Erfolgreiche Kapitalgeber brauchen Ausdauer

Pfeifen im Wald?

Seit Mai 2001 wurden 104 Private Equity-Gesellschaften in der Serie „Investor im Portrait“ vorgestellt, nur eine einstellige Zahl davon wurde aufgelöst. Die Zahl der Ausfälle in diesem speziellen Portfolio beträgt deutlich weniger als 10% – damit liegt das VentureCapital Magazin unter dem branchenüblichen Erwartungswert von 20% an Pleiten. Die überzeugt klingenden Aussagen der zitierten Manager hätten aber sogar noch einen niedrigeren Wert vermuten lassen. „Wir sind aktiv auf der Suche nach neuen Beteiligungen und haben in unserem Fonds ausreichend Liquidität“, verkündete Mikael Karlin, Geschäftsführer der Innotech GmbH, in Ausgabe 3/2003. Allerdings ging Innotech im April 2004, vor dem Aufschwung der Early Stage-Szene ab 2005, doch noch die Luft aus. Etwas früher verabschiedete sich die Unternehmensberatung Accenture aus dem Venture Capital-Geschäft: Auch das mittlerweile erheblich schwierigere Marktklima zum Zeitpunkt des Portraits (10/2001) habe die Berater bislang nicht veranlasst, ihre ambitionierten Pläne zurückzufahren, hieß es dort im Vorspann. Kurze Zeit später wurde Accenture Technology Ventures eingestellt. Das gleiche Schicksal erlitt u.a. auch die IFormation Group (Portrait in Ausgabe 8/2001), ein Gemeinschaftsunternehmen von Goldman Sachs, Boston Consulting und General Atlantic Partners. Die Gesellschaft wollte den weltweit größten Unternehmen mit Know-how und Kapital helfen, die Chancen der New Economy zu nutzen. Noch im Fazit war sich der Autor sicher, dass das Konzept der IFormation Group am Anfang eines Trends stünde.

Auf und Ab bei den Corporates

Ab Sommer 2003 aber kehrte für lange Zeit Ruhe ein, zumindest existieren die portraitierten Gesellschaften weiterhin. Stattdessen dokumentierte die Serie einen anderen Trend, der seine Wurzeln ebenfalls in der Hype-Phase Ende der 1990er-Jahre hatte: Strategische Investoren legten eigene Corporate Venture Capital-Gesellschaften auf. Insgesamt neun von ihnen wurden bislang vorgestellt, sieben davon bis April 2004. Danach trennte sich ein Teil der Konzerne von seinen Töchtern – so Siemens von Siemens Mobile Acceleration (Ausgabe 7/2003) und RWE von RWE Dynamics Venture Capital Management (4/2004). Beide Gesellschaften wurden durch einen Management Buyout selbstständig und heißen jetzt smac Partners bzw. Dynamics Venture Capital Fund. Erst ab dem Jahr 2007 hatten renommierte Unternehmen wieder Appetit auf eigene Venture Capital-Zweige, so zum Beispiel DuMont (7–8/2009) und Vorwerk (10/2008).

Neuer Name und/oder neue Strategie

Ein Vergleich der älteren Beiträge mit der Gegenwart zeigt auch, in welcher Form die Szene sich in kleineren oder größeren Schritten gewandelt hat. Auf der einen Seite gab es einfache Namensänderungen wie bei dem Hamburger Frühphasenfinanzierer Dr. Neuhaus Techno Nord (Ausgabe 7/2002), der seit August 2006 Neuhaus Partners heißt, oder der Sachsen LB Corporate Finance Holding (Ausgabe 11/2004), die mittlerweile als CFH Beteiligungsgesellschaft ein Unternehmen der Landesbank Baden-Württemberg ist. Auf der anderen Seite stehen Investoren, die sich mit geändertem Namen neu aufgestellt haben. So beispielsweise holtzbrinck networXs (Ausgabe 8/2003), die in die beiden Gesellschaften holtzbrinck Networks und holtzbrinck Ventures aufgespalten wurde. Die britische 3i Group dagegen hat ihren Namen beibehalten, aber das Konzept geändert: Im Portrait in Ausgabe 1/2006 hieß es noch, man wolle das Venture Capital-Geschäft hierzulande „mit Augenmaß weiterentwickeln“, im März 2008 verkündete 3i seinen Rückzug aus diesem Segment.

Strategische Flucht

Eine kleine Anzahl vorgestellter Investoren hat sich für einen ähnlichen, aber ungleich drastischeren Schritt entschieden – die Flucht vom deutschen Markt. So wurde in Ausgabe 9/2001 die auf Technologie, Medien und Telekommunikation konzentrierte Spark Ventures portraitiert, und die zweite Überschrift lautete optimistisch „Englischer VC-Geber finanziert Start-ups auch in Deutschland“. Der Ausflug von der Themse an die Spree war aber nicht von Erfolg gekrönt. Das Berliner Büro existiert seit geraumer Zeit nicht mehr, und statt hiesiger Hightech-Investments fallen auf der Website von Spark Ventures zwei deutschsprachige Life Science-Unternehmen im Portfolio auf: Medigene und Glycart. Auch MPM Capital (Ausgabe 4/2003) hat hierzulande die Segel gestrichen. Gab es damals noch ein Münchner Büro, agiert die Gesellschaft aktuell nur noch von Boston und San Francisco aus. Beide Gesellschaften sind weiterhin aktiv, aber vermissen hierzulande etwas, was ein erfolgreicher Investor braucht: Ausdauer. Genau diese Eigenschaft hat auch zwei anderen Investoren gefehlt, die 2007 mit großen Erwartungen angetreten sind.

Abgang nach dem Fundraising

Seit dem Aufschwung der Szene ab 2005 haben nur zwei der seitdem portraitierten Gesellschaften ihre Pforten geschlossen. Einer dieser beiden Abgänge ist About Change Ventures (Ausgabe 12/2007), eine Gründung der ehemaligen 9Live-Chefin Christiane zu Salm. Eigenen Angaben zufolge konnte sie in nur sechs Monaten 100 Mio. EUR einsammeln, die sie vorrangig in Medien-Start-ups investieren wollte. Ihre eigene Zielmarke, die Beteiligungen mindestens drei Jahre zu halten, konnte sie nicht verwirklichen – zwei Wochen nach Erscheinen des Portraits gab sie ihren Wechsel in den Vorstand von Burda bekannt. Auch Baigo Capital (Ausgabe 4/2008) erklärte, als First-Time-Fund 100 Mio. EUR aufgetrieben zu haben. Rund ein Jahr später hat sich die Gesellschaft aber nicht mehr als Investor verstanden, denn für die Sonderausgabe „Corporate Finance & Private Equity Guide 2010“ des GoingPublic Magazins erbat Geschäftsführer Marcus Bracklo den Wechsel in die Rubrik Corporate Finance-Berater. „Das Geschäft ist extrem langfristig, das unterschätzen viele Neueinsteiger“, kommentiert Bernhard Schmid von XAnge Private Equity solche Kapriolen. „Man braucht drei bis fünf Jahre, um durchzustarten. Die berühmte J-Curve gibt es wirklich“, fährt er fort.

Zuzug aus Nachbarländern

Einigen Neueinsteigern in den heimischen Markt darf diese Ausdauer sicherlich zu Recht unterstellt werden. Die chronische Unterversorgung mit Venture Capital bei gleichzeitiger Vielfalt spannender Unternehmen lockt vor allem ausländische Kapitalgeber an, die hierzulande eigene Büros eröffnen. So wurden in den letzten anderthalb Jahren – stellvertretend für eine größere Gruppe – Seventure und XAnge, die ihre Wurzeln in Frankreich haben, sowie Gimv (Hauptsitz in Belgien) vorgestellt. Alle drei Gesellschaften verwalten für Investitionen in Technologieunternehmen deutlich über 300 Mio. EUR und haben teilweise eine Tradition, die bis in die 1980er-Jahre zurückreicht. „Das Porträt hat definitiv dazu beitragen, unsere Marke in Deutschland bekannter zu machen“, freut sich Dr. Wolfgang Krause von Seventure Partners. Im Gegenzug kann er mit der Serie aber auch seine Neugier stillen, bekennt er: „Das VentureCapital Magazin ist seit zehn Jahren mein treuer Begleiter, ob als Investor oder Unternehmer. Insbesondere die Reihe Investor im Portrait bietet einen tollen Überblick über die Strategien der doch recht überschaubaren Investorenszene in Deutschland.“           

Torsten Paßmann

Corporate Venture Capital-Gesellschaften im Portrait

Name                                                  Ausgabe
Accenture Technology Ventures             10/2001
Accera Venture Partners                       11/2003
B-business partners BV                        10/2002
DuMont Venture Holding                        7–8/2009
Holtzbrinck networXs                             8/2003
RWE Dynamics Venture Capital Management    4/2004
SAP Ventures                                      11/2001
Siemens Mobile Acceleration                 7/2003
Vorwerk Direct Selling Ventures             10/2008