Ein Vierteljahrhundert Wachstum, Wandel und Weitsicht

Beteiligungsmarkt im Überblick

Dr. Ingo Krocke, BVK/Auctus
Dr. Ingo Krocke, BVK/Auctus

Bildnachweis: BVK.

Seit 25 Jahren begleitet das VentureCapital Magazin die Entwicklung von Venture Capital und Private Equity in Deutschland – stets als ein wichtiger Impulsgeber für den Austausch zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern, Investoren, Politik und Öffentlichkeit. Auch wir als Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) blicken im Jubiläumsjahr auf mehr als ein Vierteljahrhundert Branchenerfahrung zurück und ziehen Bilanz: Die vergangenen 25 Jahre waren geprägt von Euphorie und Krisen, von Aufstieg und Rückschlägen, von Regulierung und Förderung – und von einem beispiellosen Wachstum, das die Branche grundlegend verändert hat.

Vom Boom zum Einbruch – und zurück

Der Ausgangspunkt dieser Reise liegt im sogenannten Neuen Markt. Ende der 1990er-Jahre erlebte Deutschland eine beispiellose Gründungs- und Börseneuphorie, die jungen Unternehmen und Start-ups erstmals den Zugang zum großen Kapitalmarkt eröffnete. Doch im März 2000 platzte die „Dotcom-Blase“ – zahlreiche Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften verschwanden. Der Schock war groß und die Folgen lange spürbar. Gleichzeitig legte diese Krise den Grundstein für eine neue Phase der Professionalisierung: Neue Player traten auf, entwickelten klare Strategien und schufen stabile Strukturen. Deutschland wurde zu einem der attraktivsten Märkte für Beteiligungskapital in Europa, und die Investorenlandschaft diversifizierte sich stark über die klassischen internationalen Kapitalsammelstellen hinaus hin zu einem breiten Spektrum von institutionellen Anlegern und zunehmend auch Family Offices. So entstand Schritt für Schritt ein dynamisches Ökosystem, das heute vielfältiger, internationaler und robuster ist als je zuvor.

25 Jahre in Zahlen – Vom Gründungsboom zur Etablierung

Die Entwicklung lässt sich eindrucksvoll in Zahlen fassen: Um die Jahrtausendwende gab es in Deutschland knapp 200 Beteiligungsgesellschaften, heute sind es über 550. Während das Investitionsvolumen im Jahr 2000 erstmals die Marke von 4 Mrd. EUR überschritt, erreichte
es 2021 einen Rekordwert von 20 Mrd. EUR und lag 2024 immer noch bei über 14 Mrd. EUR. Auch die Fondsdimensionen haben sich dramatisch verändert: Vor 25 Jahren waren dreistellige Millionenbeträge die Ausnahme, heute bewegen sich die größten Fonds deutscher Gesellschaften jenseits der Milliardengrenze. Parallel dazu hat die Internationalisierung rasant zugenommen – wo im Jahr 2000 nur wenige ausländische Investoren aktiv waren, verfügen inzwischen zahlreiche globale Private Equity- und Venture Capital-Häuser über eigene lokale Teams vor Ort.

Wegmarken der Branche

Das Wachstum der Branche wäre ohne politische und regulatorische Weichenstellungen nicht denkbar gewesen – die vergangenen 25 Jahre zeigen, wie stark gerade diese Faktoren die Entwicklung beeinflusst haben:

  • 2003: BMF-Erlass gibt der jungen Branche Rechtssicherheit, die trotz immer noch bestehender Standortnachteile im Vergleich zum europäischen Ausland ein 15-jähriges starkes Wachstum bewirkt
  • 2004/2005: Start des ERP/EIF-Dachfonds und Gründung des High-Tech Gründerfonds als Frühphaseninstrument
  • 2008: Inkrafttreten des Wagniskapitalbeteiligungsgesetzes (ohne nachhaltige Wirkung; wurde 2013 wieder aufgehoben) und Rückzug der KfW aus direkten Fondsinvestments
  • 2011: Einführung der AIFM-Richtlinie, die erstmals europaweit alternative Anlagen regulierte – darunter Private Equity und Venture Capital
  • 2013: Start der EuVECA-Verordnung als spezieller europäischer Rahmen für Venture Capital-Fonds
  • 2016: Gründung von coparion als weiterem Wachstumsinstrument
  • 2018: Rückkehr der KfW Capital in den Markt
  • 2020: Start des Zukunftsfonds mit 10 Mrd. EUR bis 2030 für Technologieunternehmen
  • 2022/2023: Auflage des DeepTech & Climate Fonds sowie das Final Closing des Wachstumsfonds Deutschland (1 Mrd. EUR)
  • 2023: nach langer Vorarbeit des BVK wurde mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz endlich die Umsatzsteuer auf die Management Fee der Fonds abgeschafft und damit ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil gegenüber europäischen Fonds beseitigt
  • 2024: Start der WIN-Initiative zur Mobilisierung privaten Kapitals

Parallel dazu prägten auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen das Umfeld der Branche nachhaltig: von der Heuschrecken-Debatte im Jahr 2005 (jeder in der Branche erinnert sich!) über die Finanz- und Eurokrise, die Niedrigzinsphase, die Coronapandemie bis hin zuletzt zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Aus der Defensive in die Offensive

Heute zeigt sich die Branche stärker und selbstbewusster denn je. Private Equity und Venture Capital sind längst keine Randerscheinung mehr, sondern fester Bestandteil institutioneller Portfolios und zentrale Bausteine der Unternehmensfinanzierung. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich das Bild gewandelt: Mussten Politik und Medien vor 25 Jahren noch für das Thema sensibilisiert werden, ist das Wissen heute breiter verankert. Vorurteile sind seltener geworden – aus der „Heuschrecke“ ist vielerorts eine „Freuschrecke“ geworden. Namen und Gesichter führender Manager sind längst über die Fachwelt hinaus bekannt. Und auch die Politik hat ihren Kurs geändert: vom anfänglichen Zögern hin zu einer klaren Unterstützung, vor allem im Bereich Venture Capital, wo gezielte Fördermaßnahmen den Zugang zu Kapital erleichtert haben.

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Offene Baustellen und neue Chancen

Mit der gestiegenen Bedeutung treten die Herausforderungen jedoch deutlicher hervor: Noch immer liegt das Engagement deutscher institutioneller Investoren im europäischen Vergleich unter dem Durchschnitt. Um das Innovationspotenzial des Standorts zu heben, braucht es mehr Kapital aus heimischen Quellen. Hinzu kommt ein steuerlicher Standortnachteil: Während andere Länder früh attraktive Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit geschaffen haben, kämpft Deutschland seit einigen Jahren wieder mit gravierenden Wettbewerbsnachteilen. Nur wenn es gelingt, international konkurrenzfähige Bedingungen herzustellen, entsteht ein echtes Level Playing Field – und die Chance, das Wachstum der vergangenen Jahre langfristig zu verstetigen. Gleichzeitig sind die Perspektiven vielversprechend – Digitalisierung, die grüne Transformation sowie Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz oder Biotechnologie eröffnen enorme Chancen für Unternehmen und Investoren gleichermaßen. Um diese Potenziale zu nutzen, müssen Politik, Kapitalgeber und Unternehmer enger denn je zusammenarbeiten.

Resümee: Volle Kraft voraus in die nächsten 25 Jahre!

Die vergangenen 25 Jahre waren von Euphorie und Krisen, von Aufstieg und Rückschlägen sowie von Regulierung und Förderung geprägt. Sie haben gezeigt: Venture Capital und Private Equity sind längst mehr als ein Randthema. Aus einer jungen, krisenanfälligen Nische ist ein professionelles, vielfältiges und für die deutsche Wirtschaft unverzichtbares Ökosystem geworden – ein Partner, der Innovationen ermöglicht, Arbeitsplätze schafft und Unternehmen durch Transformationen begleitet. Damit diese Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden kann, braucht es stabile Rahmenbedingungen, international wettbewerbsfähige Regeln und ein stärkeres Engagement heimischer Investoren. Denn die kommenden Jahrzehnte halten enorme Chancen bereit: von der Digitalisierung und dem Klimaschutz bis hin zu technologischen Sprüngen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Biotechnologie. Aber reines Kapital zu investieren, reicht angesichts der stark gestiegenen internationalen Herausforderungen nicht mehr – vielmehr braucht es smartes Kapital mit Erfahrung. Wenn Politik, smartes Kapital und Unternehmergeist Hand in Hand gehen, kann Deutschland seine Stärken ausspielen und die Branche kann ihre Rolle als Wachstumsmotor weiter festigen. Nur Mut!

Über den Autor:

Dr. Ingo Krocke ist Vorstandssprecher des Bundesverbandes Beteiligungskapital (BVK). Er begann seine Karriere bei Procter & Gamble und sammelte Erfahrungen im Beteiligungsgeschäft bei Apax Partners sowie als Mitgründer von Wellington Partners. 2001 gründete er Auctus. Sein Fokus liegt auf Medizintechnik, Konsumgütern, Handel, IT sowie wachstumsstarken Geschäftsmodellen.