„Die Transformation des Mittelstandes wird nur mit Beteiligungskapital funktionieren“

Adventsgespräch mit Ulrike Hinrichs, Bundesverband Beteiligungskapital

Adventsgespräch mit Ulrike Hinrichs, Bundesverband Beteiligungskapital
Adventsgespräch mit Ulrike Hinrichs, Bundesverband Beteiligungskapital

Bildnachweis: BVK/VC Magazin.

Mit dem Beschluss des Zukunftsfinanzierungsgesetzes erreichte die Private Equity- und Venture Capital-Branche einen Meilenstein für den Fondsstandort. Doch den Branchenverband treibt noch weitaus mehr um – ein Marktüberblick mit Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbands Beteiligungskapital.

VC Magazin: Wie bewerten Sie die aktuelle Marktsituation im Venture Capital- und im Private Equity-Umfeld?
Hinrichs: Wir haben die Rahmenbedingungen für die Branche in diesem Jahr sehr verbessert – mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz und dem Wachstumschancengesetz ebenso wie mit dem kürzlich verkündeten Final Closing des Wachstumsfonds in Höhe von 1 Mrd. EUR. Das sind viele positive Effekte, die wir in dieser Dichte so noch nicht erlebt hatten. Die Befreiung der Fondsverwaltungsleistungen von der Umsatzsteuer bietet den Fonds nun einen Anreiz, sich in Deutschland zu strukturieren. Auch ausländische Fonds könnte das motivieren. Einzig beim Thema Steuertransparenz gibt es noch Punkte zur Nachbesserung, um mit den europäischen Nachbarländern auf Augenhöhe zu gelangen. In Anbetracht der Rahmenbedingungen sind die aktuellen Zeiten demnach sehr gut, allerdings ist das Finanzierungsumfeld an sich momentan eher gedämpft.

VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie für die Branche im kommenden Jahr?
Hinrichs: Es kommen auf die Wirtschaft und die Industrie, letztlich in jeder Branche, zahlreiche Transformationsvorhaben zu, die finanziert werden müssen. Welche Branchen hier für Private Equity und Venture Capital relevant werden, wird das nächste Jahr entscheiden. Eine wichtige Rolle wird hierbei auch der politische Haushalt spielen, der Signale an die Industrie und damit an die Investoren sendet.

VC Magazin: Erste Marktstimmen vermelden einen Rückgang hinsichtlich der Impact- und Nachhaltigkeitsinvestments, die seit Corona einen Hype erfahren. Wie nehmen Sie die Stimmung dazu im Markt wahr?
Hinrichs: Aus meiner Sicht ist die Investitionsbereitschaft in Impact- und Nachhaltigkeitsthemen nach wie vor sehr hoch und wir werden keinen Rückgang erleben. Es gibt für diese Zukunftsthemen an sich auch kein Zurück mehr! Ich gehe stark davon aus, dass dieser Bereich immer weiter an Fahrt aufnimmt und wachsen wird. Auch als Verband gehen wir hier vorwärts und starten kommendes Jahr die German Impact Investing Initiative mit einer eigenen Website und zusätzlichen Instrumenten, an denen wir derzeit arbeiten. Dieses Zukunftsthema betrifft nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa, die gesamte Welt – und allein deshalb werden die Investitionen in diesem Segment immer weiter zunehmen.

VC Magazin: Wie sehen Sie die Branche hinsichtlich Diversität mittlerweile aufgestellt? Welche Herausforderungen beobachten Sie?
Hinrichs: Wir befinden uns auf einem Weg der Veränderung. Ich habe unzählige Gespräche mit unseren Mitgliedern geführt, die mich nach Investorinnen gefragt haben, um ihren Frauenanteil im Partnerkreis zu erhöhen. Als ich vor zehn Jahren in dieser Branche anfing, konnte man die Partnerinnen an einer Hand abzählen. Hier hat sich seither viel getan. Allein bei unseren Investorinnenfrühstücken treffen wir mindestens 30 Investorinnen und doppelt so viele Anwältinnen – diese Gruppe wächst zunehmend. Auch die veränderten Rahmenbedingungen durch die fortschreitende Digitalisierung bringt Bewegung in die Thematik und ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ist nicht mehr nötig, für eine Transaktion in die USA zu reisen – man kann mit demselben Arbeitsaufwand, aber deutlich weniger Reisen mittlerweile mehr von Zuhause aus gestalten. Das hat Auswirkungen auf die Branche. Ebenso fruchten die Initiativen in der Fort- und Weiterbildung. Allerdings lehne ich eine generelle Frauenquote ab.

VC Magazin: Das Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde beschlossen und tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft. Wie fällt Ihre Bewertung zum Gesetz aus? An welchen Stellschrauben planen Sie künftig für die Branche nachzubessern?
Hinrichs: Wir sehen das absolut positiv! Ich muss gestehen, mit der Umsatzsteuerbefreiung hatte ich nicht gerechnet, denn die Widerstände waren in den Jahren zuvor sehr stark. Diese Entscheidung haben wir letztlich dem Bundesfinanzminister zu verdanken. Ein wichtiger Punkt, an dem wir bereits seit einiger Zeit arbeiten und der weiter verstärkt auf unserer Agenda steht, ist die Steuertransparenz. Es gibt einige Steuerverfahren in den Finanzkommunen, die die Vermögensverwaltung hinterfragen, und das kombiniert mit einer Reform des Stiftungsrechts, mehr Private Equity- und Venture Capital-Investitionen in vermögensverwaltende Fonds zuzulassen, bedeutet einen Nachteil für uns. Hier müssen wir anpacken. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die Bürokratie nicht überhandnimmt. Die Berichtspflichten sind nicht zu unterschätzen, das darf nicht ausarten. Darüber hinaus planen wir derzeit die Kommunikation für die Transformationsfinanzierung im Mittelstand mit Private Equity, die wir uns für die nächste Legislatur politisch vornehmen. Als Verband ändern wir unser Narrativ: Wir sind nicht nur das Kapital, sondern das neue Kapital – von Chancen- über Transformationskapital bis hin zu Impact Investing.

VC Magazin: Im Licht des Zukunftsfinanzierungsgesetzes erhält ein anderes für die Branche relevantes Gesetz weit weniger Aufmerksamkeit: das Wachstumschancengesetz. Wie sehen Sie den Entwurf? Welche Chancen bietet er der Branche wirklich?
Hinrichs: Wir haben zum Wachstumschancengesetz Stellung bezogen und sehen darin eine Vielzahl von Verbesserungen, zum Beispiel beim Verlustabzug, der Stärkung der Forschungszulage sowie der Einführung einer Investitionsprämie. Bei der pauschalen Konzern- und Escape-Klausel gibt es allerdings noch einige Punkte zu überdenken. Grundsätzlich geht das Gesetz in die richtige Richtung und ist unter Berücksichtigung kleiner technischer Korrekturen positiv zu bewerten.

VC Magazin: Wer zählt derzeit zu Ihrer Mitgliederbasis, in welchem Bereich sehen Sie ein Wachstum?
Hinrichs: Wir haben immer mehr Zugang zu den Limited Partners, sprich Pensionskassen, Versicherungen und Versorgungswerken, sowie auch zu den kleineren Fonds mit Fokus auf den Mittelstand. Die Investitionszahlen haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt und es gibt einen großen Zuwachs an neuen Fonds im Ökosystem. Von der Relevanz her decken wir etwa 85% fondsseitig ab, im Venture Capital-Segment liegen wir etwas darunter, bei den LBOs hingegen erreichen wir nahezu alle im deutschen Markt aktiven. Den Akquisebereich haben wir personell aufgestockt und verzeichnen daher auch die entsprechenden Erfolge beim Mitgliederzuwachs.

VC Magazin: Mit welchen persönlichen Gefühlen gehen Sie ins nächste Jahr?
Hinrichs: Auf die Zukunft der Wirtschaft sehe ich mit sehr gemischten Gefühlen, wenngleich Deutschland ein doch sehr krisensicheres Land ist – das haben wir in der Pandemie gesehen und selbst bei den Kriegen und aktuellen Veränderungen. Wenn die Politik die Stellschrauben richtig setzt, sind wir weiter auf einem guten Kurs. Gelingt dies aber nicht, zerstreitet sich die Regierung und kommt es zu Neuwahlen, bin ich sehr skeptisch.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Janine Heidenfelder und Mathias Renz, VC Magazin.

Interviewpartnerin:

Ulrike Hinrichs ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbands Beteiligungskapital und Vorsitzende des Beirats Junge Digitale Wirtschaft.