Überblick über die deutsche Venture Capital-Landschaft

Mehr als nur Kapital

Dr. Michael Brandkamp, HTGFBeim Aufbau eines Unternehmens können Gründer jedoch nicht nur auf finanzielle Unterstützung hoffen, die meisten Venture Capital-Gesellschaften betrachten sich als aktive Partner. „Sehr wichtig ist oft Unterstützung im HR-Bereich, also bei der Suche nach den richtigen Mitarbeitern. Hier haben wir schon bei über 100 Management-Ergänzungen und -Replacements aktiv geholfen, sowohl durch Personalberatungsgesellschaften als auch durch unsere eigene wachsende Datenbank an guten Managern“, berichtet Brandkamp. Daneben bringen Venture Capitalisten in eine Beteiligung auch ihr eigenes Netzwerk mit ein. So helfen sie beispielsweise, wenn es im Start-up zu Problemen kommt und vermitteln Experten, die bei der Lösung helfen. Auch wenn zusätzlicher Kapitalbedarf entsteht, können Beteiligungsgesellschaften den Gründern helfen, Investoren zu treffen. Ein weitere Punkt, bei dem Venture Capital-Gesellschaften ihren Portfoliounternehmen einen Mehrwert liefern, ist die Vernetzung mit wichtigen Playern in den jeweiligen Märkten. „Dazu kommt bei Venture Capital-Gesellschaften die Kenntnis, wie man Unternehmen groß macht, das heißt, wie man Wachstum organisiert, es gestaltet und auch wie man eine Internationalisierung umsetzt“, weiß Brandkamp. Hier sei es für Deutschland allerdings ein Nachteil, dass die großen Tickets von heimischen Wagniskapitalgebern kaum mehr geschrieben würden.

Großer Einfluss, geringe Wahrnehmung

Wolfgang Seibold, BVK„Leider wird Venture Capital in Deutschland nach wie vor als Randthema betrachtet. Dabei reden wir über Investitionen in riesige Zukunftsmärkte, die für die wirtschaftliche Zukunft des Landes eine hohe strategische Bedeutung haben werden“, stellt BVK-Vorstandsmitglied Seibold fest. Ein Blick nach Amerika verdeutlicht seine These: Dort werden heute 21% des Bruttoinlandsprodukts von Unternehmen erwirtschaftet, die noch vor wenigen Jahren als Start-ups von Venture Capital-Gesellschaften unterstützt wurden. Prominenteste Beispiele hierfür sind Unternehmen wie Google oder Apple. Das gleiche gilt für 11% aller privatwirtschaftlichen Arbeitsplätze in Amerika. Von solchen Werten ist die deutsche Gründerlandschaft zwar noch weit entfernt, dennoch: Allein in Berlin haben Start-ups aus dem IKT-Bereich – sicherlich nicht alle Venture Capital-finanziert – im Jahr 2012 etwa 3.300 neue Arbeitsplätze geschaffen. Darüber hinaus stammen 4,2% der gesamten Wirtschaftsleistung in der Hauptstadt aus diesem Bereich. In absoluten Zahlen bedeutet das eine Bruttowertschöpfung von 3,9 Mrd. EUR. Eine Entwicklung, die scheinbar bei der Politik nicht unbemerkt blieb, wie Seibold erklärt: „Wir beobachten momentan bei fast allen Parteien eine positive Aufgeschlossenheit für die Themen Unternehmertum und Gründerlandschaft Deutschland. Dabei haben auch die meisten Parteien erkannt, wie wichtig Finanzierungsmöglichkeiten und deren Verfügbarkeit für einen unternehmerischen Wandel in Deutschland sind.“ Leider sei es in der Politik aber ein langer Weg, bis aus einer Stimmung echte Maßnahmen würden. „Daher ist es für uns wichtig, mit den handelnden Personen über konkrete Maßnahmen zu sprechen“, kündigt Seibold an.

Fazit

Zwar sind aktuell die großen Finanzierungsrunden in der deutschen Venture Capital-Landschaft noch selten gestreut, doch spielen Wagniskapitalgeber hierzulande nach wie vor eine wichtige Rolle beim erfolgreichen Aufbau von Unternehmen. Die positive Berichterstattung gerade um die gehypte Berliner Internetszene lässt zudem ausländische Investoren auf den Markt hierzulande aufmerksam werden – für diese sind Ticketgrößen von mehreren Millionen Euro nichts Außergewöhnliches. Zudem scheint auch die Politik zunehmend zwischen Schattenbanken, Heuschrecken und Frühphaseninvestoren zu unterscheiden, was für Entscheidungen für die Branche von Vorteil wäre.