IPO-Aussichten in Deutschland

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15 bis 20 Börsengänge in Deutschland, davon geht der aktuelle „EY Global IPO update 2014“-Report aus. Zahlen, die Anleger und Experten fröhlich stimmen sollten. Doch nur allzu schnell können sich die Vorzeichen ändern: Rangierte der DAX an der Frankfurter Börse vor wenigen Wochen noch auf neuen Höchstständen jenseits der 10.000 Punkte, dümpelt der Wert aktuell bei knapp unter 9.000 Punkten, und ein Ende ist nicht abzusehen. Und bekannterweise sind fallende Kurse für geplante IPOs alles andere als ein Wohlfühl-Klima.

Rocket hat nicht gezündet

Sehnsüchtig schaute man über den großen Teich und hoffte, die Welle würde den weiten Weg über den Atlantik schaffen. Bis Ende September gingen in den USA 220 Unternehmen an die Börse, mit einem Volumen von rund 77 Mrd. USD. Einen wesentlichen Anteil daran hatte der größte Börsengang aller Zeiten: Der IPO der chinesischen E-Commerce-Handelsplattform Alibaba erzielte ein Emissionsvolumen von 25 Mrd. USD. Investoren sahen darin auch den Beweis für die Erfolgsaussichten internetbasierter Geschäftsmodelle sowie allgemein von Technologieunternehmen. Allerdings scheint die Kraft der Tsunamiwelle von der New Yorker Wall Street bis nach Frankfurt etwas verpufft zu sein. Nach den fulminanten Börsengängen von Zalando und Rocket Internet ist es ruhig geworden. Gewinnmitnahmen sorgten rasch für fallende Kurse, die bis heute unter den Ausgabewerten liegen. Überhaupt ist die Stimmung an den Börsen in Europa gedämpft. Kürzlich sagte etwa das Schweizer Biotech-Unternehmen Molecular Partners seinen geplanten Gang an die Züricher Börse kurzfristig ab. Begründung: Die allgemeinen Börsenwerte seien zu schlecht. Die Angst vor einer neuen Börsenblase 2.0 spielt unter diesen Voraussetzungen keine Rolle. Ohnehin ist die Zahl der Börsengänge derzeit noch weit vom Niveau des Jahres 2001 entfernt. Und auch Investoren gelten heute gemeinhin als grundsätzlich vorsichtiger und wählerischer.

Deutsche Firmen an ausländischen Börsen

Egal ob Biotechnologie, Cleantech oder Internet, die Beobachter warten weiterhin auf einen Leuchtturm, ein erfolgreiches deutsches IPO, das auch international für Aufsehen sorgt. Ein deutsches Facebook, manch einer hätte sich dies von Zalando oder Rocket Internet gewünscht. Doch so weit ist es bis dato nicht gekommen. Im Gegenteil, Unternehmen wie Orion Engineered Carbons oder Affimed Therapeutics zog es lieber in die USA, obwohl die Anforderungen an eine Notierung dort höher sind und die Konkurrenz, gegenüber der man sich beweisen muss, geleichwohl stärker. Probiodrug aus Halle ging an die Amsterdamer Euronext. Seit 2006 hat kein deutsches Biotech-Unternehmen mehr den Sprung an eine deutsche Börse gewagt. Eine spezielle Start-up-Börse, ins Spiel gebracht vom Bundeswirtschaftsminister und gefordert von Branchenverbänden, mag langfristig Abhilfe bringen und Anreize schaffen. Doch die Mühlen mahlen langsam, und wie viel Zeit schlussendlich vergehen wird, bis das neue Segment wirklich existiert und greift, weiß niemand. Zudem arbeitet die Deutsche Börse laut eigener Aussage an neuen Angeboten für eine „Hightech“-Vorbörse-Plattform. Qualifizierten Investoren soll auf diese Weise eine frühzeitige und tiefer gehende Information über innovative und interessante, sprich potenzielle IPO-Kandidaten, ermöglicht werden. Überhaupt würden viele Firmen um ein Listing im streng regulierten Prime Standard ersuchen, welches ihnen die Nutzung eines seriösen Börsenumfelds ermöglicht.

IPOs in Lauerstellung?

Derweil haben in den vergangenen Monaten vor allem Beteiligungsgesellschaften das gute Börsenumfeld genutzt, um sich von Portfolios zu trennen und Kasse zu machen. Die Analysten von EY gehen davon aus, dass im bisherigen Jahresverlauf bei knapp über 200 IPOs rund 70 Mrd. USD erlöst wurden – ein neuer Rekordwert, der in den restlichen Wochen des Jahres noch erhöht werden kann. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr wurden bei 187 Börsengängen international knapp 58 Mrd. USD eingenommen. Und noch immer werden mehr als 100 Unternehmen aus Private Equity-Beständen als geeignete IPO-Kandidaten gehandelt. Deren Börsengänge werden zusammengefasst mit einem Erlöswert von mindestens weiteren 20 MRD. USD bewertet.

Trotz allem ein erfolgreiches Jahr

Trotz fallender Kurse verspricht das Jahr 2014 zum erfolgreichsten IPO-Jahr in Deutschland seit 2007 zu werden. Damals betrug der Erlös durch Börsengänge in Deutschland über 7,8 Mrd. EUR. Und dabei scheinen noch nicht mal alle Karten ausgereizt. Den diversen kriegerischen Auseinandersetzungen in Osteuropa, dem Nahen Osten, Irak oder Syrien – häufig eine Bremse für den IPO-Markt – stehen trotz fallender Kurse noch immer eine relativ niedrige Volatilität und hohe Bewertungen an der Börse gegenüber. Schon spielen gerade lukrative Start-ups Vabanque und schieben ihren Börsengang hinaus in der Hoffnung auf eine Vervielfachung der eigenen Bewertung und steigende Einkünfte – und scheinen nun den richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben.