beklagen. Im Gegenteil: Man sollte unter dem Gesichtspunkt Haftungsvermeidung und Prognosesicherheit zunächst einmal eher dankbar sein für eine zunehmende Definition und Kodifizierung von ansonsten diffusen ESG-Faktoren.

Zum Autor:

Dr. Matthias Birkholz ist Gründungspartner und Co-Managing Partner der Berliner Rechtsanwaltssozietät lindenpartners. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Gesellschaftsrecht/
M&A und Litigation. Besonders am Herzen liegt ihm das Thema „Law Firm for Future“.