Omnibusverfahren und Aufweichung des ESG-Reportings

Kommentar

Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen
Dr Peter Güllmann, Bank im Bistum Essen

Bildnachweis: Bank im Bistum Essen.

Es geht nicht um Regulatorik – Es geht um Geld

Stellen Sie sich Folgendes vor: Aufgrund einer Gesetzesänderung müssten nur noch Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitenden und mehr einen ordentlichen Jahresabschluss erstellen. Kleineren Unternehmen wäre es freigestellt, ihre Einnahmen und Ausgaben gegenüberzustellen sowie Umsatz und Gewinn wahrheitsgetreu auszuweisen. Würden Sie als verantwortungsvoller Investor daraufhin gänzlich auf die Abfrage dieser Kennzahlen und damit auf eine Risikobewertung verzichten? Wohl kaum – schließlich sind Sie dem Erfolg verpflichtet. Und der beruht auf dem Vertrauen darauf, dass Sie alle relevanten unternehmensbezogenen Daten mit dem (perspektivischen) wirtschaftlichen Umfeld abgleichen, um kluge und zukunftsgerichtete Entscheidungen zu treffen. Entsprechend dieser Logik werden Banken und Investoren auch unabhängig von regulatorischen Pflichten Nachhaltigkeitskennzahlen abfragen: Denn CO₂-Emissionen, Müllmengen sowie nachhaltige Strategien und Lieferketten wirken sich unmittelbar auf die Gewinnerwartung und die Kapitaldienstfähigkeit von Unternehmen aus. Steigende CO₂-Preise werden beispielsweise die Kosten für Energieverbrauch und Müllentsorgung und damit die Betriebskosten in die Höhe treiben.

Negative Auswirkungen auf Wohlstand

Außerdem – und diese Perspektive bleibt häufig unbeachtet – wirkt sich nicht nachhaltiges Verhalten negativ auf unseren Wohlstand und damit die wirtschaftlichen Voraussetzungen in unserem Land aus. Laut Bundesumweltamt belaufen sich die gesellschaftlichen Kosten, also solche verursacht durch zum Beispiel Klimaschäden, Gesundheitsausgaben oder Ernteausfälle, pro Tonne CO₂ auf rund 300 EUR.

Nachhaltigkeit ist Existenzfrage

2023 emittierte Deutschland 673 Mio. Tonnen CO₂, verursachte also einen gesellschaftlichen „Schaden“ von mehr als 200 Mrd. EUR. Unternehmen, die nicht aktiv daran arbeiten, diese Kosten zu reduzieren, schaden also nicht nur sich selbst, sondern auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Banken und Investoren würden grob fahrlässig handeln, würden sie diese Tatsachen bei Kredit- und Investitionsentscheidungen ignorieren. Verluste wären dann nämlich programmiert und unsere stärkste Währung – das Vertrauen von Kunden und Anlegern – dahin. Nachhaltigkeit ist im Finanzsektor darum keine Paragrafen-, sondern eine Existenzfrage.

Über den Autor:

Dr. Peter Güllmann ist Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen und unter anderem verantwortlich für das Kreditgeschäft, Mikrofinanzierung und Nachhaltigkeit. Zudem ist er Vorsitzender des Rates für Wirtschaft und Soziales beim Bischof von Essen.