Mutige Entscheidungen nötig

Kommentar zum M&A-Markt Deutschland 2024

Dr. Michael R. Drill, Lincoln Inter­national AG
Dr. Michael R. Drill, Lincoln Inter­national AG

Bildnachweis: Lincoln Inter­national AG.

Aufgrund steigender Zinsen, hoher Energiekosten, rückläufigen Konsums, schlechter Konjunkturprognosen und des anhaltenden Ukrainekonflikts hat die M&A-Aktivität deutscher Unternehmen 2023 stark gelitten. Insgesamt dürfte im laufenden Jahr die Deal-Anzahl im Midund Large Cap-Segment um etwa 35% regelrecht eingebrochen sein.

Die makroökonomischen und geopolitischen Rahmenbedingungen für das Transaktionsgeschäft dürften bis auf Weiteres leider sehr herausfordernd bleiben. Trotz der allgemein gedrückten Stimmung sprechen eine Reihe von Deal-Treibern dafür, dass M&A 2024 auf der strategischen
Agenda vieler deutscher Firmen stehen wird. Während in den letzten Jahren niedrige Zinsen, hohe Bewertungen und eine starke Euphorie den Markt prägten, stehen zukünftig andere Treiber für Unternehmensverkäufe und Akquisitionen im Vordergrund.

Exitwelle zu erwarten

Die zunehmende Globalisierung und die wachsende Bedeutung digitaler Geschäftsmodelle zwingt viele mittelgroße Unternehmen zu mutigen Akquisitionsstrategien oder aber zu einem Verkauf an einen größeren oder finanzkräftigen Partner. Kürzere Produkt- und Unternehmenszyklen, Herausforderungen im Kerngeschäft und gelegentlich vorangegangene Großakquisitionen erfordern von deutschen Großkonzernen eine ständige Prüfung ihres Unternehmensportfolios. Weitere Gründe für das immer schnellere „Drehen“ von Konzernportfolios sind der steigende Druck von aktivistischen Großaktionären sowie die latente Gefahr einer feindlichen Übernahme. Vor diesem Hintergrund können es sich viele Gesellschaften nicht mehr leisten, Portfolio-arrondierungen auf die lange Bank zu schieben. Zudem versuchen zahlreiche Unternehmen, mit gezielten M&A-Deals ihr ESG-Rating zu verbessern. Die Portfolios deutscher Private Equity-Firmen werden immer älter, weshalb hier in den nächsten Jahren mit einer Exit-Welle zu rechnen ist. Und schließlich ist zu beobachten, dass sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern zunehmend angleichen. Im Ergebnis ist für 2024 ein leichter Anstieg bei der Anzahl der Transaktionen zu erwarten.

M&A-Geschehen durch Käufermarkt geprägt

Der Großteil des M&A-Geschehens wird allerdings durch einen Käufermarkt geprägt werden. Nicht zuletzt aufgrund der abnehmenden Gewinndynamik vieler Unternehmen werden die Kaufpreismultiplikatoren weiter unter Druck kommen. Gleichzeitig werden M&A-Prozesse
im Regelfall mehr Zeit in Anspruch nehmen. Der Anteil grenzüberschreitender Deals wird im kommenden Jahr auf circa 75% weiter steigen. Wie in den Vorjahren werden Ausländer mehr Unternehmen in Deutschland akquirieren als umgekehrt. Wichtigste Käufer- und Target-Nation für deutsche Unternehmen bleiben die USA. Zu guter Letzt dürfte ein Großteil der Transaktionen im sogenannten Mid Cap-Segment stattfinden, während Large Cap-Deals im Milliardenbereich – wie etwa der Verkauf des Heizungsbauers Viessmann an den US-Wettbewerber Carrier Global – die Ausnahme darstellen werden.

Fazit

Nahezu alle Branchen werden von Fusionen und Übernahmen betroffen sein, wobei der Anteil konjunkturunabhängiger Branchen weiter zulasten der zyklischen Industriesektoren zunehmen wird. Überdurchschnittliche M&A-Aktivitäten sehen wir in den Bereichen Technology, Business Services und Healthcare, eine Sonderkonjunktur für M&A derweil bei Infrastrukturinvestments.

Über den Autor:

Dr. Michael Drill ist CEO Deutschland von Lincoln International, einer auf M&A-Beratung spezialisierten Investmentbank mit weltweit über 1.000 Mitarbeitern. Lincoln International verfügt über eigene Büros in den weltweit größten Volkswirtschaften. Im laufenden Jahr 2023 hat Lincoln International in der DACH-Region bereits 28 M&A-Transaktionen erfolgreich abgeschlossen.