Bildnachweis: Hoffotografen, Feri, VentureCapital Magazin, Pixabay, Yielco Investments, Lazard’s Global Financial Sponsors Group, Drake Star Partners, Riverside.
Der Aufstieg der Finanzinvestoren hat die Unternehmenskultur in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig verändert. Private Equity-Manager und Venture Capital-Fonds können auf eine beispiellose Erfolgsbilanz blicken – es gab aber auch Übertreibungen. Jetzt steht die Branche vor neuen Herausforderungen.

In den USA schlug die Geburtsstunde von Private Equity mit der Übernahme und Zerschlagung des Lebensmittel- und Tabakkonzerns RJR Nabisco durch Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) im Jahr 1988. Hierzulande verlief die Entwicklung zunächst geräuscharm, am Anfang stand zumindest kein spektakulärer Mega-Deal. „Einen echten ,Urknall‘ hat es in der deutschen Beteiligungsbranche nicht gegeben – vielmehr handelte es sich um eine schrittweise Entwicklung über mehrere Jahrzehnte hinweg“, erläutert Ulrike Hinrichs, Vorstandssprecherin des Branchenverbands BVK in Berlin. In den 1980er-Jahren hätten sich die ersten Mittelstandsinvestoren aus Banken heraus entwickelt und die ersten Venture Capital-Gesellschaften seien entstanden.
Schneller, höher, weiter

Der Aufstieg der Private Markets liegt am stetig wachsenden Geldvermögen. Außerdem haben die Anleger am Neuen Markt und in der Finanzkrise 2008 die Notwendigkeit gesehen, stärker zu diversifizieren. „Und parallel dazu nahm das Wissen über die Alternatives zu, weil sich die Medien mehr damit befassten. Das Potenzial ist riesig, denn 95% der Firmen in Europa sind nicht börsennotiert“, sagt Nicole Grützmacher, Direktorin und Senior Alternative Investment Specialist beim Vermögensverwalter Feri. Allerdings hatten die Finanzinvestoren von Anfang an ein Image-Problem. Die Zerschlagung im Fall von RJR Nabisco war Vorlage für den Bestseller „Barbarians at the Gate“, und in Deutschland stieß der damalige SPD-Chef Franz Müntefering die „Heuschreckendiskussion“ an. Manche Finanzinvestoren vernichteten Arbeitsplätze und fielen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasten sie ab und zögen weiter, lautete sein Vorwurf. BVK-Sprecherin Hinrichs erinnert sich: „Die Heuschrecken-Debatte hat damals ausgehend von Halbwissen und Vorurteilen eine Welle von Misstrauen und Skepsis gegenüber unserer Branche ausgelöst. Viele Menschen setzten Beteiligungskapital mit kurzfristigem Gewinnstreben und rücksichtslosen Investoren gleich – ein kurzsichtiges und stark vereinfachtes Bild, was der Realität nicht entspricht. Lange Zeit mussten wir als Branche daran arbeiten, dieses Vorurteil zu beseitigen.“ Heute ist die Branche in Deutschland etabliert und laut dem BVK Partner von mehr als 1,6 Millionen Beschäftigten in 6.000 Portfoliounternehmen mit einem Gesamtumsatz von fast 300 Mrd. EUR. Dabei gibt es nicht die eine Erfolgsformel für den Aufstieg der Finanzinvestoren, sondern mehrere Gründe spielten eine Rolle.

Hohe Renditen

Die vergangenen beiden Dekaden waren geprägt von langen Phasen mit sehr niedrigen Leitzinsen – entsprechend schwierig war es für die Pensionskassen, Versorgungswerke und Versicherungen, mit Anleihen gute Erträge zu erzielen. Gleichzeitig gab es an den Aktienbörsen hohe Kursschwankungen, etwa während der Coronapandemie. Daher wurden die „Private Markets“ immer wichtiger – und die Renditeaussichten bleiben gut. Für große und sehr große Buyout-Fonds erwarte man durchschnittlich immer noch über den typischen Gewinnschwellen von 8% liegende Renditen, sagt María Sanz García, Head Private Equity bei Yielco Investments. Die Netto-Kapitalmultiplikatoren hier dürften im Bereich des 1,5- bis 1,7-Fachen des eingezahlten Kapitals liegen. „Für stärker operativ tätige Manager im kleineren und mittleren Segment, wir sprechen hier von Value-Transaktionen, gehen wir von einer deutlich stärkeren Performance aus. Wir erwarten hier Renditen im klar zweistelligen Bereich von circa 15% bis 17% IRR mit Kapitalmultiplikatoren von über dem Doppelten des investierten Kapitals“, ergänzt die Yielco-Expertin.
Größere Fonds

In den vergangenen Jahren sind die Fonds immer größer geworden – zweistellige Milliardenbeträge sind keine Seltenheit mehr. „Zum einen ist die Anzahl sowie die Größe der Fonds am Markt deutlich gestiegen, gleichzeitig hat die Akzeptanz bei Unternehmen und institutionellen Geldgebern kontinuierlich zugenommen“, sagt Klaus H. Hessberger, Managing Director bei der Investmentbank Lazard. Und die Branche sei heute deutlich stärker aufgefächert: Neben den klassischen Buyout-Fonds spielten zunehmend auch Staatsfonds und Infrastrukturfonds eine Rolle. „Große Marktteilnehmer decken heute das gesamte Spektrum ab, von Buyouts über Venture Capital bis hin zu Infrastruktur-investments. Zudem hat die Dynamik im Bereich Private Debt-Fonds den Markt vorangebracht: Fremdkapital ist heute deutlich leichter zu bekommen als noch vor 25 Jahren“, erläutert Hessberger, der auch weltweiter Co-Chef von Lazards Global Financial Sponsors Group ist.
Leuchtturmtransaktionen
Seit dem Jahr 2000 hat sich ein eigenes Ökosystem für Private Equity und Venture Capital entwickelt, das aus spezialisierten Kanzleien, PR-Agenturen und Investmentbankern besteht. Das ermöglichte milliardenschwere Transaktionen. Nach der Jahrtausendwende kauften Finanzinvestoren etwa ProSiebenSat.1, Tank & Rast, Auto-Teile-Unger (ATU) und Kion. „Zu den Meilensteinen im deutschen M&A-Markt der letzten 25 Jahre zählt unter anderem der Verkauf der Aufzugssparte von thyssenkrupp für einen zweistelligen Milliardenbetrag. Im Bereich Public-to-Private-Deals zählen die Deals um den Pharmakonzern Stada sowie die Parfümeriekette Douglas zu den relevanten Beispielen für die Rolle von Finanzinvestoren in Deutschland“, sagt Hessberger. Finanzinvestoren sind außerdem zu einer wichtigen Ertragsquelle für Investmentbanken geworden. Der Anteil am globalen M&A-Volumen liegt 2025 im bisherigen Jahresverlauf im Schnitt bei 45%, 2010 waren es 28%, und im Jahr 2000 waren es nur 9% gewesen.
Übertreibungen und Defizite
Von heiß gelaufenen Spekulationen blieben auch die Beteiligungsmanager nicht verschont. Spektakulär war sicher der Zusammenbruch des Neuen Markts um die Jahrtausendwende – und die massive Finanzierung mit Venture Capital. Zur Erinnerung: Der Technologieaktienindex Nemax 50 erreichte 2000 mit fast 10.000 Punkten ein Allzeithoch, bevor er schrittweise kollabierte und 2002 bei 318 Punkten landete. Pleiten, Pech und Pannen von Gigabell, ComRoad oder EM.TV beherrschten die Schlagzeilen. 20 Jahre später kam es zu einem ähnlichen Hype um die sogenannten Special Purpose Acquisition Companies (SPACs.) Diese Börsenmäntel galten als schnellerer Weg für private Unternehmen, auf den Kurszettel zu kommen, als traditionelle IPOs. 2021 erreichte die Spekulation mit über 600 SPACs ihren Höhepunkt. Die Begeisterung hielt jedoch nicht an. Bis 2022 sank die Zahl auf rund 85 und 2023 sogar auf rund 30. Die Gründe für den Kollaps waren schlicht eine zu hohe Anzahl an SPACS, die keine Übernahmeziele fanden, eine schlechte Performance nach dem Börsengang sowie die genauere Prüfung durch die Aufseher. „Letztlich kann man aus solchen Entwicklungen lernen, dass Märkte mitunter sehr schnell auf neue Trends reagieren und überhitzt werden können, wenn zu viele Investoren auf ein Thema aufspringen – und wie wichtig es ist, Investitionschancen differenziert zu bewerten“, meint Hessberger. Im Venture Capital-Bereich ist der Hype um die sogenannten Einhörner bemerkenswert, also Start-ups, die mit mindestens 1 Mrd. EUR bewertet werden.

„Der Hype entstand vor allem durch eine Phase extrem günstigen Kapitals, hohe Risikobereitschaft und Erfolgsgeschichten im Tech-Bereich. Investoren, Medien und auch die Politik feierten solche Bewertungen als Indikator für Innovationskraft“, sagt Ralf Philipp Hofmann, Managing Partner und Co-Gründer bei Drake Star. Inzwischen sei die Debatte differenzierter geworden. Es habe sich gezeigt, dass hohe Bewertungen nicht immer mit nachhaltigem wirtschaftlichem Erfolg einhergehen. „Dennoch bleiben Einhörner ein wichtiger Gradmesser dafür, wie konkurrenzfähig ein Start-up-Ökosystem auf internationaler Ebene ist. Der Fokus verlagert sich nun stärker auf Profitabilität und langfristige Skalierbarkeit – nicht nur auf Bewertungshöhen“, ergänzt Hofmann.

Obwohl die Beteiligungsbranche gerne mit Diversität wirbt, sieht die Realität eher eintönig aus. In den Führungspositionen finden sich in der Regel männliche, weiße Manager. „Zwar hat sich in den letzten Jahren viel getan, dennoch sind Frauen in Führungsrollen weiterhin unterrepräsentiert. Es fehlt oft an weiblichen Vorbildern, die nachkommende Talente inspirieren“, sagt Dörte Höppner, Managing Director bei Riverside.
Ausblick

Obwohl sich die Branche in Berlin in diesem Jahr mit dem Slogan „We are Super“ selbstbewusst wie immer zeigte, sind die goldenen Zeiten vorerst vorbei. Denn: „Während der Boomjahre 2015 bis 2022 wurden von der Private Equity-Industrie Portfolios zu relativ hohen Preisen und hohen Verschuldungsgraden aufgebaut“, erläutert Dr. Peter Laib, Aufsichtsratsvorsitzender bei Yielco. „Wir sprechen hier durchschnittlich von Einstiegspreisen in Bezug auf die Gewinne (EBITDA-Multiplikatoren) im klar zweistelligen Bereich und Verschuldungen oft im Bereich von über dem Sechsfachen der Gewinne. Zwischenzeitlich hat sich die Bereitschaft, solch hohe Preise und Verschuldungsgrade zu akzeptieren, deutlich reduziert. Wenn die Gewinne der Unternehmen sich seit dem Einkauf also nicht deutlich erhöht haben, sind diese kaum verkäuflich“, so Laib, der die Branche seit Jahrzehnten analysiert. Bei anstehenden Refinanzierungen der Schuldenlast könnten solche Unternehmen zusätzlich sogar in finanzielle Schieflage geraten. „Wir erwarten in den nächsten 18 Monaten eine insgesamt eher moderate Investitionsgeschwindigkeit. Es werden nur Unternehmen verkauft, die entweder sehr gute Ergebnisse erzielen, oder Unternehmen, die zwingend verkauft werden müssen“, glaubt Laib. Die künftige Wertgenerierung in den Transaktionen werde weniger stark von einem einfachen Leverage-Einsatz oder einer marktgetriebenen „Multiple-Expansion“ profitieren können. Unternehmen, die zwingend verkauft werden müssten, stellten dagegen großartige Möglichkeiten für Investoren dar. Zusätzlich sorgten staatliche Investitionsinitiativen und ein im Vergleich zu den USA tieferes Zinsniveau für Rückenwind. Zu den Faktoren, die die Branche in Zukunft revolutionieren werden, zählt zweifellos die Künstliche Intelligenz (KI). „KI verändert unsere Industrie bereits grundlegend. Sie verändert die Art, wie wir Investments identifizieren, bewerten und steuern. Somit ermöglicht KI schnellere, intelligentere und datenbasierte Entscheidungen“, sagt Franziska Kayser, Partnerin und Leiterin des TMT-Geschäfts in Europa bei KKR. „Unternehmen, die sich dieser Entwicklung verschließen, riskieren ihre Relevanz. Für uns bedeutet das: Wir müssen offen bleiben und uns kontinuierlich weiterentwickeln.“
Demokratisierung von Private Equity

Vor allem das schwieriger werdende Fundraising hat die Branche auf die Idee gebracht, dass man die Billionen Euro und Dollar der privaten Sparer anzapfen könnte – das Stichwort lautet Demokratisierung der „Alternatives“. Vorreiter waren zum Beispiel Plattformen wie Moonfare und Vermögensverwalter wie Liqid sowie Dachfondsanbieter. Besonderen Schub könnten die European Long-Term Investment Funds (ELTIFs) bringen. „ELTIFs können die Demokratisierung von Private Equity voranbringen – aber auch hier ist sehr auf die Qualität zu achten. Der Vorteil liegt in den niedrigen Einstiegspreisen von 1.000, 5.000 oder 10.000 EUR“, sagt Feri-Strategin Grützmacher. Noch kann die Nachfrage aber nicht mit dem gewachsenen Angebot mithalten. Vonseiten der Anbieter ist alles bereitet, um Privatanlegern den Einstieg in nicht börsennotierte Investments zu ermöglichen; jetzt müssten die Anleger den Einstieg wagen, meint Hosna Houbani, Senior Director Alternative Investments bei Scope Fund Analysis. Das ELTIF-Marktvolumen könnte bis Ende 2027 auf 65 Mrd. bis 70 Mrd. EUR anwachsen. Gut möglich also, dass am Ende die Privatanleger die goldene Ära für Private Equity und Venture Capital verlängern.
Der Artikel wurde von Peter Köhler verfasst.



