Teil 1: Business Angels Agentur Ruhr e.V. (Ausgabe 5/2005)

Von Zwangsgärtnern und Gründern

Seit mehr als 25 Jahren steht der Strukturwandel des Ruhrgebiets im Zentrum der Bemühungen der BAAR-Gründer Dr. Ute Günther und Dr. Roland Kirchhof. Bevor BAAR 1999 ins Leben gerufen wurde, gründeten die Philosophin und der Rechtsanwalt den Vorläufer „Gründer Support Ruhr“. Dieser ist heute noch aktiv und hilft Existenzgründern bei ihrem Weg in die Selbständigkeit. Getragen wurde das Projekt durch ehemalige Manager der Schwerindustrie, die in den neunziger Jahren frühzeitig in den Vorruhestand entlassen worden sind. „Herausgerissen aus der Arbeitswelt, konfrontiert mit dem Ruhestand, der sich aus Gartenarbeit und anderen eher unspektakulären Ereignissen zusammensetzt, sowie die sich aufdrängende Frage ‚Was nun?’, entwickelte sich bei diesen Herren ein Bedürfnis, ihre Kompetenzen ehrenamtlich weiterzugeben und somit dem Berufsleben verbunden zu bleiben“, resümiert Dr. Günther die Beweggründe ihrer Mithelfer. Sie konnten zwar den Unternehmen kein Beteiligungskapital zur Verfügung stellen, jedoch durch Know-how und Kontakte adäquat helfen. Sie waren einflügelige Business Angels, die allein durch ihr Wissen und ihre Netzwerke dazu beitrugen, daß sich neue Technologien und Unternehmen im Ruhrgebiet ansiedeln konnten. Der Erfolg dieses Pilotprojekts bekräftigte die BAAR-Gründer in ihrer Intention, eines der ersten Business Angels-Netzwerke in Deutschland aufzubauen. Bevor sie jedoch dieses Vorhaben in die Tat umsetzten, gingen sie in die USA und inspizierten dort erfolgreiche Netzwerke. Im Dezember 1999 fiel dann in Essen der Startschuß. Noch heute ist BAAR das einzige Netzwerk, welches das gesamte Ruhrgebiet repräsentiert.

Boom-Bust-Konsolidierung

Der rein privatwirtschaftlich geführte Verein, der keinerlei Förderung erhält, startete mit insgesamt 20 Gründungsmitgliedern. Ziele waren, innerhalb von zwei Jahren 100 Mitglieder zu zählen, sich selbst zu finanzieren sowie aktiv den Strukturwandel des Ruhrgebiets zu gestalten. „Einhergehend mit dem Platzen der Börsenblase reduzierte sich die Mitgliederzahl fast um die Hälfte. Derzeit sind es wieder 70, und ein aufwärtszeigender Trend ist zu sehen“ kommentiert Dr. Roland Kirchhof die Mitgliederentwicklung. Die Mitgliederstruktur setzt sich zu zwei Dritteln aus Business Angels und zu einem Drittel aus Institutionellen und VCs zusammen. Dieser Investoren-Mix ermöglicht dem Verein, auf allen Investitionsstufen präsent zu sein. BAAR finanziert sich allein durch Mitgliederbeiträge und Sponsoring. Aktuell sind 85 % der Mitglieder aktiv. Der Verein unterstützt Unternehmen aus ganz Deutschland sowie internationale Start-ups bei ihrer Suche nach Beteiligungskapital. Ferner hat er keinen Branchenfocus. Eine Befragung unter den BAAR-Mitgliedern zeigt Investments sowohl in NRW, Bayern und Niedersachsen als auch in Australien, China, Panama und Singapur. Insgesamt 3,8 Beteiligungen und 144.263 Euro pro Beteiligung zeichnen das durchschnittliche BAAR-Mitglied aus.

BAARakademie, Kooperationen, Matching

Seit der Gründung verfolgen die Initiatoren eine Philosophie der Professionalisierung sowohl der Business Angel- als auch der Unternehmensseite. In der BAARakademie können sie durch monatliche Veranstaltungen sukzessive ihr Wissen erweitern. Die Akademie ist deutschlandweit einzigartig. Finanziert wird sie durch Mitgliederbeiträge sowie Teilnahmegebühren von Nichtmitgliedern. BAAR ist bisher sieben Kooperationen eingegangen. Es gibt jedoch keine Zusammenarbeit mit Universitäten, was erstaunlich ist, wenn man deren Dichte im Ruhrgebiet betrachtet. Doch stehen laut Aussage von Dr. Günther Kooperationsverhandlungen mit Universitäten auf der Agenda 2005. Das Matching von Business Angels und Unternehmen findet auf Matchingforen statt. Auf diesen werden den Angels insgesamt acht Unternehmen vorgestellt. Zehn Minuten haben sie jeweils Zeit, um ihre unique selling proposition vorzustellen. Auch Hans-Otto Becker lernte 2000 so den Post- und Logistikdienstleister Pegasus aus Münster kennen. Doch erst später entschloß er sich zu einer Turnaround-Beteiligung in Höhe von 33.000 Euro. Zu seiner Investition sagt er: „Wenn man bedenkt, daß Pegasus schon im Jahre 2001 den Break-even erreichte und 2004 ein Umsatzvolumen von 3,5 Mio. Euro aufwies – was einer Vervierfachung zum Beteiligungsbeginn entspricht, so kann man auf jeden Fall von einem sehr guten Investment sprechen.“ Für dieses Investment wurde er 2003 zum Business Angel des Jahres gekürt.

Quo vadis, BAAR?

Für das Jahr 2005 stehen folgende Punkte auf dem Plan: Noch stärkere Intensivierung mit den Technologiezentren des Ruhrgebiets, Mitgliederzuwachs sowie die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für weitere autarke AGs. Generell sollen die bereits angelegten Schwerpunkte weiter ausgebaut sowie die Professionalisierung der Angels in Eigenregie vorangetrieben werden. Ein thematischer Schwerpunkt zukünftiger Arbeit von BAAR soll das Gebiet Anschlußfinanzierung werden.

Anselm Müller

Business Angels Agentur Ruhr e.V. (BAAR)
Gründungsjahr: 1999
Mitglieder: 70
Region: deutschlandweit
Branchenfokus: nein
Homepage: www.baar-ev.de