„Der Markt braucht keine 15 Kreditkarten-Start-ups”

Interview mit Sascha Karimpour, Managing Director, Plug and Play Germany

Interview mit Sascha Karimpour
Interview mit Sascha Karimpour

Bildnachweis: Plug and Play.

Die digitale Transformation macht auch vor dem Bankensektor nicht halt. Welche Rolle Fintechs dabei spielen und welchen Einfluss aktuelle Krisen auf das Segment haben, berichtet Sascha Karimpour. Er ist verantwortlich für das Deutschlandgeschäft des aus den USA stammenden Venture Capital-Fonds Plug and Play der unter anderem in PayPal investierte. Die Venture Capital-Gesellschaft baut zudem im Finanzzentrum Frankfurt einen Fintechhub auf, mit dem Ziel, Start-ups und Corporates noch stärker zu vernetzen und eine Plattform für die Zukunft des Bankings zu schaffen.

VC Magazin: Der Bankensektor muss sich trotz aktueller Krisen im Zeitalter der Digitalisierung transformieren. Was brauchen Banken, um innovativer zu werden?

Karimpour: Zum einen fehlt Banken oftmals eine klare Vision und Vorstellung davon, wie sie sich im digitalen Zeitalter positionieren wollen. Banken und etablierte Finanzinstitute müssen sich stärker für andere Branchen öffnen und technologisch mit Unternehmen aus anderen Bereichen kooperieren. Auch die Bedürfnisse der Kunden haben sich verändert. Entsprechende Strategien und Ziele müssen dahin gehend ausgerichtet werden. Gerade in diesem Spannungsfeld ist die Kooperation mit Fintechs aufgrund der technologischen Innovationen von Vorteil. Dies gelingt nicht mithilfe einer Top-down-Agenda oder wilder Buzzwords in der Kommunikation. Start-ups können ein Teil der Innovationsstrategie der Banken sein und ihre Innovationsaktivitäten vorantreiben, um neue Impulse ins Unternehmen zu bringen.

VC Magazin: Welche Rolle können Fintechs bei dieser Transformation spielen?

Karimpour: Die Finanzindustrie steht vor großen Herausforderungen: digitale Transformation, Nachhaltigkeit, Customer Centricity, Cybersicherheit. Das Angebot innovativer Lösungen zur Verbesserung der Geschäftsmodelle und Prozesse spielt eine entscheidende Rolle. Für Banken hält sich das Risiko bei einer Kooperation mit Fintechs in Grenzen, da Inhouse-Ressourcen nicht so stark gebunden werden. Grundsätzlich können Fintechs schneller auf Trends reagieren und mutig die Produkte an die Bedürfnisse der Kunden anpassen. Gemeinsam können Fintechs und Banken die Branche nachhaltiger und leistungsfähiger machen.

VC Magazin: Fintech war lange Zeit ein Trendthema, seit Jahresbeginn ist der Sektor von Negativschlagzeilen und Entlassungswellen geprägt. Wie bewerten Sie das aktuelle Marktumfeld für die einstigen Highflyer?

Karimpour: Der Hype der letzten drei Jahre um neue Geschäftsmodelle war enorm, das stimmt. Insbesondere im Finanzsektor sind interessante Geschäftsmodelle entstanden. Krisen bringen immer eine gewisse Grundlage für Chancen und die Optimierung des Status quo mit. Gepaart mit den sehr günstigen Investitionsbedingungen wurden allerdings zahlreiche Ideen abseits von jeder Realität bewertet. Viele davon hatten und haben immer noch eine Daseinsberechtigung, jedoch braucht der Markt keine 15 Kreditkarten-Start-ups. Aktuell beobachten wir eine Konsolidierung, die aus meiner Sicht notwendig ist. Die heutigen Einschätzungen des Markts sind wieder realistischer und vorsichtiger. Nichtsdestoweniger bin ich mir sicher, dass wir weiteres Wachstum sehen und sich die richtigen Partnerschaften und Player langfristig durchsetzen werden.

VC Magazin: Welchen Einfluss wird die derzeitige Bankenkrise langfristig auf das Fintechsegment haben?

Karimpour: Das Vertrauen der Kunden ist das A und O – das haben die aktuellen Ereignisse wieder deutlich gezeigt. Wenn Fintechs nicht überzeugend darlegen können, weshalb sich ihre Lösung durchsetzen wird, werden sie Probleme haben, strategische Partnerschaften zu bilden. Vertrauen spielt insbesondere in volatilen Zeiten eine essenzielle Rolle. Entscheidend ist daher, Innovation mit Erfahrung und Vertrauen zu kombinieren, um den Mehrwert für alle Akteure sicherzustellen.

VC Magazin: Plug and Play baut am Finanzstandort Frankfurt einen Fintechhub auf. Was haben Sie konkret geplant?

Karimpour: Nach dem Brexit hat sich Frankfurt als Hub für verschiedene Akteure aus dem Finanzbereich etabliert. Mit Sitz von wichtigen Regulatoren wie der Europäischen Zentralbank, der Bundesbank und der BaFin ist Frankfurt sicherlich einer der wichtigsten Finanzplätze Europas. Als eine global tätige Organisation sind wir daher praktisch darauf angewiesen, einen unserer Standorte in Frankfurt zu betreiben. Dadurch sind wir in der Lage, wichtige Trends frühzeitig zu erkennen. Das übergeordnete Ziel ist es, Banken und Fintechs noch stärker zu vernetzen und Synergien zu schaffen. Dafür wollen wir uns am Standort in Frankfurt mit den klügsten und innovativsten Köpfen austauschen, uns mit ihnen vernetzen und Potenziale identifizieren. Vor allem muss es gelingen, bestehende Innovationen in große und komplexe Organisationen zu integrieren, ohne die eigentliche Innovation zu vernachlässigen. Dabei umfasst unser „Open-Innovation-Ansatz“ die gesamte Wertschöpfungskette – von der Identifizierung neuer Technologien bis zu ihrer Integration in bestehende Geschäfte und potenzielle Investitionen.

VC Magazin: Wie sieht Ihrer Meinung nach die Bank der Zukunft aus?

Karimpour: Die Bank der Zukunft wird von verschiedenen Faktoren geprägt werden. Am offensichtlichsten ist wohl die konsequente Digitalisierung aller Prozesse für den Endkunden. Das Thema Kundenfokussierung wird entscheidend sein. Hier spielen zum Beispiel ein hoher Grad an Individualisierung und Personalisierung im Angebotsumfeld eine wichtige Rolle. Das Thema KI, meiner Meinung nach einer der vielversprechendsten Megatrends der aktuellen Zeit, wird darüber hinaus sowohl im Kundenservice als auch in internen Prozessen, beispielsweise der Risikobewertung, eine massive Rolle einnehmen. Hier werden langfristig die Banken überzeugen, die es am besten verstehen, diese Technologie für sich und die Kundschaft zu nutzen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zum Interviewpartner:

Sascha Karimpour zog nach insgesamt 22 Jahren in den USA, wo er für verschiedene Start-ups und große deutsche Unternehmen im Silicon Valley arbeitete, zurück nach Deutschland. Seither ist er Managing Director bei Plug and Play Germany.