Mangel an Wagniskapital gefährdet deutsche Wirtschaft

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Deutschland ist das wirtschaftliche Kraftzentrum Europas. Ein in der EU sonst unerreichter Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung von rund 23%, leistungsstarke mittelständische Unternehmen und hohe Rechtssicherheit sind  Wettbewerbsvorteile. Doch das scheinbar gut gefüllte Konto der deutschen Wirtschaft  belasten möglicherweise schwerwiegende und folgenreiche Versäumnisse. Derzeit fehlt es im Land der Dichter und Denker nicht an innovativen und marktfähigen Ideen für neue Produkte. Mit rund 59.600 Anmeldungen 2012 nahm die Zahl der Patente gegenüber dem Vorjahr in Deutschland leicht zu. Das Volumen der erteilten Patente ging leicht zurück auf 11.500. Eine internationale Spitzenposition! Bedenklich ist jedoch, dass 63% der Patentanmeldungen von Großunternehmen stammen. Nur 37% kommen vom Mittelstand und einzelnen Erfindern. Doch wie viele Patente erblicken als fertige Produkte das Licht des Marktes?

Bedrohung für die deutsche Wirtschaft

Die rund 200 Teilnehmer des 9. Münchner Technologietags bewerteten die Chancen junger Unternehmen und ihrer Innovationen in Deutschland kürzlich sehr pessimistisch. Thema der in Deutschland führenden Technologiekonferenz  war die Innovations- und Unternehmensfinanzierung. Unter dem Titel „Unternehmer-Investoren – mehr als Venture Capital“ erörterten Unternehmer, Investoren, Wissenschaftler, Fachleute und Technologieinteressierte die Herausforderungen rund um die Finanzierung junger Unternehmen mit Wagniskapital. Der Weg von der Idee über das Geschäftsmodell und die Herstellung eines neuen Produkts bis zur erfolgreichen Vermarktung fordert Finanzierung. Der Mangel an Kapital für junge Unternehmen nimmt für die deutsche Volkswirtschaft bedrohliche Züge an. In Schlüsselbranchen der Zukunft wie Bio- und Informationstechnologie könnte Deutschland bald den Anschluss verlieren.

Keine Investitionskultur für Wagniskapital

MährleHarald Mährle, geschäftsführender Partner von Mummert & Company, Initiator des Technologietags, brachte das Ergebnis der Konferenz auf den Punkt: „In Deutschland ist Wagniskapital für Unternehmensgründer mit guten Ideen immer noch knapp. Auf der einen Seite steht Wagniskapital für Start Ups kaum zur Verfügung.“ Auf der anderen Seite sein Exitkanäle zur Refinanzierung und zum rentablen Ausstieg der Investoren, wie zum Beispiel ein Börsengang oder der Verkauf einer Beteiligung, schwierig oder nahezu nicht vorhanden. Es fehle eine Investitionskultur für Venture Capital, so Mährle

Aus in Zukunftsbranchen?

Das klingt dramatisch. Bleiben aussichtsreiche Erfindungen in Deutschland schon in der Pipeline der Entwicklung stecken? „Ja, wir müssen fürchten, dass zahlreiche aussichtsreiche Projekte auf der Strecke bleiben oder ins Ausland wandern“, schätzt Mährle. Heutzutage sei die Entwicklung eines Produkts in den Schlüsselbranchen der Biotechnologie oder der Informationstechnologie nicht nur der geniale Einfall eines Einzelnen, sondern meist ein langwieriger, komplexer Prozess eines Projetteams, eines ganzen Unternehmens. Nötig sei der Aufbau professioneller, funktionierender und wettbewerbsfähiger Strukturen in Unternehmen. Das ist teuer, so Mährle. Ohne mehr Wagniskapital- und Know-how-Geber spielt  Deutschland in wichtigen Zukunftsbranchen bald keine Rolle mehr.