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Auch wenn das erste Halbjahr 2025 von Unsicherheit begleitet war: Der Innovationsmotor läuft. Neue Technologien wie KI und Klimatech treiben Gründungen voran, und trotz selektiver Finanzierung zeigen viele Start-ups bemerkenswerte Wachstumsstrategien. Investoren agieren fokussierter – und setzen vermehrt auf nachhaltige Modelle mit Substanz. Was die Akteure der Venture Capital-, M&A- und Start-up-Welt aktuell bewegt – und welche Chancen sie im zweiten Halbjahr sehen –, lesen Sie in unseren Sommerinterviews!
VC Magazin: Welche Rolle spielt Berlin aktuell im nationalen und internationalen Vergleich
als VC-Standort?
Robeck: Berlin hat sich in den vergangenen Jahren als unangefochtene Gründerhauptstadt
Deutschlands etabliert – mit über 5.000 Start-ups und rund 100.000 Beschäftigten ist
die Stadt ein zentraler Nährboden für Innovation und Unternehmertum. Auch im europäischen Vergleich gehört Berlin heute – neben London und Paris – zu den führenden Start-up-Hubs. Die Stadt punktet mit internationaler Offenheit, kreativer Energie und einem wachsenden Ökosystem aus Hochschulen, Kapitalgebern und Talenten. Technologie, Kunst und Subkultur treffen hier aufeinander – ein Umfeld, das Experimente zulässt und Innovationen fördert.
Unsere Aufgabe bei IBB Ventures ist es, genau dort zu unterstützen, wo der private Kapitalmarkt noch zögert – etwa in der besonders kritischen Frühphase. Deshalb starten wir im Herbst 2025 einen neuen Pre-Seed-Fonds in Höhe von 10 Mio. EUR, um wissenschaftsbasierte Deeptech-Ausgründungen gezielt mit Wandeldarlehen zu stärken. Ziel ist es, diese Gründungsteams frühzeitig zu stabilisieren und auf größere Finanzierungsrunden vorzubereiten. Zusätzlich wurde Berlin – gemeinsam mit Brandenburg – als EXIST Startup Factory „UNITE“ bestätigt. Damit stehen weitere 20 Mio. EUR für strukturellen Aufbau, Programme und Partnernetzwerke zur Verfügung. Insgesamt entsteht daraus ein starkes Momentum, um Berlin als europäischen Hotspot für Deeptech-Innovationen weiter zu positionieren.
VC Magazin: In welchen Branchen und Technologien sehen Sie aktuell besonders viel
Bewegung?
Robeck: In Berlin sehen wir aktuell besonders viel Bewegung und Gründungspotenzial in den Bereichen Künstliche Intelligenz (AI & ML), SaaS, Big Data sowie Cloudtech & DevOps. Diese Vertikalen gehören global zu den Top 5 nach VC-Dealwerten im Jahr 2025 und spiegeln sich auch in der Dynamik der Berliner Start-up-Szene wider. Vor allem im Bereich KI beobachten wir eine starke Gründungswelle – rund um multimodale Modelle und branchenspezifische B2B-Anwendungen. Für Investor:innen wird dabei die Unterscheidung zwischen echter technologischer Tiefe und reinen Feature-Produkten zunehmend relevant.

Darüber hinaus gewinnen Life Sciences, Fintech und Climatetech weiter an Attraktivität. Der Rückenwind kommt aus regulatorischen Entwicklungen, wachsendem ESG-Bewusstsein und belastbaren Geschäftsmodellen. Climatetech zeigt besonderes Wachstumspotenzial – etwa in Bereichen wie Carbon Capture oder e-Fuels. Life Sciences profitieren von der exzellenten Forschungslandschaft und der Charité als größtem Universitätsklinikum Europas. Im Fintech-Bereich sorgt der Netzwerk-Pull des House of Finance and Technology (HOFT) für wichtige Impulse.
VC Magazin: Wie fällt Ihre Bilanz für das erste Halbjahr 2025 aus?
Robeck: Insgesamt ziehen wir eine positive Halbjahresbilanz. Besonders hervorzuheben sind die Finanzierungsrunden von Lumoview und der Deutschen Sanierungsberatung (DSB) – zwei Start-ups, die beispielhaft für Berlins Stärken in der Digitalisierung und Dekarbonisierung des Gebäudesektors stehen. Lumoview, eine Ausgründung aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, bietet eine neuartige Technologie zur schnellen Gebäudedatenerfassung. DSB erleichtert über eine digitale Plattform den Zugang zu energetischer Sanierung – ein drängendes Thema mit hoher gesellschaftlicher Relevanz. Beide Cases zeigen: Berlin ist im Climatetech-Bereich gut aufgestellt und bietet Investoren spannende Einstiegsmöglichkeiten.
VC Magazin: Welche Impulse wünschen Sie sich für das zweite Halbjahr?
Robeck: Wir wünschen uns, dass der neue Pre-Seed-Fonds von möglichst vielen Gründungsteams aktiv genutzt wird – als Türöffner für frühe, wissenschaftsnahe Innovationen. Darüber hinaus braucht es eine starke Community, die neue Gründer:innen nicht nur finanziell, sondern auch mit Know-how, Zugang zu Netzwerken und Informationen über Förderprogramme unterstützt. Wenn Kapital, Forschungsexzellenz und ein offenes Ökosystem noch enger zusammenwirken, kann Berlin seine Rolle als Deeptech-Standort langfristig stärken.
Ein zentrales Thema bleibt Diversität in Gründungsteams. Gerade im Tech-dominierten Bereich sehen wir weiterhin einen hohen Anteil männlich besetzter Teams. Für nachhaltigen Unternehmenserfolg braucht es jedoch vielfältige Perspektiven – das müssen Gründer:innen, Investor:innen und Boards gemeinsam aktiv angehen.

Was Berlin besonders macht, ist die Größe und Vielfalt seines Ökosystems – das ist Chance und Herausforderung zugleich. Die Stadt ist dann erfolgreich, wenn alle Akteure erkennen: Wir sind gemeinsam mehr als die Summe unserer Teile. Nur durch Zusammenarbeit, Sichtbarkeit und geteilte Verantwortung kann sich das volle Potenzial entfalten.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch! Wir wünschen einen schönen Sommer!
Über die Interviewpartnerin:
Katrin Robeck ist Geschäftsführerin der IBB Ventures. Gemeinsam mit Markus Lehmann leitet sie die Berliner Venture Capital-Gesellschaft. Robeck hat Volkswirtschaft und Osteuropastudien an der FU Berlin und der University of Birmingham (UK) studiert und verfügt über umfassende Managementskills aus ihren bisherigen beruflichen Stationen. Robeck war zuletzt Geschäftsführerin der Corporate Service Einheit der Berlin.Industrial.Group.



