Neun Fragen an Martin Herdina von Wikitude

Wikitude

VC Magazin: Wie kam es zu der Idee für Ihr Start-up?

Herdina: Wikitude ist ein führendes Unternehmen im Bereich ‚Mobile Augmented Reality‘. Das heißt, wir können die Inhalte des Kamerabilds von Digitalkameras oder Mobiltelefonen analysieren und dynamisch passende Inhalte einblenden. Dies reicht von Location Based Services („Wo befindet sich der nächste Geldautomat“), Tourismus (dynamische Informationen über Sehenswürdigkeiten) bis hin zu Games oder Marketing-Aktionen, bei welchen Print-Magazine oder Inserate mittels Handy-Cam und Augmented Reality quasi lebendig werden. Die Idee dazu hatte unser Gründer Philipp Breuss-Schneeweis im Jahre 2009. Nachdem er sie prototypisch umgesetzt hat, konnte er bei der Google Android Challenge gleich einen der ersten Preise einheimsen. Das gewonnene Preisgeld war das erste Startkapital für die Firmengründung und Wikitude war geboren.

VC Magazin: Wie haben Sie erste Finanzierung Ihrer Gründungsidee gestemmt und wie verlief die weitere Suche nach Kapital(-gebern)?

Herdina: Die erste Finanzierung erfolgte über eine Reihe von Award-Preisgelden wie World Summit Award, Google Android Challenge, oder European Satellite Navigation Competiton sowie diverse Start-up-Förderungen in Österreich. Somit konnten wir die erste Phase des Unternehmens erfolgreich bestreiten und die ersten Erfolge einfahren. Mithilfe von Business Angels wurde das Unternehmen dann auch Venture Capital-fit gemacht und im Herbst 2010 haben sich erstmals institutionelle Fonds beteiligt.

VC Magazin: Was sprach gegen die Karriere als Angestellter und wie hat sich das Gründerteam zusammengefunden?

Herdina: Wikitude besteht aus einer Reihe von Unternehmern im Unternehmen, welche aufgrund ihrer Fähigkeiten, ihres Antriebs und ihrer Motivation perfekt in das Wikitude-Start-up-Team passen. Der Gründer sowie die ersten Mitarbeiter hatten eine Menge an fachlichem Background bei Sony DADC gesammelt, sind aber erstmals ins kalte Start-up-Wasser gesprungen. Im Jahre 2010 wurde das Management-Team durch Andy Gstoll als CMO und mich als CEO ergänzt, die beide bereits eine Menge an internationalen Start-up-Erfahrungen sammeln konnten.

VC Magazin: Wenn Sie auf Ihre bisherigen unternehmerischen Erfahrungen zurückblicken: Welche Entscheidungen würden Sie erneut treffen?

Herdina: In meinem ehemaligen Unternehmen fatfoogoo haben wir das Geschäftsmodell und den Marktzugang grundlegend geändert – von einem B2C- zu einem B2B-Modell. Grund hierfür waren einerseits die Charakteristika des Markts, in welchem große Partner und Kunden mit bestehender Kundenbasis einen viel besseren Zugang zum User hatten als ein neues Unternehmen. Dazu kamen die Struktur und die Skills des Teams, welches seine Stärken als B2B-Unternehmen viel besser ausspielen konnte als in einem Marketing-getriebenen Modell. Diese Entscheidung war schwierig zu treffen und zog schmerzhafte Konsequenzen nach sich. Schlussendlich war dies aber der Schlüssel zum erfolgreichen Exit.

VC Magazin: Verbrannte Finger gelten als gute Lehrmeister. Aus welchen schmerzhafte Erfahrungen konnten Sie besonders viel lernen?

Herdina:  Eine der wichtigsten Komponenten in einem Start-up ist sicherlich das richtige Team, hier haben wir uns sowohl im Recruiting als auch in der laufenden Zusammenarbeit doch schon einige Male gehörig die Finger verbrannt und dementsprechend Lehren gezogen: Ein Mitarbeiter, der nur zu 90% zu einem Team passt, ist nicht gut genug für ein Start-up, bei dem jeder Handgriff sitzen muss. Wenn die Leistung und/oder die Motivation eines Teammitglieds nicht stimmt, ist eine Trennung oft die beste Lösung. Zu langes Abwarten und Zögern ist für beide Seiten nicht zielführend und kann im schlimmsten Fall das gesamte Teamgefüge beeintrachtigen Das klingt an sich logisch, hat aber für ein Start-up noch mehr Gewicht und es braucht doch eine Menge Erfahrung und FingerspitzengGefühl, hier die richtige Balance zu finden.

VC Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht bei den Rahmenbedingungen in Österreich der größte Pluspunkt und das größte Manko für junge Unternehmen?

Herdina: Der größte Pluspunkt in Österreich ist sicherlich die Förderlandschaft. Diverse regionale und ueberragionale Institionen fördern die Gründung eines Start-ups mit Kapital und Beratung, dazu werden gewisse Sparten oder Forschung durch spezielle Programme finanziell unterstützt. Der größte Nachteil in Österreich ist sicherlich der Mangel an Kapital und die geringe Dichte an Business Angels und VCs. Dies resultiert nicht nur in wenig verfügbarem Risikokapital, sonden auch an fehlenden Seilschaften und Netzwerken für strategisches Business Development oder möglichen Anschlussfinanzierungen.

VC Magazin: Gibt es (Internet-)Unternehmer, die Sie als Vorbilder oder Idole sehen?

Herdina: Dietrich Mateschitz – er hat mit Red Bull einen völlig neuen Markt geschaffen, misst Innovation in neuen Segmenten enorme Bedeutung zu und hat es geschafft, trotz seines Erfolgs bodenständig und menschlich zu bleiben.

VC Magazin: Welche drei bis fünf Apps für Smartphones sind die wichtigsten Helferlein in Ihrem Alltag?

Herdina: Runtastic – revolutioniert Sport-Tracking und Trainingsplanung und bietet eine umfangreiche und kostengünstige Alternative zu Spezial-Hardware. LinkedIn – das nutze ich täglich für Business Development und Networking und es setzt auch neue Standards im Bereich App und UI-Design.  Google Maps – perfekt umgesetzt, gute Daten, legt die Latte für andere Mapping Apps sehr hoch.  Bejeweled – für die kurze Denkpause zwischendurch.  Shpock – Flohmarkt einmal anders, durch das innovative UI und App-Design macht das Stöbern nach Produkten auch Flohmarktmuffeln Spaß.

VC Magazin: Wie sehen die mittelfristigen Planungen für Ihr Start-up und Ihre unternehmerische Zukunft aus?

Herdina:  Wikitude hat sich bereits international einen sehr guten Namen gemacht und ein sehr erfolgreiches Augmented Reality-Ökosystem aufgebaut. Weltweit nutzen bereits mehr als 12 Millionen Personen unsere App auf ihren Smartphones, Kameras und in bälde Augmented Reality-Brillen. Unser Hauptaugenmerk liegt nun also einerseits im Vergrößern der Reichweite, vor allen Dingen aber darin, die Nutzung und somit das Umsatzvolumen konstant nach oben zu bringen. Ab dem Erreichen von spannenden Umsatz- und Profitabilitäts-KPI muss man natürlich die Möglichkeit von strategischen Partnerschaften oder eine Wachstumsfinanzierung in Betracht ziehen. Das ist jetzt allerdings noch etwas zu früh.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Torsten Paßmann.

Zum Gesprächspartner
Martin Herdina ist im Jahr 2010 als CEO bei dem Salzburger Start-up Wikitude GmbH (www.wikitude.com) eingestiegen. Zuvor war er im Senior Management bei den erfolgreichen Start-ups UCP (Österreich) und Qpass (USA) und Mitgründer der fatfoogoo AG, welche im Jahr 2010 an Digital River verkauft wurde.