„Die Branche muss ihre Hausaufgaben machen“

VC Magazin: Herr Dr. Terhart, seit gut zwei Monaten dürfte Ihre Reisetätigkeit gen Berlin signifikant abgenommen haben. Wie lautet das Fazit Ihrer Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender?

Terhart: Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dem, was während meiner aktiven Zeit beim BVK erreicht wurde. Wir haben eine gute Basis geschaffen, auf der die Nachfolger nun aufbauen können. Prägend war natürlich die Debatte um die AIFM-Richtlinie. Hier ist es dem Verband, gerade der ehemaligen Geschäftsführerin Dörte Höppner und meinem Vorstandskollegen Hanns Ostmeier, hoch anzurechnen, gestaltend eingegriffen zu haben. Verbandsintern haben sich die unterschiedlichen Interessen innerhalb des Verbands in der Schaffung einer Doppelspitze niedergeschlagen. Durch die beschlossene Modernisierung der Tarifstruktur haben wir die Handlungsfähigkeit des Verbands aufrechterhalten. Beschlossen wurde außerdem, in Kooperation mit der TU München den Bildungssektor neu auszurichten. Natürlich ist es andererseits schade, dass sich die institutionellen Rahmenbedingungen nur wenig verändert haben.

VC Magazin: Herr Kues, Sie sind inzwischen seit Mai im Amt. Was steht in Ihrer Prioritätenliste als BVK-Vorstandsvorsitzender aktuell ganz oben?

Kues: Ich wünsche mir für die kommenden Jahre, dass Private Equity als sinnvoller, nützlicher und auch sympathischer Finanzierungsbaustein empfunden wird. Unsere Branche muss sich fragen, welchen Nutzen Private Equity bietet. Nur wenn man vom politischen wie gesellschaftlichen Umfeld als nützlich betrachtet wird, ist es möglich, seinen Platz im Wirtschaftsleben einzunehmen. Wir sind in den vergangenen Jahren in Deutschland zwar bekannt geworden, Sympathiepunkte sind das aber noch lange nicht.

VC Magazin: Im zweiten Quartal 2011 wurde laut VC-Panel von Fleischhauer, Hoyer & Partner 20% weniger investiert als im Vorjahreszeitraum. Auch die Anzahl der Beteiligungen ist gefallen. Erste Erfolgsmeldungen gibt es hingegen beim Fundraising. Wie beurteilen Sie die Lage aktuell?

Kues: Private Equity ist im Gegensatz zu Kapitalmarktfinanzierungen eine eher langfristig angelegte Finanzierungsform, deshalb ist es nicht unbedingt aussagekräftig, nur von Quartal zu Quartal zu blicken. Beteiligungskapital hat in Deutschland hervorragende Perspektiven, beispielsweise im Bereich Unternehmensnachfolge oder Konzernentflechtung.
Terhart: Der Makrotrend spricht für das Potenzial der Branche: Mit Fremdkapitalfinanzierungen werden sich Unternehmen aufgrund der strengeren Regulierungsvorschriften immer mehr bescheiden müssen. Das gibt der Eigenkapitalfinanzierung langfristigen Rückenwind.

VC Magazin: Wo sehen Sie die Early Stage-Szene derzeit?

Kues: Für den Early Stage-Bereich würde ich mir wünschen, dass wir hier noch einen deutlichen Schritt vorankommen. Das wird nur mit flankierenden staatlichen Rahmenbedingungen zu erreichen sein. Aber auch die Szene selbst ist gefragt: Sie sollte das Augenmerk stärker darauf setzen, wirkliche Leuchttürme zu schaffen, also Technologiefirmen, die mit Venture Capital entstehen und positive Vorbildwirkung haben. Die Frühphasenfinanzierung hierzulande leidet außerdem darunter, dass es zu wenige Teams gibt, die wirklich sichtbar erfolgreich sind. Denn finanzielle Mittel werden durch Erfolg angezogen, nicht indem man volkswirtschaftliche Notwendigkeiten betont.

VC Magazin: Als bekannt wurde, dass die KfW Bankengruppe ihr Engagement in Venture Capital-Fonds herunterfährt und einen neuen Mittelstandsfonds finanziert, gab es Kritik aus der Branche. Wie nehmen Sie hier die aktuelle Situation in Bezug auf die Kapitalversorgung im Mittelstand und den Förderauftrag der KfW wahr?

Terhart: Die Grundsatzentscheidung der KfW, sich aus dem Venture Capital-Bereich zurückzuziehen, wurde von einigen BVK-Mitgliedern beklagt. Gerade für Fonds, die im Fundraising sind und die nun anderen Investoren erklären müssen, warum die deutsche Staatsbank sie nicht mehr unterstützt, ist das natürlich ein Problem. Im Augenblick müssen wir diese Entscheidung aber so akzeptieren. Wir haben ja auf der anderen Seite nach wie vor ein großes Instrumentarium in der Förderszene, dazu zählt auch das ERP-Startprogramm, das von der KfW verwaltet wird. Das ist also eine zweischneidige Entwicklung: Die KfW fördert nicht mehr die einzelnen Fonds, will aber durchaus das Innovationsgeschehen anreichern.

Kues: Meiner Ansicht nach täte es der KfW gut, einen Strategiefindungsprozess anzustoßen. Private Equity ist eine langfristige Finanzierungsform, darum braucht gerade eine Förderbank auch eine langfristige Strategie – und die kann ich derzeit nicht erkennen. Eine Förderbank muss einem Förderauftrag nachkommen und soll sich nicht am Markt ausrichten. Dass die KfW parallel zu anderen Anbietern einen Mittelstandsfonds auflegt, ist nicht kompatibel zum Förderauftrag, der ein antizyklisches Verhalten vorsehen würde.

VC Magazin: Welche Wünsche und Forderungen haben Sie aktuell an die Politik, was die Verbesserung der aktuellen Rahmenbedingungen angeht, und wie schnell könnten sie umgesetzt werden?

Kues: Ich bin nicht dafür, eine Liste von Forderungen vor sich her zu tragen. Die Branche muss schon auch selbst ihre Hausaufgaben machen. Auf der Agenda stehen aber natürlich Themen wie die Steuertransparenz oder der Verlustvortrag. Wir bitten hier ja nur darum, vergleichbar zu anderen behandelt zu werden. Wir sind ja ein eher ungewöhnlicher Verband, der von sich aus um Regulierung bittet, um Willkür und Wildwuchs zu beschränken.

Terhart: Neben einer Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen braucht die Branche hierzulande vor allem auch Fürsprache in der Öffentlichkeit durch Dritte, die die Bedeutung von Private Equity glaubhaft machen können. Und in der politischen Kultur müssen wir dahin kommen, dass Private Equity als Selbstverständlichkeit angesehen und nicht ständig infrage gestellt wird.

VC Magazin: Herr Kues, welches Fazit würden Sie in zwei Jahren zum Abschluss Ihrer Vorstandstätigkeit gerne ziehen?

Kues: Mir wären zwei Dinge wichtig: Es soll uns zum einen gelingen, den Verband weiter zu formen als ein homogenes, aber gleichzeitig vielfältiges Gebilde. Zweitens würde ich mir wünschen, dass Private Equity in einigen Jahren wie selbstverständlich als nützlicher und wichtiger Baustein der Unternehmensfinanzierung wahrgenommen wird.

VC Magazin: Herzlichen Dank für das Gespräch!    

Das Interview führte Susanne Gläser.

Zu den Gesprächspartnern

Matthias Kues ist Sprecher der Geschäftsführung der Nord Holding (www.nordholding.de) und seit diesem Juni neuer Vorstandsvorsitzender des Branchenverbandes BVK (www.bvkap.de). Sein direkter Vorgänger in dieser Funktion war von 2009 bis 2011 Dr. Peter Terhart, hauptberuflich Vorstandsvorsitzender der S-Refit AG (www.s-refit.de).