„In stürmischen Zeiten braucht es Stressresilienz“

Interview mit Dr. Thomas K. Heiden, Heiden Associates Personalberatung

Dr. Thomas K. Heiden, heiden associates Personalberatung
Dr. Thomas K. Heiden, heiden associates Personalberatung

Bildnachweis: heiden associates .

Der Venture Capital-Markt durchlebt angespannte Zeiten. Inwiefern sich ausbleibende Finanzierungsrunden, schwieriges Fundraising und das veränderte Marktumfeld auf die Personalsituation der Branche auswirken, berichtet Personalberater Dr. Thomas K. Heiden.

VC Magazin: Die Investitionszahlen sind in den letzten Monaten eingebrochen. Wie nehmen Sie die Stimmung im Markt wahr?

Heiden: Der Beteiligungsmarkt ist nicht abgekoppelt von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und Stimmung in Deutschland. Die Euphorie der vergangenen Jahre ist verflogen, als Banken den Beteiligungsgesellschaften das Geld für Fremdfinanzierungen förmlich hinterherwarfen. Auf der anderen Seite sind die Taschen der Fonds weiterhin gut gefüllt. Das Kapital der Limited Partners muss investiert werden, um nach hinten heraus als Fonds nicht in einen Exit-Druck zu kommen, wenn die Haltedauern vor dem Ende des Fonds zu kurz werden.

VC Magazin: Der Wind hat sich gedreht, Investoren setzen heute mehr auf Profitabilität als auf Wachstum. Was bedeutet das für die Suche nach neuem Personal auf Investorenseite?

Heiden: Profitabilität oder Wachstum – das hängt natürlich von der Investitionsphase ab, in der Beteiligungsgesellschaften investieren. In der Seed-Phase wollen die Investoren nach wie vor einen professionellen Pitch, ein eingespieltes, kompetentes Team und einen vorzeigbaren Prototyp oder MVP sehen. In der Wachstumsphase geht es vor allem um Skalierung des Geschäftsmodells mit deutlich zweistelligen Wachstumsraten. Im Private Equity-Sektor stehen wachstumsstarke Geschäftsmodelle oder auch zunehmend wieder Restrukturierungsfälle im Fokus. Jedes dieser Szenarien erfordert einen anderen Typ von Investmentmanager.

VC Magazin: Welche Skills und Profile sind für die verschiedenen Szenarien derzeit gefragt?

Heiden: Ein Kandidat, der unternehmerische Erfahrung zur Bewältigung eines dieser Szenarien mitbringt, hebt sich deutlich von den anderen Bewerbern ab. Für eine Beteiligungsgesellschaft kann so ein Mitarbeiter in zukünftigen Pitch-Situationen von Vorteil sein, wenn es darum geht, sich von anderen Venture Capital- oder Private Equity Gesellschaften durch unternehmerische Kompetenz – Stichwort Smart Money – beim Unternehmen hervorzuheben. Für die anschließende Beteiligungsphase kann er das Unternehmen bei wichtigen Entscheidungen mit seiner Erfahrung und Kompetenz nachhaltig unterstützen. In stürmischen Zeiten ist Stressresilienz eine wichtige Eigenschaft, die ein Investmentmanager mitbringen sollte. Ein finanzieller Engpass, Wegfall eines Großkunden oder andere Herausforderungen aufseiten des Portfoliounternehmens sollten ihn nicht in Panik stürzen, sondern er sollte beherzt und strukturiert die Situation angehen.

VC Magazin: Worauf legen Ihre Klienten derzeit besonders Wert?

Heiden: Je höher das Level der zu besetzenden Position ist – ab Investment Director aufwärts –, desto eher wird inzwischen nach Fundraising-Erfahrung seitens unserer Klienten gefragt. In härteren Zeiten wird auch Beteiligungsgesellschaften das Geld nicht mehr nachgeworfen. Erfolgreich Funds finanziert zu haben und dazu ein belastbares Netzwerk an
Investoren mitzubringen sind Pluspunkte bei aktuellen Besetzungsentscheidungen. Last,
but not least spielt Diversity eine zunehmende Rolle über alle Hierarchielevel hinweg.  Unsere Mandanten wünschen explizit, Kandidatinnen präsentiert zu bekommen. Für eine Analystenposition kann über eine breitbandige Anzeigenkampagne ein Pool an qualifizierten Kandidatinnen aufgebaut werden, wie unsere Erfahrung der letzten 24 Monate zeigt. Je höher das Hierarchielevel, desto schwieriger wird es jedoch, einen Pool an geeigneten Kandidatinnen zu präsentieren. Der Anteil an Frauen im Venture Capital- und Private Equity-Bereich ist leider immer noch viel zu gering und läuft immer wieder auf den gleichen Kreis an Kandidatinnen hinaus.

VC Magazin: Und im Vergleich dazu auf Start-up-Seite?

Heiden: Unsere Klienten erwarten ganz klar Problemlösungskompetenz für ihre aktuelle oder zukünftige Herausforderung bei den Kandidaten. Oftmals sind die Auszahlungen von Kapitaltranchen in den Beteiligungsverträgen an das Erreichen bestimmter Meilensteine gekoppelt. Geht es beispielsweise um eine anstehende USA-Expansion, hat  ein Kandidat, der in seiner vorherigen Station erfolgreich eine solche gemeistert hat, eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit als ein Newcomer, der sich erst beweisen muss. Risikominimierung beziehungsweise hohe Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Zielerreichung  steht bei den Entscheidern des Start-ups im Vordergrund. Für Kandidaten spielt vor einem möglichen Wechsel in ein Start-up die Dauer bis zur nächsten Finanzierungsrunde – stärker als in der Vergangenheit  – eine wesentliche Rolle, zusätzlich zu den Entscheidungskriterien wie Aufgabenbereich,  Teamfit zu den C-Level-Kollegen und  Gehaltspaket inklusive einer Beteiligung.

VC Magazin: Das Klagen über Personalmangel in der Wirtschaft ist groß – auch in der Venture Capital-Szene?

Heiden: Wenn wir unter Venture Capital-Szene sowohl die Beteiligungsgesellschaften als auch die Start-ups verstehen, dann ist meine Antwort zweigeteilt. Für Mandate von Venture Capital-Gesellschaften können wir nach wie vor auf einen guten Pool an Kandidaten aus unserem Netzwerk sowie der Suche über Anzeigen und Direktansprache zugreifen. Bei Start-ups hingegen gilt die Regel: Je technischer eine Position und je weniger Führungs-verantwortung beziehungsweise niedriger das Hierarchielevel, desto kleiner der Pool an passenden Kandidaten. C-Level-Positionen in Start-ups haben nach wie vor eine hohe Attraktivität, wenn die oben genannten Entscheidungskriterien erfüllt sind.

VC Magazin: Wie hat sich das Gehaltsniveau für Investmentmanager in den letzten zwölf Monaten verändert?

Heiden: Es gibt eine gute Nachricht für Kandidaten: Geringere Einstiegsgehälter werden nach unserer Erfahrung für Positionen im Beteiligungsgeschäft nicht bezahlt. Frauen haben inzwischen sogar eine stärkere Verhandlungsposition als männliche Konkurrenten. Startups können keine geringeren Gehälter zahlen, da sie auch in volatilen Zeiten für gute Kandidaten attraktive Gehaltspakete inklusive Beteiligungsoptionen anbieten müssen, um eine Wechsel-bereitschaft zu motivieren.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Zum Interviewpartner:

Dr. Thomas K. Heiden ist Geschäftsführer der heiden associates Personalberatung, die seit Jahren schwerpunktmäßig Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften in der DACH-Region sowie deren Portfoliounternehmen beim Management-Audit und im Executive Search berät.