„Wir bieten in unseren Tech-Clustern exzellente Bedingungen“

Interview mit Sören Schuster, TGFS Technologiegründerfonds Sachsen

Sören Schuster, TGFS
Sören Schuster, TGFS

Bildnachweis: TGFS.

Der TGFS Technologiegründerfonds Sachsen investiert auf Initiative des Freistaats (u.a. mit EFRE-Mitteln) in frühphasige Start-ups mit Sitz oder Betriebsstätte in Sachsen. Bislang hat der TGFS mehr als 100 Unternehmen ab der Seed- oder Start-up-Phase begleitet.

VC Magazin: Was zeichnet Sachsen als Gründungsstandort aus? Welche Vorteile bietet die Region?

Schuster: In Sachsen findet sich eine extrem hohe Dichte an F&E-Institutionen, wie technische Universtäten, die Universities of Applied Science – also die früheren Fachhochschulen – und auch Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer, die allesamt hervorragend von Bund und Ländern in den letzten Jahren ausgestattet worden sind. Damit wurde eine Forschungsinfrastruktur geschaffen, die ihresgleichen sucht. Leipzig, Dresden, Chemnitz, aber auch kleinere Städte wie Freiberg und Mittweida bieten hier viel – in letzterer findet sich mit dem Laserinstitut eine der ältesten Ingenieurhochschulen Deutschlands mit besten Voraussetzungen. Die Forscherinnen und Forscher finden dort sehr gute Arbeitsbedingungen vor und die Institutionen schaffen immer mehr Transfereinrichtungen für Gründende und kooperieren auch anschließend. Dadurch kann auf die Technik in den Einrichtungen zurückgegriffen werden. Das ist ein wichtiger Kostenpunkt bei stark hardwarelastigen Start-ups. Zudem hilft der Austausch auch bei der weiteren Rekrutierung von Personal. Diese exzellenten Bedingungen bieten sich vor allem Gründern mit B2B- und Deeptech-Fokus. Zudem hat Sachsen in der Halbleiterindustrie rund um Dresden ein europaweit einzigartiges Halbleitercluster aufgebaut. Dies ist das Ergebnis einer fokussierten Technologiepolitik seit den 1990er-Jahren. Hier bietet der Freistaat einen klaren Standortvorteil. Auch nicht vergessen dürfen wir, dass Sachsen das Thema Gründer-infrastruktur über Jahrzehnte entwickelt und mit futureSax eine zentrale Plattform geschaffen hat. Hier zeigt sich wieder der lange Atem, der seit Ende der 1990er über die tristen Jahre 2004 bis 2007 durchgehalten wurde. Das hat sich ausgezahlt!

VC Magazin: Welche weiteren Technologietrends sehen Sie in der Region?

Schuster: Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde, und auch in Sachsen beschäftigen wir uns mit dem Thema, zum Beispiel mit der Entwicklung von Schaltkreisen für KI. Hinzu kommen Blockchain, Materialwissenschaften wie die Halbleiterindustrie, die verschiedene Applikationen hervorbringt– von Elektroautos über Leistungshalbleiter bis zur Sensorikentwicklung für die Medizintechnik. Novaled ist noch immer ein Vorzeigebeispiel, wenngleich der Exit mehr als 10 Jahre zurückliegt. Heliatek steigt auch in diese Riege auf. Wir sehen zudem viele Cross-over-Themen aus Hard- und Software.

VC Magazin: Welche Herausforderung muss die Region stemmen, wo sehen Sie noch Engpässe?

Schuster: Die ansässigen Technologien haben einen längeren Entwicklungszyklus und anderen Kapitalbedarf. Hier stoßen wir mit deutschen und europäischen Investoren oftmals an die Finanzierungsgrenzen. Wir sind auf Kooperationen mit Forschungseinrichtungen angewiesen, damit die Start-ups zum Beispiel im Frühstadium Ressourcen der Partner mitnutzen und Hardwarekosten sparen können. Eine weitere Herausforderung ist die Infrastruktur: Diese muss sich hocheffizient weiterentwickeln, sodass eine kritische Masse an Menschen die regionalen Zentren schnell erreicht. Entfernungen werden aus Sicht der Arbeitnehmer heute in Stunden statt Kilometern gemessen; hier spielt eine gut ausgebaute Anbindung zwischen den Regionen eine wichtige Rolle. Ein zunehmendes Problem ist auch der Fachkräftemangel – wenngleich die Möglichkeit von Remote Work gerade im IT-Segment neue Optionen schafft. Dies geht wiederum mit steigenden Gehältern einher, da im „War for Talents“ die Wettbewerber auch in München oder Berlin sitzen. Aus Arbeitnehmersicht ist das positiv, aber diese Kostensprünge müssen die Unternehmen auch erst einmal leisten können. Das betrifft jedoch nicht nur die Start-ups, sondern auch den Mittelstand.

VC Magazin: Mit dem TGFS setzen Sie bereits ab der Idee an, investieren aber auch in weitere Finanzierungsrunden. Wie schätzen Sie die aktuellen Finanzierungsbedingungen ein?

Schuster: Die Seed- und Early Stage-Finanzierungen sind aus meiner Sicht noch in einem sehr guten Umfeld. Die Herausforderungen kommen eher in der Anschlussfinanzierung, wenn die Unternehmen auf dem Weg zur Profitabilität sind und eine zweite Finanzierungsrunde brauchen. Hier lassen sich die Investoren mittlerweile deutlich mehr Zeit, schauen auch genauer hin, und die Unternehmen müssen ein grundsätzlich profitables Geschäftsmodell vorweisen, um Geld einsammeln zu können. Es wird mehr auf Skalierbarkeit geachtet, die Wachstums-KPIs müssen bereits nachgewiesen werden, damit die Investoren mitspielen. Im Bereich von 1 Mio. bis 5 Mio. EUR sind die Finanzierungsrunden deutlich schwieriger geworden, wenn nicht wenigstens 100.000 EUR monatlicher Umsatz gezeigt werden kann. In dieser Lücke sind wir mit dem TGFS gut aufgestellt, denn unser oberes Limit liegt bei etwa 5 Mio. EUR, sodass wir auch Anschlussfinanzierungen allein bewältigen beziehungsweise einen signifikanten Beitrag dazu leisten können.

VC Magazin: Wie nehmen Sie das Interesse ausländischer Investoren an der Region wahr?

Schuster: Ausländische Investoren schauen immer stärker nach Sachsen, auch bedingt durch unsere spannenden Technologiecluster. Hier spielt die Halbleiterindustrie wieder eine große Rolle, da sie für die Bekanntheit der Region sorgt. Allerdings springen diese Investoren erst, wenn die Unternehmen eine Skalierung vorweisen können. In den seltensten Fällen investieren sie bereits in frühe Phasen, noch bevor es vorzeigbare KPIs gibt. Sehr gute Erfahrungen haben wir mit Investoren aus Frankreich gemacht, die auch in Deutschland mit Büros vertreten sind. Sie haben dadurch einen besseren Blick auf hiesige Start-ups. Spannend ist zudem: Wenn die KPIs stimmen, werden Finanzierungen auch realisiert und nicht mehr wie vor 25 Jahren mit dem Argument abgelehnt, wir würden in „the middle of nowhere“ sitzen. Je weiter weg von Deutschland sich die Investoren befinden, umso mehr rutschen wir natürlich auch in den Radius Berlin, aber wir sagen schließlich auch Silicon Valley und meinen alles von San Francisco bis San Jose.

VC Magazin: Ein Blick auf Ihr aktuelles Portfolio: Wie sind Sie derzeit aufgestellt?

Schuster: Unser Portfolio ist diversifiziert über verschiedene Branchen hinweg, was wichtig ist, da wir lokal spezialisiert sind und daher horizontal breit aufgestellt sein müssen. Aktuell haben wir drei Fonds unter Management, der erste ist bereits abgeschlossen und hat nur noch ein kleines Portfolio, das reift und entwickelt wird. Hierzu gehört Lecturio, für das wir 2021 eine Finanzierungsrunde über 40 Mio. EUR realisiert haben. Der TGFS II entwickelt sich zur Reife; hier tätigen wir Anschlussfinanzierungen für herausragende Unternehmen, zum Beispiel Kopernikus Automotive, Raylytic oder auch watttron.

VC Magazin: Sie haben im Februar die dritte Fondsgeneration verkündet, das First Closing lag bei 83 Mio. EUR. Haben Sie bereits erste Investments getätigt? Wie ist die weitere Planung für den Fonds?

Schuster: Wir investieren weiter im Seed- und Start-up-Bereich und können spüren, dass die Finanzierungsrunden tendenziell größer werden; aber auch unser Fonds ist größer geworden. Wir rechnen mit einem Final Closing bei 100 Mio. EUR. Daher sind wir gut aufgestellt und können die Start-ups weiter begleiten. Wir haben bereits erste Investments getätigt, etwa in ReViSalt, einem Materialtechnikunternehmen, das aus der TU Freiberg ausgegründet wurde, und Pinpoint, welche ihre Wurzeln in der TU Chemnitz hat.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zum Interviewpartner:

Sören Schuster ist Physiker, seit 2007 Geschäftsführer des TGFS und war zuvor bereits seit 1996 ununterbrochen im Bereich Venture Capital-Finanzierung für verschiedene deutsche und internationale Fonds tätig.