Alles zurück auf null?

Die Finanzierung des Exits in nicht einfachen Zeiten

Dr. Thomas Derlin, GSK Stockmann
Dr. Thomas Derlin, GSK Stockmann

Bildnachweis: GSK Stockmann.

Erfolgreiche Exits waren noch nie einfach zu erreichen. Sie gestalten sich jedoch im
gegenwärtigen Marktumfeld für viele Wachstumsunternehmen („WUs“) noch schwieriger. Viele WUs sind im Rahmen der um sich greifenden Konsolidierung an einem Scheideweg: Entweder der Exit gelingt oder die Insolvenz droht. Das betrifft nicht nur chronisch unprofitable und/oder cashnegative WUs, bei denen oft ohnehin nur ein „Fire Sale“ in Betracht kommt – auch WUs, die (fast) profitabel sind, stehen zunehmend an diesem Scheideweg, und ein Exit gestaltet sich auch bei ihnen nicht einfach.

Bis zum Exit kann es durchaus drei bis sechs Monate oder länger dauern. Bis dahin muss das WU weiter finanziert werden, es sei denn, es trägt sich auch cashmäßig bereits vollständig selbst. Das ist eher selten der Fall. Auch wenn in der exitnahen Phase das WU oft auf Profitabilität „getrimmt“ wird, so ist für diese Phase doch häufig eine weitere Finanzierungsrunde erforderlich. Venture Debt oder eine sonstige externe Kreditaufnahme kommt hierfür eher selten in Betracht. Zumeist bleibt als Finanzierungsinstrument daher lediglich ein gesellschafterinternes Wandeldarlehen.

Risikotragung zu welchem Preis?

Hier stellt sich dann die entscheidende Frage, wer zur Gewährung eines solchen Wandeldarlehens bereit ist und zu welchem Preis. Größere Investoren wollen häufig, dass bei einem weiteren Investment zumindest die Rückzahlung ihres jeweiligen Gesamtinvestments im Exit-Fall abgedeckt sein muss. Oft wünschen sie zusätzlich eine Risikoprämie auf dieses konkrete und – wie alle hoffen – letzte Investment vor dem Exit. Zusätzlich besteht sehr oft der Wunsch, dass sich auch kleinere Investoren zumindest pro rata beteiligen sollen beziehungsweise es Konsequenzen nach sich zieht, wenn sie das nicht tun.

Gehen Investoren leer aus?

Im derzeitigen Marktumfeld werden oft ganz erhebliche Zugeständnisse beziehungsweise Incentivierungen für ein solches weiteres Wandeldarlehen verlangt. Das schließt nicht selten die Forderung einer vier- bis fünffachen nicht anrechenbaren Liquidationspräferenz mit ein. Wenn ein lediglich moderater Exit-Erlös oder sogar ein solcher im eher unteren Bereich zu erwarten ist, kann der sich aus dieser Liquidationspräferenz ergebende Betrag unter Umständen den gesamten Exit-Erlös aufbrauchen. Zusätzlich findet sich teilweise die Regelung, dass der jeweilige Investor zumindest in derselben Höhe wie der von ihm gewährte Wandeldarlehensbetrag auch mit seinem bisherigen Investment in die höchste Stufe aufrückt, und zwar gegebenenfalls mit der gleichen nicht anrechenbaren vier- oder fünffachen Liquidationspräferenz („Move-up“). Diese Regelungen können dazu führen, dass die Investoren mit ihrem gesamten oder einem sehr großen Teil ihres bisherigen Investments leer ausgehen. Vor ein paar Jahren wären solche Regelungen – jenseits von Fire Sales, um die es hier gerade nicht geht – kaum denkbar gewesen. Schon eher geläufig ist die Regelung, dass Investoren, die nicht mitgehen, ihre Liquidationspräferenz verlieren (letztlich also eine Spielart des „pay to play“). Allerdings wird hier teilweise gefordert, dass jeder Investor einen bestimmten Prozentsatz des bisherigen Investments oder sogar noch einmal denselben Betrag des gesamten bisherigen Investments erneut investieren soll, wenn dieser seine Liquidationspräferenz behalten möchte.

Und die Gründer?

Besonders ungünstig sieht es bei solchen Forderungen für die Gründer aus, da sie in der Regel Common Shares halten. Ohne die Gründer kann ein Exit jedoch nur schwer gelingen. Zunehmend anzutreffen sind derzeit daher sogenannte Gründer-Carve-outs. Auf die
Einzelheiten dieses Konzepts kann hier nicht eingegangen werden: Im Prinzip wird hierdurch ein Teil des Exit-Erlöses außerhalb der Liquidationspräferenz an die Gründer ausgezahlt und damit letztlich umverteilt. Teilweise wird den Gründern zusätzlich oder alternativ vorgeschlagen, auf einer höheren nicht anrechenbaren Liquidationspräferenz als die Investoren zu investieren.

Rechtliche Verpflichtung oder rein wirtschaftliche Verhandlung?

In den meisten Fällen gibt es keine rechtliche Verpflichtung, solchen Forderungen zuzustimmen. Anders mag es teilweise sein, wenn zwischen den Gesellschaftern eine Pay to play-Regelung vereinbart wurde; jedoch folgt aus dieser keine Zustimmungspflicht zu vier- bis fünffachen Liquidationspräferenzen oder Move-ups. Auch besteht in aller Regel keine Schadensersatzpflicht von Investoren, die dem nicht zustimmen. Allerdings hilft es wirtschaftlich niemandem, wenn mangels Zustimmung die für die Zeit bis zum Exit erforderliche Finanzierung ausbleibt. In den meisten Fällen geht es um eine rein wirtschaftliche Verhandlung. Auch Frühphaseninvestoren können von solchen Liquidations-präferenzen und Move-ups durchaus profitieren und sollten solche Vorschläge genau abwägen, einschließlich einer Einschätzung der Exit-Wahrscheinlichkeit. Wichtig scheint, dass durch solche Regelungen keine „Spirale“ ausgelöst werden sollte, bei der es später zu noch weiteren Runden mit gegebenenfalls noch höheren Liquidationspräferenzen und extremeren Move-ups kommt, weil der Exit weiterhin nicht in Sicht ist. Deshalb sollte der Gesamtbetrag eines solchen Wandeldarlehens möglichst einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten abdecken, gegebenenfalls mit rein zeitlich gestaffelter Auszahlung.

Fazit

Es ist ratsam, die gegebenenfalls erforderliche Finanzierung des Exits vor dem Eintritt in die eigentliche Exit-Phase zu vereinbaren. Exit-Prozesse können sehr herausfordernd sein. Es ist überaus ungünstig, wenn Verteilungsdiskussionen in der eigentlichen Exit-Phase stattfinden.
Auch Frühphaseninvestoren sollten darauf vorbereitet sein, genügend liquide Rücklagen zu haben, um bei einem solchen „Endspiel“ gegebenenfalls mitgehen zu können – denn Fälle dieser Art werden in der nächsten Zeit wohl eher noch zunehmen. Sie sollten sich den aus Sicht der Venture Capital-Investoren durchaus verständlichen Konditionen für eine solche Finanzierung nicht von vornherein verschließen, da auch sie davon gegebenenfalls profitieren können.

Über den Autor:

Dr. Thomas Derlin, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei GSK
Stockmann. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Corporate/M&A, Venture Capital sowie Private Equity.