
Bildnachweis: VR Equitypartner, Auctus, BayBG, Hannover Finanz, AvH.
Die Private Equity-Szene in Deutschland wartet weiterhin auf die Trendwende. In einem Umfeld aus heimischer Konjunkturschwäche, politischen Unwägbarkeiten und geopolitischen Krisen dominiert noch immer die Unsicherheit. Beteiligungsgesellschaften und (Portfolio-)Unternehmen agieren entsprechend zurückhaltend. Dennoch wächst die Hoffnung auf den Beginn der Markterholung noch im Jahresverlauf.
Weder die fallenden Leitzinsen noch die sinkende Inflation konnten bislang belebende Impulse setzen. Seit dem Rekordjahr 2021 sind die Investitionen von Beteiligungsgesellschaften in deutsche Start-ups und mittelständische Unternehmen rückläufig. Im Jahr 2024 sanken sie insgesamt um 13% auf 11,3 Mrd. EUR, wie die Statistik des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK) ausweist. Dabei gingen Buy-out-Investitionen gegenüber 2023 mit 5,5 Mrd. EUR um nahezu ein Drittel zurück, während sich Wachstumsfinanzierungen/Minderheitsbeteiligungen mit 2,4 Mrd. EUR (+4%) in etwa auf Vorjahresniveau behaupteten. Ein Lichtblick war das Venture Capital-Segment, das bereits wieder um gut 30% auf 3,4 Mrd. EUR zulegen konnte. „Deutschland befindet sich in einer strukturellen Krise. Dadurch sind die Geschäftsaussichten vieler Branchen aktuell belastet; strategische Planung ist eine Herausforderung“, erklärt Dr. Ingo Krocke, Vorstandssprecher des BVK und Geschäftsführer der Auctus Capital Partners AG mit Sitz in München. „Die Unsicherheit bremst vor allem potenzielle Verkäufer – und damit auch kaufbereite Investoren. Exit-Optionen bleiben rar, die Halteperioden von Portfoliounternehmen haben sich weiter verlängert, M&A-Prozesse verlaufen zäh. Insbesondere im Large Cap-Segment hemmt die hohe Risikosensibilität die Dealaktivität. Dabei durchläuft der Markt zwar eine ungewöhnlich langwierige, aber bislang milde Stagnationsphase. Die Stimmungsaufhellung im Private Equity-Segment war zum Jahresende 2024 bereits greifbar, Trumps Zollpläne haben sie aber vorerst im Keim erstickt. Trotzdem ist die Erholung nur eine Frage der Zeit.“
Bessere Rahmenbedingungen essenziell
Schließlich ist reichlich Kapital im Markt vorhanden, das investiert werden will. Außerdem konnten deutsche Beteiligungsgesellschaften laut BVK-Statistik 2024 mit 6,3 Mrd. EUR wieder mehr neue Mittel einwerben (2023: 6,0 Mrd. EUR). Buy-out-Fonds blieben mit 3,8 Mrd. EUR allerdings leicht unter dem Vorjahresniveau (4,1 Mrd. EUR). „Mit Sorge sehen wir als Verband den zunehmenden Rückzug internationaler Investoren – er ist das Spiegelbild der abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“, erklärt Krocke. „Zwei Beispiele: Abschreckend wirkt die Rechtsunsicherheit, die entstanden ist, indem einzelne Finanzämter den vermögensverwaltenden Status von Private Equity-Fonds in Deutschland infrage stellen. Abschreckend wirkt auch die regulatorische Überfrachtung einiger Themen – Unternehmertum wird in Deutschland durch zahllose Vorschriften und Berichtspflichten regelrecht schwer gemacht, sogar schwerer als von der EU vorgegeben.“ Auf politischer Ebene müssten deshalb zügig mutige Reformen angestoßen werden. Krocke: „Um nicht langfristig abgehängt zu werden, gilt es, von Ideologien zurückzufinden zu gesundem Menschenverstand. Ob beim Klimaschutz, bei der Regulierung oder bei Investitionen: Wir brauchen eine 80/20-Mentalität für Lösungen, die wirken – nicht solche, die nur auf dem Papier perfekt sind.“
Operative Optimierung im Fokus
„Die Erwartungen an die neue Bundesregierung sind groß“, bestätigt Peter Pauli, Geschäftsführer der BayBG mit Sitz in München. „Fachkräftemangel, Digitalisierung, Bürokratieabbau, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem und ein zukunftsfähiger Energiemix – das sind die wichtigsten Themen, die zügig und konsequent angegangen werden müssen, wie im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt.“ Angesichts der aktuell unsicheren Situationsvariablen setzt die BayBG im eigenen Beteiligungsportfolio derzeit auf operative Optimierung, um die Voraussetzungen für Wachstum zu schaffen, sobald die wirtschaftliche und politische Entwicklung wieder besser eingeschätzt werden kann. Die häufigsten Finanzierungsanlässe seien Nachfolge, Buy-out und strategische Käufe, Sprunginvestitionen dagegen eher selten. „Dank unserer Evergreen-Fondsstruktur können wir als langfristiger Sparringspartner agieren. Gleichzeitig sind wir investitionsbereit: Zur Stärkung der Eigenkapitalbasis für Wachstum und Innovation sind Minderheitsbeteiligungen und Mezzaninkapital derzeit besonders interessante Instrumente“, so Pauli. Mittelfristig erwartet er eine spürbare Belebung der Nachfrage nach Beteiligungskapital – vor allem angesichts des Restrukturierungsbedarfs der Wirtschaft, der wiederum aus technischem Fortschritt und der Notwendigkeit zur Erreichung der Klimaziele resultiert. „Mit der Markterholung sehen wir zudem vermehrt Einstiegsmöglichkeiten. Nachfolgeregelungen, strategische Neuausrichtungen und notwendige Anpassungen im Mittelstand werden zunehmen.“ Am eingeschlagenen ESG-Kurs wolle die BayBG mit Augenmaß, aber konsequent festhalten – im Sinne einer vorausschauenden Risikosteuerung und zur nachhaltigen Steigerung von Unternehmenswerten.
Transformationsdruck treibt Marktbelebung
Neben dem Konjunkturaufschwung erhofft sich die Branche eine rasche und belastbare Lösung im transatlantischen Zollkonflikt. „Das wäre ein wichtiges Signal für die exportorientierte Industrie hierzulande und den internationalen Handel. Unsere Erwartung ist, dass letztlich eine höhere Zollbelastung bleiben wird. Aktuell sind die Auswirkungen bei direkt bestehenden Lieferbeziehungen unserer Portfoliounternehmen noch begrenzt. Die Last der Zölle trägt schließlich zunächst der Leistungsempfänger“, erklärt Christian Futterlieb, Geschäftsführer von VR Equitypartner mit Sitz in Frankfurt. „Existieren lokal produzierende Wettbewerber, dann kann infolge der Zölle künftig entsprechender Preisdruck oder auch Kundenverlust entstehen. Standortentscheidungen zugunsten der USA werden aus unserer Erfahrung dann getroffen, wenn die USA absatzseitig ein für das jeweilige Unternehmen relevanter Markt sind.“ In vielen Fällen sei – seit jeher – die lokale Fertigung eine explizite Kundenvorgabe. Auch ohne die Zollthematik bestehe ein hoher Anreiz zur Produktion in den USA, wenn Kunde und Lieferant von der räumlichen Nähe profitieren. Insgesamt sieht Futterlieb durchaus positive Entwicklungen: „Der Private Equity-Markt hierzulande ist ruhig, aber nach wie vor funktionsfähig. Gute Unternehmen lassen sich auch weiterhin gut verkaufen.“ Auch mehren sich nach seiner Einschätzung die Signale, die auf eine Aufhellung im industriellen Umfeld hindeuten. Bei den Zyklikern wie im Maschinenbau bestünde die Chance auf einen Stimmungswechsel durch die politisch angekündigten Investitionspakete für Infrastruktur und Verteidigung. Daneben könnten Impulse durch Frieden und Wiederaufbau in der Ukraine sowie technologische Fortschritte – etwa in der KI-gestützten Automatisierung – zu mehr Zuversicht beitragen. Futterlieb ergänzt: „Es hat sich zudem gezeigt, dass ein Aufschieben von Nachfolgelösungen aufgrund temporärer Krisen nicht unbedingt sinnvoll ist, da sich gerade in den 2020er-Jahren ein Thema an das andere reiht.“
Private Equity als konstruktiver Partner gefragt
Als nach wie vor wesentlichen Treiber von Unternehmenstransaktionen erlebt Hannover Finanz-Chef Goetz Hertz-Eichenrode das Thema Nachfolge. „Auffällig ist, dass sich die Generationen, die sich mit der Übergabe beschäftigen, zunehmend verjüngen. Früher war es oft so, dass Unternehmer erst Mitte 70 aktiv wurden – häufig zu spät. Heute übernehmen immer mehr 50- bis 55-Jährige frühzeitig Verantwortung. Viele haben durch frühere Generationen oder aus eigenen Erfahrungen gelernt, wie eine Nachfolge nicht laufen sollte“, so der Manager. Dabei werde Private Equity zunehmend als konstruktiver Partner wahrgenommen, das Heuschreckenimage sei passé. „Die zentralen Themen im Mittelstand sind Resilienz, Wachstum und Digitalisierung sowie die Frage, wie man die richtigen Talente findet und hält. Zahlreiche Betriebe sind noch stark auf den Eigentümer zugeschnitten. Sie stehen vor erheblichen Transformationsaufgaben. Angesichts dieser Herausforderung wird im Zuge der Nachfolgeplanung neben Kapital auch Managementexpertise und operative Begleitung aktiv nachgefragt – hier setzen wir an“, erklärt Hertz-Eichenrode. Seine Gesellschaft bietet Portfoliounternehmen Unterstützung in Gestalt einer eigenen Beratungseinheit in Bereichen wie Organisation, Vertrieb und Personal. Dieses Alleinstellungsmerkmal werde immer wichtiger: „Bei den wenigen Unternehmen, die noch immer stabile zweistellige Multiples erzielen, ist der Investorenwettbewerb stärker als in ruhigen Zeiten.“
Family-backed Minority Equity im kommen
Dazu trägt auch bei, dass vermögende Privatinvestoren und Family Offices inzwischen häufiger erhebliche Summen in eigene Private Equity-Strukturen lenken oder direkt in Unternehmen einsteigen. Ein Beispiel für die zweite Strategie ist die börsennotierte Familienholding Ackermans & van Haaren (AvH) mit Sitz in Antwerpen. „Wir investieren als Minderheitsgesellschafter in familiengeführte Unternehmen. In Deutschland ist das Modell noch nicht so verbreitet wie bei seinen europäischen Nachbarn, es trifft aber in der aktuellen Marktphase auf großes Interesse bei seinen kapitalsuchenden Unternehmern: Sie behalten die Kontrolle, gewinnen aber längerfristig Handlungsspielraum für strategische Investitionen“, erklärt Inna Gehrt, Head of DACH bei AvH. „Gleichzeitig können sie Kapital sichern und den Exit auf ruhigere Zeiten in fünf bis zehn Jahren verschieben. Auch Teilverkäufe sind mit uns umsetzbar, anders als bei klassischen Private Equity-Fondsstrukturen. Als langfristiger Partner sind sie für Familienunternehmen jedoch häufig der bessere Fit“, zitiert Gehrt den Artikel von Peter May Consulting, Beratung, die sich auf Familienunternehmen spezialisiert. Allen Widrigkeiten zum Trotz bleibt Deutschland aus Gehrts Investorensicht ein attraktiver Markt: „Es ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einem im internationalen Vergleich exzellenten Bildungsstandard, was sich in der Qualität der Arbeitskräfte und der Managementstrukturen widerspiegelt. Überragend ist auch die Dichte an sogenannten Hidden Champions – sie bieten eine ideale Plattform für langfristige Investitionen.“ Der deutsche Mittelstand habe sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder an neue Bedingungen angepasst: in den 1970er-Jahren bei der Energie, in den 1990ern bei der Globalisierung und heute bei der Digitalisierung und Nachhaltigkeit. „Diese Resilienz ist Teil seines Erfolgsmodells“, so Gehrt. Sie ist zuversichtlich, dass der hiesige Private Equity-Markt noch im Jahresverlauf anspringt. Schließlich seien die politischen Unsicherheiten, die durch die Wahlen in den USA und Deutschland inklusive Koalitionsbildung vorherrschten, an den Märkten bereits eingepreist. „Transaktionen, die deshalb pausierten, werden bald wieder aufgenommen werden. Das lässt uns mit einem aktiveren dritten Quartal rechnen.“


