Krypto ist tot, lang lebe Krypto

Kommentar zum Kryptomarkt

Alexander Rapatz, Founding und Managing Partner Black Manta Capital Partners
Alexander Rapatz, Founding und Managing Partner Black Manta Capital Partners

Bildnachweis: Black Manta Capital Partners.

Noch ist der Kryptomarkt fest in Bärenhand und verzeichnet seit seinem Höchststand einen Rückgang der Marktkapitalisierung von rund 65%. Obwohl die Talsohle noch nicht erreicht zu sein scheint, schreitet die Entwicklungsarbeit neuer Use Cases und technologischer Verbesserungen unvermindert voran. Mit der gleichzeitigen Schaffung regulatorischer Klarheit wird gerade die Basis geschaffen, um Blockchain-Projekte aus dem spekulativen Randbereich ins Zentrum unserer Finanzwirtschaft zu befördern.

Nach einer Phase zügelloser Euphorie und scheinbar grenzenloser Wachstumserwartungen markierte 2022 den Wendepunkt auf dem Kryptomarkt. Der Zusammenbruch des DeFi-Ökosystems „Terra“ und die Implosion der Kryptobörse FTX schlugen in Verbindung mit den trüben makroökonomischen Bedingungen Wellen, die weit über den Preisverfall einzelner Kryptowährungen hinausgingen. Massive Liquiditätsengpässe plagten beinahe die gesamte Kryptoindustrie und zwangen schließlich Dutzende von überschuldeten Akteuren in die Knie. Eine Entspannung am Markt ist bislang nicht in Sicht, und so reihten sich erst jüngst die kryptofreundlichen Finanzinstitute Silvergate und Silicon Valley Bank in die Riege der in Schieflage geratenen Unternehmen ein. Das Platzen dieser durch jahrelange Nullzinspolitik angeheizten Spekulationsblase führte auch zu einem allmählichen Versiegen des Zuflusses an frischem Risikokapital. Einem Bericht von Blockdata zufolge verzeichneten Venture Capital-Investments in Blockchain-Firmen im vierten Quartal 2022 einen Rückgang um mehr als 34%. Zwar reduzierten sich die Investitionen auf Jahressicht um nur 11%, doch der Trend gibt den Ton an.

Regulierung als Antwort

Die Turbulenzen des vergangenen Jahres verstärken nun den Ruf nach einer stärkeren Marktregulierung. Erst in den letzten Wochen haben die US-Aufsichtsbehörden wieder begonnen, Kryptounternehmen stärker ins Visier zu nehmen. Der SEC-Vorsitzende Gary Gensler teilt die Ansicht, dass seine Behörde über alle notwendigen rechtlichen Voraussetzungen verfügt, die Branche – mit Ausnahme von Bitcoin – zu regulieren, da es sich bei den meisten Kryptowährungen – deren Ansicht nach – um nicht registrierte Wertpapiere handelt. Es bleiben jedoch Fragen zu der jüngsten Durchsetzungsstrategie der Behörde und ihrer Wirksamkeit, denn solange die SEC nicht ihre Zuständigkeit für jeden Token vor Gericht unter Beweis stellt und eine Klage gegen jeden Ersteller der mehr als 12.300 Token einreicht, ist sie nicht befugt, diese zu regulieren.

Anderer Ansatz in Europa

Auf der anderen Seite des Atlantiks verfolgen das Vereinigte Königreich und die EU einen anderen Ansatz. Das britische Finanzministerium hat kürzlich neue Regeln für Kryptounternehmen vorgeschlagen, um die Transparenz und den Verbraucherschutz zu verbessern. In der EU zielt die geplante Markets in Crypto-Assets (MiCA)-Verordnung darauf ab, einen klaren Rechtsrahmen für digitale Vermögenswerte in allen Mitgliedstaaten zu schaffen.

Der Blockchain-GDP-Boost

Insbesondere das Vorpreschen der USA hat die Branche erschüttert und Bedenken hinsichtlich einer möglichen Überregulierung geweckt. Eine solche wäre fatal, da sie sowohl innovative Unternehmen als auch etablierte Kapitalmarktteilnehmer der Vorteile dieser neuen digitalen Transformation berauben könnte. Einer Analyse der EU-Kommission zur MiCA und der Einführung des DLT-Pilot-Regimes zufolge werden die potenziellen jährlichen Effizienzgewinne nämlich auf 220 Mio. bis 570 Mio. EUR für Überweisungen, 270 Mio. bis 540 Mio. EUR für Cash Equity-Märkte, bis zu 4 Mrd. EUR im Reporting, mehrere Mrd. EUR in den Bereichen Clearing, Settlement, Collateral Management und 15 Mrd. bis 19 Mrd. EUR Kosteneinsparungen bei der Bankeninfrastruktur im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Zahlungen, Wertpapierhandel und Regulatory Compliance geschätzt.

When Tradfi meets Crypto

Die Entstehung einer schnell wachsenden und äußerst wettbewerbsfähigen Fintechszene in den letzten Jahren ist das auffälligste Beispiel für diesen Wandel. Ein Bereich, der dabei reichlich institutionelle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist die Tokenisierung von Real World Assets: ein Prozess, bei dem das Eigentum an einem realen Vermögenswert, etwa einer Immobilie, einem Kunstwerk oder einem finanziellen Vermögenswert, mithilfe eines digitalen Tokens auf einer Blockchain repräsentiert wird. Trotz anhaltenden Bärenmarkts haben sich dieses Jahr bereits mehrere große Unternehmen wie Goldman Sachs, Hamilton Lane oder Siemens den Prozess der Tokenisierung für Offerings und Transaktionen zunutze gemacht. Dies bietet nicht nur ein enormes Potenzial zur Verbesserung von Transparenz, Übertragbarkeit und Kosten- sowie Settlement-Effizienz, sondern auch der Marktzugänglichkeit. Sollte sich die Tokenisierung in ähnlicher Geschwindigkeit weiter durchsetzen, könnte der Wert von tokenisierten Vermögenswerten in den nächsten Jahrzehnten in die Bio. EUR gehen.

Zum Autor:

Alexander Rapatz ist Founding und Managing Partner der Black Manta Capital Partners, externer Berater der Europäischen Kommission sowie Vorstandsmitglied des European Super Angels Clubs.