„In 30 bis 40 Jahren wird jedes Produkt ein Cleantech-Produkt sein“

VC-Magazin: Wie bedeutend sind Technologien zur regenerativen Energieerzeugung für Ihre jeweiligen Häuser?

Schrimpff: Sie werden immer wichtiger. In unseren früheren Technologiefonds lag ihr Anteil unter 10%, zukünftig könnten sie bis zu 50% erreichen. Cleantech ist dabei keine neue Technologie per se, sondern eine Triebfeder für die gesamte Wirtschaft. In 30 bis 40 Jahren wird jedes Produkt ein Cleantech-Produkt sein – einfach weil Umweltverträglichkeit und Effizienz die Haupttreiber von Innovation sein werden.

von Richter: Bei GE spiegelt sich das in der Ecomagination-Strategie wider. Wir stufen diesen Bereich als höchst profitabel ein und haben 2006 rund 900 Mio. USD für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Unser Umsatz mit Cleantech-Produkten betrug 12 Mrd. USD und wird bis 2010 auf 20 Mrd. USD steigen. Für VC-Beteiligungen an innovativen Unternehmen haben wir seit 2007 jährlich 50 Mio. USD budgetiert, 2006 waren es 25 Mio. USD.

VC-Magazin: Wie hat sich der Dealflow im Cleantech-Bereich über die letzten Jahre entwickelt?

Schrimpff: Die Anzahl der Businesspläne und Geschäftsideen hat massiv zugenommen. Etwa ein Drittel der Investitionsmöglichkeiten, die wir für unseren Technologiefonds näher anschauen, hat mittlerweile einen konkreten Bezug zum Cleantech-Markt – bei nach wie vor steigender Tendenz.

von Richter: Wir haben in den letzten zwölf Monaten etwa 700 Finanzierungsanfragen erhalten.

VC-Magazin: Lohnt es sich da nicht, einen separaten Cleantech-Fonds aufzulegen?

Schrimpff: Es gibt noch keine Überlegungen in diese Richtung.

von Richter: Unsere Energy Financial Services Venture Group investiert ausschließlich in Cleantech, das beinhaltet die Bereiche Energie, Wasser und Transport.

 

VC-Magazin: Je mehr Investoren sich auf Cleantech stürzen, umso höher dürften die Bewertungsvorstellungen der Gründer liegen. Befinden wir uns in einer Blase?

Schrimpff: In einer Studie in den USA sind die Pre-Money-Bewertungen von Cleantech-Deals mit denen von anderen Unternehmen verglichen worden: Cleantech-Firmen wurden fast doppelt so hoch bewertet. Da Cleantech nicht immer teurer ist als andere Technologien und auch nicht länger für die Entwicklung braucht, ist das ein Hype. Erfreulicherweise ist die Bewertungssituation in Deutschland – abseits der Fokusbranchen Solar und Wind – anders. Aus diesem Grund investieren wir im Cleantech-Bereich nicht in den USA.

von Richter: Wir wollen ein diversifiziertes Portfolio aus innovativen Unternehmen mit starken Managementteams aufbauen, ohne zu sehr auf einzelne Werttreiber zu fokussieren. Daher machen wir uns weniger über allgemeine Bewertungsniveaus Gedanken, sondern versuchen vielmehr, das Wachstum jedes unserer Portfoliounternehmen voranzutreiben.

 

VC-Magazin: In welchen Segmenten des Cleantech-Marktes treffen Sie auf die attraktivsten Geschäftsmodelle?

von Richter: Effizienzsteigerungen sind ein großes Thema für uns, weil es sich um große Märkte mit direktem Endkundenvorteil handelt. Beispiele hierfür sind verbesserte Technologien im Bereich Öl und Gas, Abfallverwertung, effiziente Lösungen zur Trennung von CO2 bei Kohlekraftwerken, Lichtsysteme wie organische Leuchtdioden und neuartige IT-Lösungen im Bereich Netzinfrastruktur. Innerhalb der erneuerbaren Energien investieren wir im Windbereich in größere Turbinen und Offshore und im Solarsektor in das gesamte Spektrum. Im Transportsektor befassen wir uns mit der zweiten Generation von Biotreibstoffen und hybriden Antriebssystemen.

Schrimpff: Wir unterscheiden zwischen sieben Subsegmenten, und in fast jedem gibt es aussichtsreiche Felder. Entscheidend ist aus unserer Sicht das Potenzial, Märkte zu erschließen, und nicht die neue Technologie an sich. Ein Beispiel: Theoretisch ist die Gewinnung von Energie aus den Wellen- und Gezeitenbewegungen der Meere aussichtsreich. Aber es existiert dafür noch kein Markt. Selbst wenn jemand eine effiziente Technologie entwickeln würde, gäbe es also keine Abnehmer dafür – abgesehen vielleicht von ein paar Versuchsanlagen in Schottland und Portugal. Energiespeichersysteme werden hingegen immer wichtiger, je größer der Anteil der regenerativ erzeugten Energie wird. Schließlich wird Solarstrom nur gewonnen, wenn die Sonne scheint, Windkraft nur generiert, wenn der Wind weht. Eine Lösung dieses Problems kann aber auch so aussehen, dass der Zeitpunkt des Stromverbrauchs an dessen Verfügbarkeit angepasst wird und nur das Endprodukt gelagert wird.

 

VC-Magazin: Wie wichtig sind Subventionen und Steuererleichterungen für die ertragreiche Herstellung von regenerativer Energie?

Schrimpff: Je teurer konventionelle, aus Rohstoffen erzeugte Energie wird, umso mehr Verfahren zur alternativen Energiegewinnung rechnen sich. Politische Förderung beschleunigt diesen Transformationsprozess. Das Energieeinspeisegesetz hat letztlich dafür gesorgt, dass sich Deutschland zum führenden Standort in diesem Sektor entwickelt hat.

von Richter: Ob Subventionen sinnvoll sind, hängt vom Reifegrad des Marktes ab. Bei Energiesparlampen ist der unmittelbare Stromspareffekt im Vergleich zu den Mehrkosten bei der Anschaffung für den Endkunden bereits heute so groß, dass es keines staatlichen Anreizes mehr bedarf. Neue Technologien wie Wind oder Photovoltaik brauchen anfangs zunächst Subventionen, um einen wettbewerbsfähigen Preis zu erreichen. Schließlich gilt die Daumenregel, dass die Herstellungskosten um 20% sinken, wenn sich die produzierte Menge verdoppelt.

Schrimpff: Noch nicht erprobte Technologien, die ein sehr hohes Investment erfordern, können häufig nur mit staatlicher Hilfe getestet werden. Zumindest für einen Venture Capital-Geber wäre es sehr fragwürdig, beispielsweise 500 Mio. Euro in ein gewaltiges Projekt zu investieren, das vielleicht nicht funktionieren wird. Ein solches Gebiet, mit gewaltigem Potenzial, aber signifikantem Risiko, ist sehr tiefe Geothermik. Ein anderes wären sehr große Solartürme mit einer Windturbine in der Mitte – ein faszinierendes Projekt, aber extrem teuer.

VC-Magazin: Herr Schrimpff, Herr von Richter, vielen Dank für das Gespräch!                                                    

 

Das Interview führte Andreas Uhde.

 

Zu den Gesprächspartnern

Robert Schrimpff ist Senior Associate im Technologieteam der Venture Capital-Gesellschaft TVM Capital. Er ist Vorsitzender der Munich Network Cleantech Venture Group und Mitglied des europäischen Direktoriums des Cleantech Venture Network.
Andreas von Richter ist Leiter Business Development im europäischen Research Centre von GE (General Electric), Garching bei München. Er organisiert zurzeit ein Forum für Start-ups, bewerben kann man sich unter www.ge.com/etf2007.

 

Cleantech: Segmentierung und Kurzeinschätzung durch TVM Capital

Photovoltaik (1. Generation):

getrieben durch hohe Einspeisevergütungen

Photovoltaik (2. Generation):

in der Entstehung

Energieeffizienz :

das grösste Potenzial

Energiespeicherung:

dringender Bedarf für neue Lösungen

Trinkwassergewinnung:

hohe Nachfrage in Asien, MENA*;

zunehmend dezentral

Windenergie

reife Industrie, Bedarf für Komponenten

Wellen und Gezeiten

noch unerschlossen, junge Industrie

Biomasse und Biokraftstoffe

Biomasse aus Abfall attraktiv

*MENA: Mittlerer Osten, Nordafrika 
Quelle: TVM Capital