„Der ganze Markt ist reifer geworden“

VC Magazin: Herr Höltershinken, Sie sind im Jahr 2000, auch das Geburtsjahr des VentureCapital Magazins, Geschäftsführer des Bereichs Private Equity der BayernLB geworden. War das eine gute Zeit, um in das Segment einzusteigen?

Höltershinken: Wir feiern in der Tat beide jetzt zehnjähriges Jubiläum. Da ich aber bereits seit 1992 in der Szene aktiv bin, war es eher der logische Karriereschritt vom Teamleiter zum Geschäftsführer. Davon abgesehen war es damals noch eine junge Branche, die sich bis heute in einem dynamischen Entwicklungsprozess befindet. Und diese Dynamik hat ja offensichtlich auch Ihren Verlag gereizt, die Branche mit einem eigenen Magazin zu begleiten.

Dienst: Solche Zeitschriften werden gegründet, wenn es opportun ist und die Financiers es zulassen. Das machen sie in der Regel in einer Boomperiode – insofern war es für Sie der perfekte Zeitpunkt. Erstaunlich ist, und dazu muss man Ihnen gratulieren, dass Sie dann durch das lange Tal durchgehalten haben. Das ist die große Leistung!

VC Magazin: Wie hat sich in den letzten zehn Jahren seit dem Platzen der New Economy-Blase das Aufgaben- und Tätigkeitsfeld eines Investors gewandelt?

Höltershinken: Der ganze Markt ist reifer geworden. Vor zehn Jahren waren Buyouts für kleinere Gesellschaften wie uns damals die Ausnahme. Dann hat sich die Philosophie durchgesetzt, lieber Mehrheiten zu übernehmen. Damit mussten auch die Fonds und der Leverage größer werden. Eine Sache ist aus meiner Sicht aber gleich geblieben – wir mussten immer Business Intelligence mit Financial Intelligence kombinieren. Reine Finanzmathematik hilft letzten Endes nicht weiter.

Dienst: Es ist ein kontinuierlicher Anpassungsprozess. Der wichtigste Aspekt heute ist, dass sich die Managementgesellschaften Gedanken über das Fundraising machen müssen. Vor dem Jahr 2000 war es eine kleine Nebentätigkeit, heute nimmt es einen guten Teil der Zeit ein. Ich mache der Politik an dieser Stelle Vorwürfe, dass sie die Branche nicht mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen unterstützt hat. Viele Fonds stehen vor dem Aus, weil sie kein neues Geld auftreiben konnten.

VC Magazin: Da es im Fundraising stockt – werden wir Abgänge auf Investorenseite wie in den Jahren 2001 bis 2003 erleben?

Dienst: Die ganz großen Buyouts werden sich ein wenig nach unten anpassen, und der mittlere Bereich hat sich bislang ganz gut geschlagen. Aber das Venture Capital-Segment hat große Probleme, denn hierzulande gibt es neben ein paar staatlichen Quellen nur noch wenige Versicherungen und Family Offices. In Frankreich dagegen ermöglichen steuerliche Maßnahmen Fundraising im großen Stil. In den letzten zwei Jahren haben fünf französische Investoren Büros hierzulande eröffnet, aber umgekehrt nicht. Das sagt alles!

Höltershinken: Einen großen Shake-out möchte ich nicht heraufbeschwören. Die Verluste halten sich bislang in Grenzen, und das unterstreicht auch die wachsende volkswirtschaftliche Bedeutung.

Dienst: Es gibt aber auch gute Nachrichten. Die Lebensversicherungen erkennen, dass sie mit 3,5% für Bundesanleihen keine ausreichende Rendite erzielen. Sie müssen also in Alternativen gehen, da kommt Infrastruktur, da kommt Mezzanine – und am Ende hoffentlich Venture.

VC Magazin: Auf welche Trends und Moden in den letzten zehn Jahren hätte die Branche am besten verzichten können?

Dienst: Sogenannte PIK-Notes, bei denen der Kreditnehmer zunächst weder Zins noch Tilgung zahlt. Die waren das i-Tüpfelchen auf dem Gipfel der Dummheit der Investoren.

Höltershinken: Sämtliche Übertreibungen oder Hypes sind immer verzichtbar – sagt man im Nachhinein. Vorher weiß man es ja leider nicht. Auf der anderen Seite bietet das auch immer wieder die Möglichkeiten zu Kurskorrekturen.


VC Magazin: Wie bewerten Sie die Debatte um das Thema Regulierung in den vergangenen Jahren?

Dienst: Es ist ein deutliches Zeichen, dass irgendetwas nicht stimmt, wenn eine Branche, die eigentlich für Wachstum sorgt, jedes Jahr kleiner wird. In den Koalitionsvereinbarungen 2005 wurde zwar festgehalten, dass es neben einer Steuer- auch eine Private Equity-Reform geben soll. Passiert ist nichts. Außerdem hätte sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Glos um unsere Branche kümmern müssen, weil wir strukturelle Aufbauarbeit leisten. Stattdessen hat er sich vom Finanzminister die Kompetenz aus der Hand nehmen lassen. Peer Steinbrück wollte aber ernten, bevor gesät wurde. Das kann nicht gut gehen – und daran leidet die Branche bis heute.

Höltershinken: Wir begrüßen das Thema Regulierung, denn es schafft auch Sicherheit. Natürlich leisten wir auch gerne unseren Beitrag, wenn es zum Wohl der Volkswirtschaft ist. Allerdings geht Überregulierung, die durch falsch verstandene Transparenz den Unternehmen schadet, an denen wir beteiligt sind, in die falsche Richtung.

Dienst: Was derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird, ist teilweise unsinnig. So sollen junge Unternehmen auf einmal ein Reporting machen, sobald ein Finanzinvestor beteiligt ist. Das ist so ähnlich, als ob ein Pferdekutscher auf einmal einen Speditionsschein bräuchte.

VC Magazin: Wie haben Sie in Ihrer Zeit im Vorstand des BVK die Gegensätze der Branche wahrgenommen – Venture Capital vs. Buyout, privat vs. öffentlich?

Höltershinken: Der große Gegensatz wurde von außen diktiert. Im Zuge der Heuschrecken-Debatte 2005 gab es auf einmal gute Investoren und böse Investoren. Die Large Buyouts gerieten unter Generalverdacht, und viele Politiker konnten auch zwischen Hedgefonds und Private Equity nicht unterscheiden.

Dienst: Der Bundesverband der deutschen Industrie hat über 100.000 Mitglieder, vom kleinen Ingenieurbüro bis hin zu Siemens. Im Vergleich dazu ist der BVK ein homogener Verband. So sind wir fast alle eigentümergetriebene Unternehmen, und wahrscheinlich haben 90 bis 95% von uns eine Gewinnbeteiligung.

Höltershinken: Ansonsten haben alle Marktteilnehmer Interesse an einer durchgängigen Finanzierungskette von Seed bis Large Buyout. Leider sind die verschiedenen Phasen unterschiedlich stark. Es gibt spannende Themen wie den High-Tech Gründerfonds, aber im Start-up-Bereich ist das zu wenig. Für uns Vertreter der späteren Phase sind solche Kapitalgeber wichtig, weil sie für unseren Nachschub sorgen.

Dienst: Die jungen Unternehmen sind übrigens auch die zukünftigen Kunden der Versicherungsindustrie. Deswegen müsste aus dieser Ecke mehr Geld in Venture-Fonds fließen.

VC Magazin: Herr Dienst, Sie haben bei Ihrer ersten Gründung zwei alte VWs etwas hoch bewertet und als Sacheinlage eingebracht. Wie reagieren Sie, wenn Ihnen heute ein aktueller Businessplan vorgelegt wird, der ein ähnliches Modell enthält?

Dienst: Solange alles rechtens ist, finde ich es herrlich, wenn Gründer unternehmerisch und kreativ sind! Eigentlich suchen wir ja nicht spannende Technologien, sondern Unternehmer mit Biss. Konzerne können auch ein Jahr lang ohne Vorstand laufen, aber kleine Gesellschaften stehen und fallen mit ihren führenden Köpfen.

Höltershinken: Problematisch wird es, wenn diese Unterlagen von Beratern erstellt werden und der Unternehmer nicht dahintersteht. Aber letzten Endes zeichnet Kreativität auch im Mittelstand einen guten Unternehmer aus. Die Technologie mag noch so gut sein, für die Wertsteigerung eines Unternehmens sind immer die Unternehmer selbst verantwortlich.

VC Magazin: Welche Investition seit 2000 hat Ihnen besonders Freude bereitet – und über welche verpasste Chance ärgern Sie sich am meisten?

Dienst: Die Gründer von Skype und Interhyp waren bei uns zu Gast, aber wir hatten zu der Zeit schon zu viele Investments in Internet-Start-ups gemacht … Zwei sehr gute Investments waren das Life Science-Unternehmen Actelion, dessen Umsätze heute im Milliardenbereich liegen, und Immobilienscout. Ich habe die Gesellschaft bei uns im Büro, mit mir als CEO, gestartet.

Höltershinken: Der verpassten Chancen gibt es viele, aber darüber mache ich mir lieber keine Gedanken. Ansonsten haben mir fast alle Investments der letzten Jahre Freude bereitet – sie haben sich gut entwickelt und einzelne, ob nun Industrieöfen oder Zeitarbeit, möchte ich hier nicht herausstellen.

VC Magazin: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kontakt mit dem VentureCapital Magazin?

Dienst: Ich erinnere mich an ein Interview vor gut vier Jahren, als es um Portraits der alten Kämpen der Industrie ging. Ansonsten hat mich Falk Strascheg immer wieder auf Ihr Magazin angesprochen.

Höltershinken: Einen konkreten Zeitpunkt für den Erstkontakt kann ich jetzt nicht benennen. Aber es wurde irgendwann selbstverständlich, dass es das VentureCapital Magazin gab. Sie haben der Branche in den letzten zehn Jahren ein gutes Forum geboten und bleiben uns hoffentlich lange erhalten!

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!  

Torsten Paßmann

Zu den Gesprächspartnern

Rolf Christof Dienst ist Gründungspartner von Wellington Partners. Branchenerfahrung sammelte er zuvor in der Matuschka-Gruppe und beim Aufbau von TVM Capital. Klaus-Michael Höltershinken steht der heutigen BayernLB Private Equity seit 2000 als Geschäftsführer vor. Frühere Stationen umfassen u.a. die Westdeutsche Kapitalbeteiligungsgesellschaft (WestKB) und die S-UBG Düsseldorf.