
Bildnachweis: rEnergy Partners, Görg, Allianz & Munich Re, VentureCapital Magazin.
Im Januar 2025 gab Intel bekannt, seine Corporate Venture Capital (CVC)-Einheit Intel Capital auszugliedern und in eine unabhängige Investmentfirma zu überführen, die künftig Kapital von externen Investoren akquirieren soll. Dieser Schritt ist Teil einer umfassenden Restrukturierung des Unternehmens. Seit seiner Gründung im Jahr 1991 galt Intel Capital als eine der ersten CVC-Einheiten weltweit und diente vielen als Vorbild für ihre CVC-Aktivitäten.
Ähnlich wie Intel richten derzeit viele Unternehmen ihre CVC-Strategie neu aus oder stellen ihre Beteiligungsaktivitäten gänzlich ein. So gab es in jüngster Zeit international wie national zahlreiche vergleichbare Meldungen – zum Beispiel von Anglo American, FMC, ZF.
Rückgang der CVC-Aktivitäten in Deutschland
Eine Analyse der Investmenttätigkeiten 66 deutscher CVC-Einheiten anhand von PitchBook-Daten zeigt: Viele Unternehmen haben ihre Aktivitäten über mehrere Jahre hinweg teils erheblich reduziert. Zwar blieb die durchschnittliche jährliche Anzahl an Investments über alle analysierten Einheiten hinweg in den letzten fünf Jahren stabil. Doch gab es bei fast der Hälfte eine signifikante Aktivitätsverringerung im letzten Jahr: 29 Einheiten (44%) haben im Jahr 2024 maximal ein Investment getätigt, zwölf Einheiten (18%) gar kein Investment mehr.

Ursachen des Rückgangs
Die Gründe für die schwindende CVC-Tätigkeit sind vielschichtig, wobei vor allem unternehmensinterne Faktoren eine Rolle spielen dürften:
- Konzentration auf das Kerngeschäft,
- wirtschaftliche Herausforderungen sowie
- Kurswechsel aufgrund von Zweifeln am finanziellen oder strategischen Mehrwert von CVC-Aktivitäten.
Viele Marktteilnehmer stehen vor der Frage, wie sie mit bestehenden Beteiligungsportfolios umgehen sollen und welche Fallstricke es zu vermeiden gilt.
Zielkonflikte bei der Abwicklung bestehender Portfolios
Unternehmen, die ihre CVC-Aktivitäten einstellen möchten, sollten sich darüber im Klaren sein, welches Hauptziel sie verfolgen:
- die Minimierung des weiteren Managementaufwands und entsprechende
Reduktion der internen Ressourcen, - die Maximierung zukünftiger Ertragspotenziale, auch wenn dies einen langsameren Ausstieg bedeutet oder
- einen schnellen und umfassenden Ausstieg.
Handlungsoptionen für Unternehmen
Die Wahl der passenden Strategie hängt von der individuellen Priorisierung der genannten Ziele und der Performance des Beteiligungsportfolios ab. Dabei zeigen sich im Wesentlichen fünf Handlungsoptionen:
1. Passives Portfoliomanagement
Die Start-up-Beteiligungen bleiben bis auf Weiteres in der Bilanz des Unternehmens; Ressourcen und Aufwand für das Management der Beteiligungen werden aber auf ein Minimum reduziert. Der Exit des Portfolios wird nicht aktiv betrieben und erfolgt entsprechend opportunistisch (etwa bei Exit aller Investoren eines Start-ups).
2. Aktives Portfoliomanagement mit selektiven Exits
In der aktiven Variante wird der zügige, proaktive Abverkauf der einzelnen Beteiligungen (als sogenanntes Secondary) priorisiert, gegebenenfalls unterstützt durch einen Berater. Beim Verkauf von Einzelbeteiligungen sind allerdings regelmäßig Zustimmungen des Start-ups beziehungsweise der anderen Gesellschafter einzuholen. Andernfalls können Vorerwerbsrechte (Right of First Refusal) und Mitverkaufsverpflichtungen (Co-Sale beziehungsweise Tag-along) einen Beteiligungsverkauf praktisch unmöglich machen, jedenfalls soweit in der jeweiligen Gesellschaftervereinbarung kein privilegiertes Verkaufsrecht (Privileged Transfer) vereinbart ist.
3. Verkauf des gesamten Beteiligungsportfolio
Anders als ein Verkauf von Start-up-Beteiligungen löst der Verkauf einer Beteiligungsgesellschaft inklusive Portfolio meist keine Zustimmungserfordernisse aus, da entsprechende Change of Control-Rechte in der Regel nicht bestehen. Aber auch ohne CVC-Beteiligungsgesellschaft dürfte der Verkauf des gesamten Portfolios in vielen Fällen ein privilegiertes Verkaufsrecht auslösen oder zumindest gestaltbar sein. Aus finanzieller Sicht ist zu beachten, dass ein Portfolioverkauf oft nur zu signifikanten Abschlägen auf die zuletzt durch die Portfolio-Start-ups erzielten Bewertungen möglich sein dürften.
4. Transformation in einen unabhängigen Venture Capital-Fonds
Das ehemalige CVC-Team wird zu einer eigenständigen Wagniskapitalfirma, was insbesondere in Bezug auf die regulatorischen Anforderungen einen gewissen Vorlauf voraussetzt. Das ursprüngliche Unternehmen agiert hierbei regelmäßig als Ankerinvestor oder zumindest als einer von mehreren Investoren (Limited Partner). Diese Option dürfte außerdem ein hochwertiges Portfolio und zunächst ein weiteres finanzielles Engagement des Unternehmens voraussetzen.
5. „Shareholding as a Service“
Schließlich ist die Übertragung des Portfolios an einen Dienstleister, der das Portfolio weiter verwaltet, eine denkbare Option. Dies erlaubt Unternehmen, die Beteiligungen aus der eigenen Bilanz zu bereinigen, während gewisse Rechte, zum Beispiel die Partizipation am Erlös zukünftiger Exits, erhalten bleiben.
Fazit
Die Einstellung von CVC-Aktivitäten erfordert eine strategisch durchdachte Entscheidung. Unternehmen sollten sich zunächst über ihre Prioritäten klar werden und ihre Handlungsoptionen im Hinblick auf das bestehende Portfolio sorgfältig evaluieren. Ob passives Halten, selektives Exit-Management, kompletter Verkauf, externe Verwaltung oder Transformation – die richtige Strategie hängt von den spezifischen Unternehmenszielen und konkreten Rahmenbedingungen ab. Eine informierte Entscheidung sichert nicht nur den geordneten Rückzug, sondern kann auch dazu beitragen, verbliebene Wertpotenziale optimal zu nutzen.
Über die Autoren:
Sebastian Frech ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Görg in München. Er berät Tech-Unternehmen und ihre Investoren in den Bereichen M&A und Venture Capital.
Martin Sondenheimer ist Corporate Venturing-Experte mit Managementpositionen bei Allianz und Munich Re und als unabhängiger Advisor für Firmen im Rahmen der Neuausrichtung von Corporate Innovation- und Venturing-Aktivitäten tätig.
Ulrich Seitz ist Senior Advisor von rEnergy Partners und ehemaliger Geschäftsführer der BayWa r.e. Energy Ventures mit dem Schwerpunkt Resilienz der Energieversorgung und Infrastruktur.