„In der Theorie kann niemand lernen, wie ein Job zu machen ist“

VC Magazin: Wann haben Sie damit angefangen, Nachfolger aufzubauen?

Kerkhoff: Von Anfang an waren wir vier Partner, wobei meine Frau und ich zunächst bis zu 90% der Anteile am Unternehmen hielten. Wir haben die Firma dann aus dem Kollegenkreis heraus entwickelt. Mir war das immer wichtig, um eine einheitliche Unternehmenskultur aufzubauen und die gleiche Sprache zu sprechen. Alle unsere heutigen Geschäftsführer haben als Consultant im Unternehmen angefangen und unsere Arbeitsweise über die letzten zehn Jahre inhaliert.

VC Magazin: Sie definieren sich als Berater für den Mittelstand, der eine andere Kultur als BCG oder McKinsey verkörpert. Wie sieht diese aus?

Kerkhoff: Wir sind eine operativ arbeitende Unternehmensberatung, die nicht nur kluge Konzepte vorschlägt, sondern diese auch unmittelbar selbst umsetzt. Dafür brauchen Sie Leute, die sehr praktisch denken und am Ende des Tages vor allem handeln. Und mit solchen Leuten kommen Sie vor allem bei Familienunternehmern an: Die suchen messbare und handfeste Ergebnisse, keine bunten Studien. Darum sind wir fest im Mittelstand verwurzelt. Ich muss aber betonen, dass wir auch Mandate in der Großindustrie betreuen.

VC Magazin: Wie wichtig ist es für Ihre Kunden, dass Sie als Namensgeber selbst in Erscheinung treten?

Kerkhoff: Ich wollte das immer leugnen und wünsche mir manchmal, dass es nicht so wäre. Ich glaube aber, es ist noch immer sehr wichtig.

VC Magazin: Wie geht das einher mit dem Ziel, Nachfolger aufzubauen und sich selbst ersetzbar zu machen?

Kerkhoff: Ich versuche, das Unternehmen so zu bauen, dass ich ersetzbar bin. Dabei muss man differenzieren: Kunden erwarten, dass ich bei einem Gespräch dabei bin, unser Unternehmen, unsere Strategie sowie den für das Projekt verantwortlichen Partner vorstelle. Wenn es dann in die konkrete Umsetzung geht, ziehe ich mich zunächst zurück. Ich springe unseren Partnern aber immer dann helfend bei, wenn es irgendwo klemmt und das Gespräch beim Kunden auf höchster Ebene gesucht wird.

VC Magazin: Wann und wie sollte ein mittelständischer Unternehmer Verantwortung abgeben?

Kerkhoff: Grundsätzlich lebe ich die Philosophie, früh Verantwortung abzugeben. Damit ist natürlich ein Risiko verbunden. Das muss man aber in Kauf nehmen und gegebenenfalls Aufgaben noch einmal neu verteilen. In der Theorie kann aber niemand lernen, wie ein Job zu machen ist – man muss die Verantwortung für etwas bekommen. Damit geht dann häufig ein Entwicklungsschritt einher, mit dem man manchmal selbst nicht gerechnet hat. Der Mut, jungen Leuten echte Verantwortung zu übertragen, fehlt vielen deutschen Unternehmen. Generell beschäftigen sich Familienunternehmer zu spät mit dem Thema Nachfolge: Wenn man wie ich mit 51 diese Herausforderung anpackt, wird man von vielen Freunden gefragt, wieso man das macht. Ich bin aber davon überzeugt, dass man diesen Prozess vorausschauend planen muss. Schließlich hat man mit 50 den Großteil seines Berufslebens hinter sich.

VC Magazin: Nach welchen Kriterien sollte man seine Mitgesellschafter auswählen?

Kerkhoff: Fachliche Kompetenz vorausgesetzt, habe ich ein ganz einfaches System: Ich muss das Gefühl haben, dass ein Kandidat von seiner Persönlichkeitsstruktur integer ist. Und – ich sag das mal etwas platt – es darf niemand sein, der zwar ein Top-Mann ist, aber wo ich es fürchterlich fände, wenn ich irgendwo übernachte und mit ihm an der Hotelbar ein Bier trinken müsste.

VC Magazin: Beziehen Sie Kunden oder Geschäftspartner in diesen Prozess ein?

Kerkhoff: Nein. Das wäre mir zu sehr von außen lanciert. Wir haben die potenziellen Senior Partner aber bewusst noch einmal von einem Personalberater screenen lassen. Als Baustein im Entscheidungsprozess hat sich dieses Verfahren als wertvoll herausgestellt.

VC Magazin: Sie sind mit Ihrer Frau weiterhin Mehrheitsgesellschafter. Planen Sie weitere Schritte in Bezug auf die Unternehmensnachfolge?

Kerkhoff: Es geht jetzt in den nächsten fünf bis zehn Jahren darum, dieses Team aus sechs neuen Gesellschaftern zusammenzuführen. Dabei gibt es natürlich auch Rivalitäten, da darf man sich keine Illusionen machen. Schließlich steht ja noch nicht fest, wer eines Tages Vorsitzender der Geschäftsführung wird. So ein Transformationsprozess funktioniert nur, wenn man ihn frühzeitig in die Wege leitet.

VC Magazin: Was passiert im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters mit seiner Beteiligung?

Kerkhoff: Es gibt einen festgelegten Bewertungsmechanismus und Vorkaufsrechte, die meine Frau und ich sowie die anderen Gesellschafter ausüben können. Sollte davon niemand Gebrauch machen, ist die Gesellschaft verpflichtet, die Anteile zu erwerben. Nur meine Frau und ich können unsere Anteile an einen Externen verkaufen, damit wir im Fall des Falles einen bisher nicht an der Gesellschaft beteiligten Nachfolger einsetzen können.

VC Magazin: Welches ist der richtige Zeitpunkt, um einen Nachfolger für den Vorsitz der Geschäftsführung zu bestimmen?

Kerkhoff: Wenn ich gehe. Also vielleicht in zehn Jahren. Wobei es dann so sein sollte, dass die Frage, wer es denn wird, eigentlich keine mehr ist. Jeder im Raum sollte den gleichen Namen nennen, wenn er nach einer Einschätzung gefragt würde.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview!      

 


Zum Gesprächspartner
Gerd Kerkhoff ist Gründer und Vorsitzender der ­Geschäftsführung der Kerkhoff Consulting GmbH. Die Gesellschaft mit Sitz in Düsseldorf beschäftigt gut 200 Mitarbeiter und ist auf die Optimierung von Einkauf und Beschaffung spezialisiert.

So wird man zum Einkaufsberater
Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre macht sich Gerd Kerkhoff mit einer Kaffeerösterei selbstständig: „Mein Studienfreund Hubert Tempelmann hatte die Kaffeerösterei von seinen Eltern übernommen und kam auf mich zu, weil er als Finanzfachmann einen Partner für den Bereich Vertrieb brauchte. Wir haben die Kaffeerösterei dann als Handelsmarkenhersteller positioniert.“ So kam Kerkhoff mit Einkäufern von der Metro, Spar und vielen anderen Handelskonzernen ins Gespräch. Dabei fiel ihm auf, dass jeder Einkäufer davon überzeugt war, für seine Markenartikel den besten Einkaufspreis in Deutschland zu haben. Tatsächlich spreizten sich die Preise für viele Premiummarken aber um bis zu 15%. „Deshalb bin ich dann zu einem der großen Handelshäuser gegangen und habe dort fünf LKW Kaffee einer Premiummarke geordert“, erinnert sich der Einkaufsspezialist. „Als mich der damalige Einkaufsvorstand fragte, was ich damit vorhabe – ich produziere doch selbst Kaffee –, habe ich ihm von der Preisspreizung erzählt und dass ich diese Spanne als Zwischenhändler nutzen wolle.“ Kerkhoff fand Unterstützung für seinen kühnen Plan – unter der Bedingung, dass er den Einkaufschef informiere, wenn er bei irgendeinem Artikel zu viel bezahlt. Mit dieser Geschäfts­idee sorgte Kerkhoff vor knapp 20 Jahren für mächtig Wirbel in der Branche.