Da rührt sich was

Neuer Trend Crowdinvesting

Um die ersten Schritte zu gehen und grundlegende Ideen verwirklichen zu können, benötigen viele Start-ups keine allzu großen Beträge. Mindestens ebenso wichtig wie Kapital ist es für sie meist, auf sich aufmerksam zu machen und erste Kunden zu gewinnen. Die Antwort auf beide Herausforderungen lautet in vielen Fällen Crowdinvesting: Über eigens konzipierte Internetplattformen können Jungunternehmen sich und ihre Geschäftsidee der Öffentlichkeit präsentieren; die User können, wenn sie für die Idee Feuer gefangen haben, bereits mit kleinen Beträgen Mikrobeteiligungen am Start-up eingehen. Meist geben sie den Hinweis auf das vielversprechende Start-up auch gleich noch in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis weiter – via Social Media verbreiten sich solche Tipps innerhalb weniger Sekunden über das ganze Internet. Die Start-ups auf der Crowdinvesting-Plattform profitieren also in doppelter Hinsicht: Ihnen fließt Eigenkapital zu und sie bekommen kostenlose Werbung – in vielen Fällen verleiht das Konzept dem Unternehmensstart einen deutlichen Schwung. Deutscher Marktführer ist derzeit Seedmatch: Seit dem Launch im Mai 2011 hat die Online-Plattform 21 Unternehmen zu über 2 Mio. EUR verholfen. Die User zeigten in vielen Fällen eine regelrechte Begeisterung: Das Start-up Bloomy Days erreichte innerhalb von 19 Minuten die Funding-Schwelle von 50.000 EUR, easyCard kam in nur 87 Minuten auf 100.000 EUR. Plattformen wie Companisto, Deutsche-Mikroinvest.de oder Innovestment ziehen nach und dürften Jungunternehmen künftig auch weitere Finanzierungswege per Crowd eröffnen.

Engel für Gründer

Bislang sind die Crowdinvestments allerdings aus regulatorischen Gründen bei 100.000 EUR gedeckelt. Mehr als einen Anfangsschwung können die Plattformen bislang – noch – nicht bieten. Gerade bei aussichtsreichen, aber teuren Technologien oder Geschäftsmodellen, die schnell große Reichweiten erzielen müssen, ist es mit dieser Summe nicht getan. In sehr frühen Unternehmensphasen sind Business Angels oft interessante Ansprechpartner: Meist sind diese Privatinvestoren selbst erfolgreiche Unternehmer oder Manager und wissen, wie man ein Geschäft aufbaut. Sie können deshalb nicht nur finanzielle Unterstützung bieten, sondern stehen den Gründern auch mit Rat und Tat zur Seite, vermitteln Kontakte und zeigen neue Wege auf. Die Angels investieren aus privatem Vermögen und meiden meist das Rampenlicht. Der Sektor ist deshalb höchst informell, exakte Statistiken über die Anzahl von Angels in Deutschland oder deren Investitionstätigkeiten fehlen bislang. Offizielle Schätzungen gehen von rund 5.000 aktiven Privatinvestoren aus – die tatsächliche Zahl dürfte allerdings weit darüber liegen. Business Angels schließen sich immer stärker in Netzwerken zusammen, die meist regional agieren und für Gründer eine Anlaufstelle bieten, über die sie Angels erreichen können. Das Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) als Dachverband der Branche bietet ebenfalls die Möglichkeit, Businesspläne einzureichen, die dann innerhalb des Netzwerks weitergegeben werden.

Öffentliche Investoren auf dem Vormarsch

Die Bedeutung der Business Angels für die Finanzierung ganz junger Unternehmen in der sogenannten Seed-Phase hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Viele der großen, institutionellen Venture Capital-Gesellschaften hatten zuletzt Schwierigkeiten dabei, Kapital für neue Fonds einzusammeln. Unter dem Einfluss der Weltwirtschafts- und Eurokrise suchen deren Investoren vor allem Sicherheit. Deswegen setzen viele Frühphasenfonds auf die Finanzierung späterer Entwicklungsphasen, die nicht mehr so stark risikobehaftet sind wie die frühen Anfangsstadien. Eingesprungen ist neben den Business Angels auch die öffentliche Hand: Staatliche Vehikel sind laut der Statistik des VC Panels der Beratungsgesellschaft FHP Private Equity Consultants in den vergangenen Jahren teilweise genauso viele Beteiligungen an jungen Firmen eingegangen wie private Investoren. Zu den aktivsten deutschen Venture Capital-Gebern gehört entsprechend der High-Tech Gründerfonds (HTGF), den die Bundesregierung gelauncht hat und der sich neben öffentlichen Mitteln auch aus Kapital großer deutscher Konzerne wie SAP, BASF oder Evonik speist. Seit seiner Gründung 2005 hat der HTGF 250 Hightech-Unternehmen finanziert, 2011 startete der zweite Fonds mit einem derzeitigen Volumen von knapp 300 Mio. EUR. Während der HTGF deutschlandweit Beteiligungen eingeht, unterstützen eine Vielzahl öffentlicher und halböffentlicher Anbieter aber auch gezielt Unternehmen in ihrer Region, wie beispielsweise die NRW.Bank, die IBB Beteiligungsgesellschaft in Berlin oder LBBW Ventures in Baden-Württemberg, um nur einige wenige zu nennen.

Inkubatoren bringen Schwung

Die Finanzierungslücke, die in der frühen Unternehmensphase häufig klafft, haben in den vergangenen Jahren außerdem sogenannte Inkubatoren gefüllt. Erfolgreiche Unternehmensgründer, die schon Start-ups aufgebaut und lukrativ verkauft haben, wie die Samwer-Brüder, Michael Brehm, Lukasz Gadowski, Lars Hinrichs oder Stefan Pfannmöller haben in den vergangenen Monaten eigene Firmenschmieden gegründet. Dabei unterscheidet sich das Modell von Rocket Internet oder Team Europe von klassischen Venture Capital-Fonds: Die Inkubatoren suchen nicht Gründerteams mit guten Ideen, sondern entwickeln meist eigene Geschäftspläne und entwickeln sie zusammen mit meist angestellten und nur in geringem Umfang beteiligten Managern. Hochburg der neuen Finanzierer ist Berlin, das Bestätigungsfeld liegt meist im Internet. Die wohl beeindruckendste Wachstumsstory, die Berliner Start-up-Schmieden bislang hervorgebracht haben, ist die rasante Entwicklung des Onlineshops Zalando. Das 2009 in der Obhut von Rocket Internet gegründete E-Commerce-Unternehmen konnte die Investoren Holtzbrinck Ventures, Tengelmann und Kinnevik an Bord holen, beschäftigt heute über 1.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2011 einen Umsatz von 510 Mio. EUR.

Klassisches Venture Capital stagniert

Soweit müssen viele andere erst noch kommen. Wenn erste Referenzkunden gewonnen sind oder der Prototyp entwickelt ist, brauchen Start-ups meist die nächste Kapitalspritze. Jetzt lohnt es sich, bei Venture Capital-Gesellschaften vorzusprechen – sie bieten das Kapital und das Know-how für einen Rollout in großem Stil oder die nächsten notwendigen Entwicklungsschritte. Zwar verharren die Wagniskapitalinvestitionen in Deutschland laut Statistik des Bundesverbands deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) seit Jahren auf ähnlichem Niveau und sind im ersten Halbjahr 2012 sogar rückläufig gewesen; dennoch gelingt es vielversprechenden Start-ups immer wieder, größere Finanzierungsrunden einzuwerben. Das VC-Panel, das quartalsweise die Investmentaktivitäten von 36 führenden deutschen Venture Capital-Gesellschaften erhebt, zählte 2011 129 Erstrundenfinanzierungen, im ersten Halbjahr 2012 registrierte es 74 Neuinvestments. Insgesamt haben die untersuchten deutschen Marktführer 2011 590 Unternehmen finanziert – Folgeinvestments eingeschlossen – und dabei 450 Mio. EUR Kapital zur Verfügung gestellt. Zu den aktivsten Investoren gehörten im vergangenen Jahr die IBB Beteiligungsgesellschaft mit 36 Investments, Holtzbrinck Ventures mit 28 und Wellington Partners mit 27 Beteiligungen. Das meiste Kapital stellten laut VC-Panel mit 42 Mio. EUR die MIG Fonds bereit, Wellington Partners reichten 30 Mio. EUR aus, Earlybird Venture Capital 28 Mio. EUR.

Fazit:

Der deutsche Venture Capital-Markt ist in Bewegung: Zu den etablierten Frühphasengesellschaften sind in den letzten Jahren zahlreiche öffentliche Investoren gestoßen, neue Modelle wie Inkubatoren oder Crowdinvesting-Plattformen bereichern die Szene zusätzlich. Auch Business Angels treten immer aktiver in den Markt. Start-ups mit nachhaltigem Geschäftskonzept können von dieser Vielfalt profitieren und Investoren auf unterschiedlichen Wegen ansprechen.

 

 

Susanne Gläser