Interview mit Dr. Christian Wegner, ProSiebenSat1

ProSiebenSat1

VC Magazin: Die Industrie entdeckt unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ die Start-ups für sich. Gibt es in der Medienbranche eine ähnliche Entwicklung?
Wegner: Selbstverständlich ist diese Entwicklung auch für eine etablierte Branche wie die TV-Industrie hoch spannend. Für uns sind insbesondere Start-ups im E-Commerce-Bereich interessant. Beide Welten befruchten sich gegenseitig: Wie schnell in der Start-up-Welt Ideen entwickelt und auf die Straße gebracht werden, ist für uns Ansporn und Inspiration zugleich. Junge Unternehmer profitieren auf der anderen Seite enorm von der Stärke des Fernsehens. Wir haben hierfür eigens ein Firmen-Segment aufgebaut, in dem die Gründer sehr autark ihr Geschäft vorantreiben und wir als Konzern Value Add in Form von Medialeistung und Firmen-Beteiligungen beisteuern.

VC Magazin: Vorreiter für den digitalen Wandel in der Printbranche ist Axel Springer – auch bedingt durch den zunehmenden Rückgang der Zeitungs- und Zeitschriftenverkäufe. Beugen TV-Broadcaster durch ihre Investments in Start-ups einer solchen Zukunft vor?
Wegner: Wir sind in der glücklichen Lage, mit TV ein starkes, gesundes Kerngeschäft zu haben, das hoch-profitabel ist. Und darauf bauen wir auf. Unser Ziel ist es, möglichst synergetisch zum Fernseh-Geschäft neue Geschäftsfelder zu erschließen, beispielsweise mit maxdome oder MyVideo. Zudem haben wir innerhalb der letzten drei Jahre ein Venture-Portfolio geschaffen, das bereits mehr als 70 Partnerschaften und Beteiligungen umfasst. So unterschiedlich all diese Geschäftsbereiche auch sein mögen, eins haben sie alle gemeinsam: Ihr Wachstum basiert auf einem sehr starken und solidem Fundament und das ist unser erfolgreiches TV-Geschäft.

VC Magazin: Paradebeispiel für Media-for-Revenue ist nach wie vor Zalando. Abgesehen von E-Commerce-Unternehmen: Bei welchen Geschäftsmodellen funktioniert TV-Werbung und welchen Impact kann sie haben, um das Geschäft voranzubringen?
Wegner: Fernsehwerbung funktioniert bei allen Angeboten, die auf einen Massenmarkt abzielen, Erklärungsbedarf haben sowie Vertrauen und Emotionalisierung erfordern. Allerdings: Die Geschäftsmodelle müssen schon reibungslos funktionieren sobald im TV geworben wird und die Start-ups müssen schnelles Wachstum auf Vertriebsseite stemmen können. Ohne ein gutes Gründerteam geht’s nicht. In der Vergangenheit konnten sich viele  Start-ups keine TV-Kampagnen leisten, sie stießen damit bereits in einer frühen Entwicklungsstufe an ihre Grenzen. Unser Geschäftsmodell kann man vor diesem Hintergrund als eine Art Anschubhilfe sehen. Zalando war hier in der Tat der Eisbrecher – bekanntermaßen mit großem Erfolg. Durch die stringente Kombination mit Online-Marketing kann Zalando inzwischen als Kategorie definiert werden, vergleichbar mit Ohropax oder Tempo.

VC Magazin: Media-for-Revenue beziehungsweise -Equity kann für TV-Broadcaster lediglich ein interessantes Zusatzgeschäft sein, da Ihnen je Sender nur zwölf Minuten Werbezeit in der Stunde  zur Verfügung stehen. Wo sehen Sie eine prozentuale Grenze und welchen Stellenwert wird der Bereich in Zukunft einnehmen?
Wegner: Korrekt, wir sprechen hier von nicht-verkauftem TV-Inventar. Gleichwohl entspricht dies in Summe auf das Jahr gesehen einem Mediawert von rund einer Milliarde Euro. Diese freien Kapazitäten nutzen wir nun seit nunmehr drei Jahren effizient, indem wir sie jungen Unternehmen zur Verfügung stellen. Bei unseren Media-Deals haben wir inzwischen drei Zyklen durchlaufen: Angefangen hat es mit Revenue Share-Vereinbarungen. Im zweiten Schritt haben wir angefangen, größere Minderheitsanteile von etwa 20% zu erwerben. Beispiele hierfür sind Stylight, Flaconi oder moebel.de. Bei diesen Beteiligungen bringen wir uns auch Cash-Investments ein. Inzwischen setzen wir auch auf Mehrheitsbeteiligungen oder  Komplettübernahmen und bauen eigene E-Commerce-Verticals auf, die wir langfristig halten. Wir verstehen uns hierbei als Partner und wollen die Unternehmen gemeinsam mit den Gründern weiterentwickeln. Ein Beispiel hierfür ist das Segment Travel, in dem wir mit weg.de, ferien.de, billiger-mietwagen.de, mydays, Tropo, holiday-insider, reise.com und wetter.com unsere Assets gebündelt haben und die sich nun auch gegenseitig hebeln. Ähnliche Cluster werden wir auch in anderen E-Commerce-Segmenten aufbauen.