„Vom ersten Tag an ein professioneller Auftritt“

VC Magazin: Worin bestehen allgemein die Vorteile für junge Unternehmen, in einem Technologie- und Gründerzentrum (TGZ) zu sitzen?

Heilig: Man verfügt vom ersten Tag an über einen professionellen Auftritt. Telefonanschlüsse, IT, Empfang, Besprechungsräume, Kantine – die notwendige Infrastruktur kann für günstige Pauschalpreise sofort genutzt werden.

Villinger: Falls Wachstumsbedarf besteht, kann sich das Start-up ebenfalls sehr schnell und sehr günstig erweitern. Falls das Unternehmen nicht performt, kann man die Fläche im Gegenzug auch schnell verkleinern.

Heilig: Das stimmt. Auf dem privaten Immobilienmarkt werden vielfach Mindestmietzeiten von fünf Jahren und mehr verlangt. So weit kann kein Gründer schauen. Wir konnten damals im Gründerzentrum sogar Räume für nur drei Monate anmieten.

VC Magazin: Sollte sich ein Gründer für ein gemischtes Gründerzentrum mit Unternehmen aus verschiedenen Sektoren entscheiden oder für ein auf eine Branche fokussiertes?

Villinger: Eine reine Fokussierung ist dann sinnvoll, wenn man zusammenarbeitet, gemeinsam Förderanträge stellt oder Lieferanten-Kunden-Beziehungen bestehen. Die Spezialisierung eines TGZ ist für alle Parteien lohnenswert, wenn es auch ein regionales Hochschul- oder Technologieumfeld gibt.

Heilig: Falls die Auswahl besteht, muss ich die Frage beantworten können, was ich eigentlich vom Gründerzentrum möchte: Leichteren Zugang zu Business Angels, eine umfangreiche Infrastruktur nutzen, Vernetzung mit anderen Start-ups? Wir haben uns damals für die Innovationsfabrik in Heilbronn entschieden, weil wir dort die beste Infrastruktur vorgefunden haben.

VC Magazin: Wie wichtig ist die Kommunikation der Gründer untereinander?

Villinger: Kommunikation ist wichtig. Gerade junge Gründer mit wenig Erfahrung brauchen Unterstützung und suchen diese bei Beratern, was teuer ist, oder bei anderen Gründern. Das ist ein Vorteil von Gründerzentren, die viele kleine Start-ups aufnehmen. Hier können Unternehmer die ersten, meist holprigen Jahre gemeinsam bewältigen.

VC Magazin: Werden Unternehmen in einem Technologie- und Gründerzentrum mit Vorurteilen – ob nun positiv oder negativ – konfrontiert?

Villinger: Viele Gründer bleiben viele Jahre in einem Zentrum, andere verlassen die Standortgemeinschaft schon nach einem Jahr wieder, um einen eigenen Standort zu finden. Als Investor kann ich sagen: Es spielt überhaupt keine Rolle, wo jemand sitzt. Interessant sind allein das Produkt, der Markt und vor allem das Management.

Heilig: Bei uns war es die Herausforderung, dass unsere Kunden im gehobenen Mittelstand bis Konzernebene anzufinden waren. Daher konnten wir sie nicht zu uns einladen, weil sie sich in dem Ambiente nicht wiedergefunden haben. Das war erst beim Umzug in eigene Räumlichkeiten möglich.

Villinger: Es kommt auch immer auf das Zentrum selbst und dessen Image an. Die Innovationsfabrik in Heilbronn ist ein alter, durchaus ansehnlicher Klinkerbau, weshalb manche Gründer explizit mit dem Gebäude geworben haben.

Heilig: Hätten wir vorwiegend regionale Kunden gehabt, hätten wir das auch gemacht.

VC Magazin: Wie bewerten Sie die Infrastruktur bei der Gründerförderung seitens der öffentlichen Hand?

Heilig: Wir selbst haben keinerlei Förderung in Anspruch genommen und alles selbst finanziert. Die öffentliche Hand hat einiges an Förderung initiiert, was aber aus meiner Sicht vielfach kurzfristig orientiert ist. Es gibt Geld, man kann es beantragen und muss bestimmte Kriterien erfüllen. Das Problem tritt aber erst auf, wenn das Geld dann wirklich da ist. Wie nutze ich es effizient? Wie mache ich ein vernünftiges Investitionscontrolling? Hier sind die meisten Gründer auf sich alleine gestellt – es sei denn, es gibt einen Investor aus dem privaten Umfeld wie einen Business Angel. Dann muss man Förderung bereitstellen, die über reines Kapital hinausgeht. Der Zugang zu Managementwissen ist elementar und müsste in der klassischen deutschen Förderkultur verankert werden.

Villinger: Ich habe eine dezidierte Meinung zu dieser Förderkultur. Leider spielt das Unternehmertum in Deutschland keine große Rolle, es wird immer mit einem gewissen Argwohn bzw. mit Neid betrachtet. Es gibt auch an Schulen und Hochschulen Defizite, was das Thema Entrepreneurship angeht. In der Folge wird Unternehmertum in Deutschland eher zwanghaft gelebt. Ich habe diverse Unternehmen gesehen, die Deutschland verlassen haben, weil sie sich in dem Klima hierzulande nicht willkommen gefühlt haben.

VC Magazin: Welche Aspekte vermissen Sie?

Heilig: Es fehlt eine ganzheitliche Unterstützung. Man ist bei vielen Fragestellungen auf sich alleine gestellt. Uns interessiert das Thema Weiterbildung, aber allein in Heilbronn habe ich zehn bis zwölf Anbieter, von der IHK bis zur Hochschule. Hier gibt es keinerlei Unterstützung oder Leitlinien – jedes Unternehmen muss selbst viel Zeit investieren, die richtigen Partner herauszusuchen. Es wäre sinnvoll, wenn die Wirtschaftsförderung hier die Kompetenz bündelt und den jungen Unternehmen sagt, was und wie kombiniert werden kann.

Villinger: In den USA finden sich Inkubatoren wie die Innovationsfabrik in jeder größeren Stadt, außerdem verfügen sie alle auch über ein angeschlossenes Netzwerk von Business Angels und Unternehmern.

Heilig: Die Services in einem Gründerzentrum müssen weitergedacht werden, damit auch größere Unternehmen davon profitieren können. Wenn ich eine Konferenz veranstalten möchte, muss ich leider nach Frankfurt ausweichen, weil hier das passende Angebot fehlt.

VC Magazin: Welche Wünsche haben Sie an Politik und Gesellschaft?

Villinger: Die Inkubatoren, die Initiativen und auch die Politik sollten alles dafür tun, dass junge Unternehmen mit Potenzial am Standort Deutschland bleiben. Diesen Einsatz vermisse ich hier vielfach. Wenn gute Firmen bleiben und wachsen, ziehen sie meist auch andere gute Firmen an. Das schafft weitere technologische Arbeitsplätze und mehrt den Wohlstand einer Region.

Heilig: Ich habe ähnliches Desinteresse auch bei Privatpersonen mitbekommen: Wir haben in der Region doch schon Unternehmen wie Audi, weshalb brauchen wir dann neue? Die Regionalzeitungen lassen das Thema ebenfalls links liegen. Es gibt aber auch Ausnahmen wie den Heilbronner Oberbürgermeister, der sich sehr engagiert zeigt. Von seinem Schlag muss es mehr geben.

VC Magazin: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Maximiliane Worch.

Zu den Gesprächspartnern

Loren Heilig hat zusammen mit zwei Partnern das Software-Systemhaus IBSolution gegründet, das lange Zeit in der Innovationsfabrik Heilbronn, einem Technologie- und Gründerzentrum, saß. Dieses wurde nach amerikanischem Vorbild aufgebaut von Thomas Villinger, der heute den Zukunftsfonds Heilbronn managt.