Harry’s übernimmt Feintechnik und beschert Private Equity-Investoren einen Exit

PantherMedia / Matthew Benoit

Im südlichsten Zipfel Thüringens, im kleinen Städtchen Eisfeld wurde nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit Industriegeschichte geschrieben. Albin Ritzmann, ein Handwerksmeister, gründete dort um 1920 herum eine Rasierklingenfabrik namens Feintechnik. Bis dahin hatten noch 80% der Männer ein klassisches Rasiermesser benutzt. Das war gefährlich und schwierig zu handhaben. „Die Rasierklinge hatte ihren Durchbruch im ersten Weltkrieg. Eine gute Rasur war damals nicht nur ein hygienisches Problem. Eine Gasmaske war nicht dicht, wenn Soldaten nicht perfekt rasiert waren“, erzählt der heutige CEO Heinz Dieter Becker. So legte Ritzmann mit seinen neuartigen Sicherheitsrasierklingen den Grundstein für den Aufstieg zu einem der weltweit führenden Hersteller auf diesem Gebiet. Und das, obwohl die Produktion nach dem zweiten Weltkrieg zunächst jahrzehntelang in einem großen Kombinat der DDR aufging.

Vom Schock zum neuen Selbstbewusstsein

„Nach der Wende wurden die Mitarbeiter schlagartig aus der sicheren Arbeitsplatzsituation des Sozialismus herauskatapultiert und sind bei einem Südtiroler Patriarchen gelandet. Er genießt immer noch großes Ansehen in der Belegschaft“, berichtet Becker. Die Mitarbeiter fühlten sich dann aber in ihrem Familienunternehmen wohl. Eine große Umstellung bedeutete es dementsprechend, als 2007 die Beteiligungsgesellschaften Alpine Equity und Invision Private Equity die Feintechnik GmbH Eisfeld erwarben. „Der Verkauf an damals als Heuschrecken verrufene Private Equity-Investoren wie ein zweiter Schock. Alle hatten Angst, dass am Ende nur verbrannte Erde übrig bleibt“, erinnert sich der Geschäftsführer. Doch die Käufer spielten von Anfang an mit offenen Karten – und gewannen so schnell das Vertrauen der Mitarbeiter. Dass es irgendwann aber zum Exit kommen wird, war allen klar. „Für uns hieß das nur: Wir müssen so gut sein, dass es uns egal ist, an wen wir verkauft werden“, sagt Becker im Rückblick. „So ist ein Selbstbewusstsein entstanden, das durch diesen Deal bestätigt wird. Wir waren übernahmereif.“

100 neue Mitarbeiter, doppelter Umsatz

Fast sieben Jahre lang haben Alpine Equity und Invision das Unternehmen mit Kapital und Knowhow unterstützt. „Wir sind spezialisiert auf Unternehmen, die etwas Besonderes können, aber noch nicht ausreichend international aufgestellt sind“, sagt Alpine-Vorstand Dr. Omer Rehman. Feintechnik sei genau so ein Fall gewesen. „Diese kleine Technologieschmiede aus Thüringen hatte es bereits geschafft, führend auf dem Markt zu werden, ohne Millionen in Forschung zu investieren. Allerdings war ein internationaler Vertrieb so gut wie nicht vorhanden. Er basierte quasi auf einem Faxgerät“, erinnert sich der Investor. Das ist heute anders: Rund 100 neue Mitarbeiter, viele neue Kunden weltweit und ein verdoppelter Umsatz – das ist die Bilanz der letzten Jahre. „Wir haben aus Feintechnik eines der Top-Unternehmen in Thüringen gemacht. Das ist der Beweis dafür, wie viel Private Equity erreichen kann“, sagt Rehman stolz.

David kauft Goliath

Dass sich allerdings ausgerechnet ein junges Start-up aus den USA in Thüringen einkauft, hätte noch vor einigen Jahren niemand erwartet. „Das war am Ende schon überraschend für uns“, gibt auch Rehman zu. Und doch ist es für die beiden Gründer Jeff Raider und Andy Katz-Mayfield, beide Anfang 30, der einzig logische Schritt. Ihre Idee: Günstige, aber hochwertige Rasierer übers Internet verkaufen, intensive Kundenbindung inklusive. „Wir kennen Jeff und Andy schon länger. Sie haben in ihrer Vorgründungsphase Kontakt mit uns aufgenommen, um die Lieferkette für ihr Produkt zu analysieren“, erzählt Becker. Das Problem: Es gibt im Bereich Rasierklingen nur eine Handvoll Lieferanten auf dem Niveau von Feintechnik. Und der Weltmarkt wird mit einem Marktanteil von fast 85% von Gilette und Wilkinson dominiert. Ein großes Risiko für eine junge Marke wie Harry’s. „Man ist dadurch sehr abhängig von einem einzelnen Lieferanten“, erklärt Feintechnik-CEO Becker. „Wenn dem dann etwas passiert, wenn er zum Beispiel von einem Wettbewerber aufgekauft wird, riskiert man die komplette eigene Marke.“ Und das wollten die beiden Amerikaner unbedingt vermeiden.