Interview mit Tillmann Stenger und Olav Wilms, ILB: „Unser Ziel ist es, mehr Eigenkapital anzubieten“

VC Magazin: Brandenburg wurde zuletzt als „Europäische Unternehmerregion 2011“ und von der Europäischen Kommission als „Exzellenz-Region“ ausgezeichnet. Gleichzeitig gibt es große Unterschiede, was die wirtschaftliche Dynamik der einzelnen Gebiete innerhalb des Bundeslands angeht. Wo liegen die Stärken der Region? In welchen Punkten sehen Sie Förderbedarf? Stenger: In den vergangenen 20 Jahren wurden hierzulande sehr gute Arbeits-, aber auch Lebensbedingungen geschaffen. Brandenburg weist inzwischen eine sehr gut ausgebaute, wirtschaftsnahe Infrastruktur und eine breit aufgestellte Forschungslandschaft auf, z.B. an den Standorten Potsdam, Wildau, Frankfurt an der Oder und Cottbus. Viele Technologiezentren sorgen für den Wissenstransfer. Natürlich ist das Bundesland nicht an allen Standorten gleich stark, die wirtschaftliche Aktivität ist regional noch recht unterschiedlich ausgeprägt. Das Land reagiert darauf u.a. durch die Etablierung sogenannter regionaler Wachstumskerne und Industriecluster, die man schwerpunktmäßig fördern möchte. Wilms: Im Bereich Venture Capital ist ebenfalls bereits ein starkes Umfeld entstanden. Aufgrund rückläufiger Fördermittel wird die Bedeutung von Eigenkapital und eigenkapitalnahen Finanzierungen weiter steigen – dieser Situation wollen wir uns stellen und unser Angebot sowohl im Venture Capital-Bereich als auch für etablierte mittelständische Unternehmen ausbauen.   VC Magazin: Das Förderangebot der ILB für Unternehmen reicht von Darlehen und Zuschüssen bis zu Beteiligungskapital. Welche Förderinstrumente werden derzeit am häufigsten nachgefragt? Stenger: Es besteht nach wie vor eine sehr hohe Nachfrage nach Zuschüssen. Aber auch zinsgünstige Darlehensprogramme sind bei Brandenburger Unternehmen sehr beliebt, hier haben wir aus Eigenmitteln die Produktreihe Brandenburg-Kredit aufgelegt. Die ILB hat bis heute Fördermittel in einem Volumen von insgesamt 30 Mrd. EUR ausgereicht – und damit Investitionen in Höhe von 70 Mrd. EUR angeschoben. Heute überlegen wir genau, in welchen Bereichen Förderung noch notwendig und sinnvoll ist und welche Bereiche der private Kapital- und Bankensektor übernehmen kann. Wir konzentrieren uns z.B. auf die Ansiedlung von Unternehmen in Brandenburg und eine Basisförderung im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen. Wilms: Sehr gute Resonanz zeigen unsere Eigenkapitalfonds, der BFB Wachstumsfonds Brandenburg und der BFB Frühphasenfonds Brandenburg. Wir verzeichnen Anfragen im dreistelligen Bereich – für ein Flächenland wie Brandenburg ist das hervorragend. Auch mit der Qualität der Anfragen sind wir zufrieden – wir sehen viele interessante Projekte.   VC Magazin: Im Bereich Eigenkapital hat sich die ILB in den vergangenen Monaten neu aufgestellt. Wie wollen Sie Ihr Angebot zukünftig ausrichten? Stenger: Wir haben im vergangenen Jahr das Beteiligungsgeschäft der Tochter BC Brandenburg Capital in die ILB integriert. Das hat sich gelohnt: Wir haben jetzt alle Eigenkapitalprodukte in einem Bereich gebündelt und uns damit effizienter aufgestellt. Wilms: Mit dem Brandenburg-Kredit Mezzanine und dem BFB Frühphasenfonds Brandenburg haben wir außerdem zwei weitere Produkte in diesem Bereich geschaffen. Und wir planen eine weitere Vergrößerung der Palette: Wir arbeiten gerade an der Konzeption neuer Beteiligungsfonds, für die wir EU-Mittel einwerben wollen, die in den kommenden Jahren ausgereicht werden. Insgesamt wollen wir ein Volumen von 50 bis 100 Mio. EUR erreichen. Auch die Etablierung von Fonds ohne EU-Mittel als Refinanzierungsquelle ist Bestandteil unseres Planungsprozesses, um Angebotslücken zielgerichtet schließen zu können.   VC Magazin: Vier Ihrer Eigenkapitalfonds befinden sich bereits in der Desinvestitionsphase. Welche Performance haben die Fonds bislang erzielt? Wilms: Bei den klassischen Venture-orientierten Fonds werden die Desinvestitionsphasen teilweise noch bis 2014 laufen. Aus heutiger Sicht lässt sich jedoch bereits sagen, dass wir mit einer durchaus Venture Fonds-gerechten Rendite rechnen können. Bei den wirtschaftsfördernden Fonds, deren Ziel es ist, Impulse für die Wirtschaft zu setzen, muss die Performance auch unter dem Aspekt betrachtet werden. Auch hier ziehen wir bislang eine positive Bilanz.   VC Magazin: Junge Unternehmen klagen hierzulande über die mangelnde Verfügbarkeit von Venture Capital. Welche Rolle können Förderbanken spielen, um die Situation zu verbessern? Wilms: Gerade in sehr frühen Phasen sind Förderbanken und die öffentliche Hand an sich gefragt, weil hier private Investoren vergleichsweise wenig investieren. Ziel ist es, Unternehmen durch die erste Entwicklungsphase zu begleiten, um sie fit zu machen für eine breitere Investorenbasis. Wir können außerdem den Zugang der Unternehmen zu Venture Capital-Gesellschaften erleichtern, weil wir über Jahre hinweg ein stabiles Netzwerk in der Branche aufgebaut haben. Stenger: Durch unser Koinvestmentmodell holen wir privates Kapital nach Brandenburg, das sonst seinen Weg vielleicht nicht gefunden hätte. Beispielsweise konnten wir mit jedem Euro, den unser Wachstumsfonds ausgereicht hat, 2 EUR Kapital von Koinvestoren einwerben.   VC Magazin: Zahlreiche Unternehmen stehen in den kommenden Monaten und Jahren vor der Herausforderung, ihr Mezzanine-Kapital zu refinanzieren. Verzeichnen Sie hier bereits eine erhöhte Nachfrage? Stenger: Nein. Ins Land Brandenburg dürften unserer Schätzung nach 80 bis 100 Mio. EUR aus den standardisierten Mezzanine-Programmen der Vergangenheit geflossen sein. Das Volumen ist hierzulande also deutlich geringer, als bundesweite Studien suggerieren. Nichtsdestotrotz ist Nachrangkapital auch für Unternehmen in Brandenburg ein sehr wichtiger Bestandteil der Unternehmensfinanzierung. Mit unseren Mezzanine-Produkten legen wir allerdings den Schwerpunkt auf Wachstums- und Expansionsfinanzierungen.   VC Magazin: Zum ersten Mal lädt die ILB im kommenden November zu einem Brandenburger Eigenkapitaltag. Was hat Sie dazu veranlasst, eine solche Veranstaltung ins Leben zu rufen? Mit welchen Wünschen und Erwartungen blicken Sie der Veranstaltung entgegen? Stenger: Ziel der ILB ist es, in Zukunft vor dem Hintergrund rückläufiger Fördermittel verstärkt Darlehen und insbesondere auch mehr Eigenkapital und eigenkapitalnahe Finanzierungsprodukte anzubieten. Mit der Konferenz wollen wir dafür den Boden bereiten. Der Tag soll eine Plattform sein für den Austausch zwischen Unternehmern, Investoren und Multiplikatoren und Bewusstsein schaffen für den Finanzierungsbaustein Beteiligungskapital.   VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!        susanne.glaeser(at)vc-magazin.de     Zu den Gesprächspartnern Tillmann Stenger ist Mitglied des Vorstandes der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB). Olav Wilms ist als Bereichsleiter Beteiligungsmanagement verantwortlich für das Eigenkapitalgeschäft der Bank. Die ILB ist die Förderbank des Landes Brandenburg. Ihre Beteiligungsfonds verwalten derzeit ein Gesamtvolumen von 150 Mio. EUR.