IKT.Gründungen@Deutschland

PantherMedia/Hannu Viitanen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zählt etwa 11.000 IKT-Unternehmensgründungen jährlich – und dies mit steigender Tendenz. Trotz dieser hohen Bedeutung können immer noch eine ganze Reihe von strukturellen Schwächen beobachtet werden, die das E-Entrepreneurship und die daraus folgenden IKT-Gründungen in Deutschland beeinträchtigen und uns im internationalen Vergleich zurückwerfen. Diese wurden in den sogenannten Essener Thesen zum E-Entrepreneurship thematisiert.

These 1: Niedrige Gründungsneigung und hohe Risikoaversion der Deutschen kombiniert mit der Schwierigkeit, junge Menschen für naturwissenschaftliche Fächer wie die Informatik zu begeistern, beeinträchtigen die IKT.Gründungen@Deutschland.

Internationale Vergleichsstudien wie der Global Entrepreneurship Monitor zeigen für Deutschland kontinuierlich eine in Relation zu anderen wirtschaftlich entwickelten Staaten geringe Gründungsneigung. Zum Vergleich: Die Nascent Entrepreneurship Rate (Gründungsvorhaben) ist in den USA auch relativ gesehen mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Wir liegen im europäischen Vergleich u.a. hinter England, den Niederlanden, Frankreich und Schweden zurück. Das gilt auch für die tatsächliche Early Stage Entrepreneurial Activity (TEA). In den USA werden pro Monat ca. 540.000 New Business-Aktivitäten gestartet, davon 12,2% im Bereich E-Commerce und Online-Aktivitäten sowie 25,2% im Bereich Internet Publishing.

These 2: Es fehlt die Entwicklung spezifischer Bildungsangebote für IKT-Unternehmensgründer, da eine allgemeine Gründerlehre ohne jeglichen Branchenbezug nicht ausreicht für die Steigerung der IKT.Gründungen@Deutschland.

Die Ausbildung und Sozialisierung von IKT-Experten vernachlässigt konsequent die Entwicklung einer unternehmerischen Mentalität. Die Curricula von Universitäten und Fachhochschulen zielen primär auf Tätigkeiten in Forschung und in Großunternehmen ab. Gleichzeitig konzentriert sich die Förderung von Gründungskompetenzen an Hochschulen oftmals auf betriebswirtschaftliche Studiengänge – es ist notwendig, vermehrt Studierende zu erreichen, die in Informatik-Studiengängen eingeschrieben sind. Dabei haben empirische Studien gezeigt, dass IKT-Unternehmensgründer im Vergleich zu anderen Hochtechnologiegründern substanziell jünger sind – mit der Ausbildung muss folglich so früh wie möglich begonnen werden.

These 3: Es fehlen innovative Formen der Gründungsfinanzierung wie beispielsweise staatliche Koinvestment-Programme für Business Angels zur Steigerung der IKT.Gründungen@Deutschland.

Trotz eines verhältnismäßig geringen Kapitalbedarfs sehen mehr als 40% der IKT-Gründer einer Studie des BMWi zufolge die Finanzierung des Unternehmens als größtes Problem. Gerade privates Engagement zur finanziellen Unterstützung von IKT-Unternehmensgründern in frühen Phasen der Unternehmensentwicklung ist in Deutschland noch verhältnismäßig gering ausgeprägt. Deutschland zählt etwa 5.000 sogenannte Business Angels, d.h. informelle private Investoren, während in den USA geschätzte 200.000 Business Angels aktiv sind. Geht man in beiden Ländern von vergleichbarem Potenzial an solventen und qualifizierten Investoren aus, so wäre eine Verzehnfachung deutscher Business Angels realisierbar. Bislang werden – nach Informationen des BMWi – nur etwa 13% der jungen IKT-Unternehmen von Business Angels unterstützt. Im Ergebnis werden Start-ups der IKT-Branche in den USA in der Hälfte der Zeit mit dem x-fachen mehr an Startkapital ausgestattet als in Deutschland. Staatliche Koinvestment-Programme könnten dazu beitragen, weitestgehend verzerrungsfrei in diesen unterentwickelten Markt einzugreifen und diesen essenziellen Investorentyp zu unterstützen und zu entwickeln.

These 4: Es fehlt noch die langfristige Entwicklung einer „Gründermetropole der IKT“, damit Deutschland ebenso wie von seinem Finanzzentrum Frankfurt am Main auch von einer IKT-Hauptstadt als internationales Cluster profitiert, um IKT.Gründungen@Deutschland zu fördern.

Wirtschaftsgeografische Studien haben zudem gezeigt, dass das Innovationspotenzial einer Region überproportional mit der Bevölkerungsanzahl steigt. Im europäischen Vergleich kann entsprechend beobachtet werden, dass drei Regionen (Paris, die Lombardei, Madrid) bereits 10% der europäischen IKT-Aktivitäten aufeinander vereinen. Hinzu kommt natürlich noch London als weitere IKT-Metropole. Deutsche Metropolen wie Berlin oder München fallen dahinter zurück und sollten folglich gestärkt werden – nach von Bitkom präsentierten Zahlen bilden 4.400 Berliner IKT-Unternehmen dazu beispielsweise eine geeignete Grundlage. Ob es dabei unbedingt die eine einzige Gründerstadt sein muss, kann man diskutieren.

These 5: Es fehlen noch das Selbstbewusstsein der IKT-Gründer und die Rahmen-bedingungen, um auch selbst innovativere IKT-Geschäftsmodelle aus Deutschland heraus weltweit zu etablieren und somit den IKT.Gründungen@Deutschland auch im internationalen Wettbewerb ein Gesicht zu geben.

Gründungsraten im IKT-Bereich, die unter ihrem eigentlichen Potenzial bleiben, gehen mit einer Konzentration auf die großen technologischen Trends aus den USA einher. Um die absolute Zahl von Gründern in den wirklichen Hochpotenzialbereichen zu erhöhen, ist es notwendig, die Gründungsrate gerade auch über innovative Geschäftsmodelle zu steigern. Mehr innovative Gründer gehen dann Hand in Hand mit weiteren Gründern in dem neuen Gebiet. Natürlich ist kopieren nicht gleich kopieren und es ist schwer, gegen die Start-up- und Finanzierungskultur in den USA zu bestehen; trotzdem müssen sich Copycats und Innovationen in Deutschland nicht ausschließen. Erfolgreiche Copycats waren wichtig, um wieder ein funktionierendes Ökosystem zum E-Entrepreneurship in Deutschland in Gang zu bekommen, aber der Vorsprung der anderen kann eben nicht eingeholt werden, wenn nicht auch eigene Innovationen hervorgebracht und auch finanziert werden.

Im Ergebnis brauchen wir eine IKT.Gründungsagenda für Deutschland mit folgenden Eckpunkten:

Faktor I für „Individuum“: Maßnahmen zur Ausbildung von IKT-Gründern und IKT-Personal sowie die Verbesserung des Images und Steigerung der Bekanntheit von IKT-Gründern in Deutschland.

Faktor K für „Kapital“: Maßnahmen für innovative Finanzierungs- und Fördermodelle zur finanziellen Unterstützung der IKT-Gründer in Deutschland.

Faktor T für „Transfer“: Maßnahmen für technische (Breitband) und kommunikative (Netzwerke) Infrastruktur für IKT-Gründer innerhalb einer IKT-Metropole.

Ferner brauchen wir einen politischen Ansprechpartner für das Thema IKT-Gründungen innerhalb der Bundesregierung. Das wäre ein starkes und auch wichtiges Signal für die IKT-Gründerlandschaft in Deutschland!